Im vergangenen Sommer habe ich, tätig als niedergelassener Psychiater und Psychotherapeut, ein Buch zur psychischen Bewältigung der ökologischen Krise herausgebracht:
„Mensch, was nun? Wie wir der ökologischen Krise begegnen – können“
(zu Autor und Buch siehe auch: www.mensch-was-nun.de ).
Mittlerweile darf ich gelegentlich auf Vorträgen etwas dazu erzählen. Abgesehen von den fruchtbaren Diskussionen dabei freut mich dies auch deshalb, weil sich Verlage und Zeitungen mit dem Manuskript bzw. dem dann fertigen Buch sehr schwer getan haben. „Öko“ und „Psycho“ gleichzeitig? Das ist dann doch zuviel an problematischen Themen, von denen keiner gerne etwas hören will und die daher meist weggeschoben werden – denn es könnte ja sein, dass sie einen doch betreffen.
Gerne stelle ich bei einem solchen Vortrag folgende Eingangsfrage:
„Glauben Sie, unsere Kultur würde sich freiwillig zu einer vernünftigen und nachhaltigen Lebensweise bekehren?“.
Die Antwort zumeist: betretenes Schweigen. An dieser Stelle könnte ich den Vortrag im Grunde gleich wieder beenden, denn es ist alles gesagt: eine bewusst vollzogene Revolution zur viel beschriebenen Nachhaltigkeit erscheint unwahrscheinlich, die ökologische Krise wird also weiter voran schreiten, es muss wohl erst zu schmerzhaften Einschnitten kommen – und das löst Frust aus, Resignation, eine depressive Stimmung, und daher auch Schweigen.
Natürlich geht der Vortrag nach dieser Einstimmung erst richtig los, aber die Frage eines Studenten, ob es denn eine ökologische Depression gibt, erscheint berechtigt. Ja, es gibt sie, aber nicht so, dass jemand zu mir in die Praxis kommt und sagt: „Hören Sie, ich bin traurig und habe keinen Antrieb mehr wegen all dieser ökologischen Probleme“. Schaut man sich die Verdrängungsmechanismen vieler an sowie die Ohnmachtsgefühle und das Unbehagen, was viele Menschen heute aber verspüren, sind durchaus Millionen von der „ökologischen Depression“ betroffen.
Bisher äußert sie sich nur indirekt: Mitarbeiter der France-Telecom begehen Selbstmord, ähnlich auch überlastete Arbeiter in Japan, hier bei uns kommen immer mehr Menschen mit Klagen über zunehmenden Arbeitsdruck, plötzliche oder drohende Kündigungen, Konflikte mit Vorgesetzten, belastende Zeitnot und Hektik durch Mobilität, mit Klagen über Schlafstörungen und ähnlichem in die Praxis. All dies ist auch ein Ausdruck der veränderten Arbeits- und Lebenswelt seit der Industrialisierung – und die hat uns auch die Ökokrise gebracht, und gleichzeitig auch durch Vereinzelung, Wegfall von Ritualen und Geselligkeit sowie auch Sinnentleerung der Arbeit eine Zunahme von Depressionen. Da schließt sich der Kreis. Also benötigen wir eine spezielle „antidepressive Behandlung“ für diese Ökodepression. Daher nochmals der Hinweis auf das Buch (ein non-profit-Unternehmen von mir, siehe oben!) sowie folgende Veranstaltung:
Psychokrise in der Ökokrise?
Können wir Verdrängung und Resignation überwinden?
Referent: Dr. Andreas Meißner, München, Psychiater und Psychotherapeut
Mittwoch, 24.02.2010, 20.00 – 22.00 Uhr
Münchner Volkshochschule am Haderner Stern, Guardinistr. 90, 81377 München
Eintritt frei!
Kommentare (27)
ich kann dir in diesem Zusammenhang das Buch endgame - Zivilisation als Problem ( http://www.piper-verlag.de/pendo/buch.php?id=15017&page=buchaz ) ans Herz legen.
Derrick Jensen stellt zu Beginn seiner Vorträge genau die gleiche Frage wie du: „Glauben Sie, unsere Kultur würde sich freiwillig zu einer vernünftigen und nachhaltigen Lebensweise bekehren?“
Wenn du Englisch gut beherrschst, würde ich dir die englische Originalausgabe empfehlen ( http://www.endgamethebook.org/ ).
Viele Grüße aus Münster,
Boris
Meine Antwort: Ja, ich glaube es wäre möglich, allerdings nur unter einer Voraussetzung - bessere Bildung für alle Bevölkerungsschichten.
In Kindergarten und Schule muss dringend umgedacht werden, hin zur Vermittlung von sozialer Verantwortung. Die Vermittlung von Werten darf sich nicht nur im (einen Teil der Gesellschaft, weil andersgläubig, ausschließenden) Religionsunterricht abspielen.
Statt das Wettbewerbsdenken zu fördern sollte ein "Gemeinsam sind wir stark" vermittelt werden.
Kritisches Denken gehört genauso selbstverständlich auf den Stundenplan wie das Erlernen von Toleranz. Und vielleicht auch einmal wöchentlich das Fach "So werde ich glücklich", ich glaube in England wird das schon erforlgreich an einer Schule unterrichtet.
So viel zu meiner Utopie....
Pia
eigentlich wollte ich Pia nur recht geben,
aber ne kleine Erweiterung zu dem obigen Satz. Wieso wird eigentlich unterstellt, daß sich unsere Kultur bekehren müsse?
Die Frage muß eigentlich eine andere sein, dann kriegt mensch auch keine Depression ...
Welche Vorteile hat es denn, wenn wir unsere Kultur so weiter entwickeln, daß wir eine bessere Lebensweise haben, weniger Energie vebrauchen, bessere Lebensmittel auf dem Markt sind.
@Pia ... ich würde deine Utopie nicht Bildung nennen, sondern ganz einfach Menschsein.
Gruß
Peter
Dicker Lesenswertpunkt.
Ich habe gerade eine Ortsgruppe des Aufbruchs www.anders-besser-leben.de gegründet. Tiefenökologie verbunden mit Spiritualität und Anleitungen zum Handeln.
Was wäre denn eine antidepressive Behandlung für Dich? Wie sollte die aussehen?
Mein Verständnis von Depression hat sich mit den Jahren gewandelt. Im Moment verstehe ich u.a. darunter auch eine Möglichkeit, Schmerz und starken Gefühlen auszuweichen " sich lieber in Nebel hüllen, nicht da sein, kann ja nix tun". Verständlich, nachvollziehbar.
Eine andere Möglichkeit wäre wirklich hinzugucken, Schmerz zulassen können, Verzweiflung darüber, daß wir soviel ökologischen Unfug treiben, die Erde an den Rand des Ruins bringen.
Mir helfen die Bücher von Joana Macy, besonders " Reise in das lebendige Leben" mit vielen wunderbaren Anleitungen, Übungen, Geschichten die uns helfen, den Schmerz zuzulassen, hindurch zu gehen und dann das Machbare zu tun. Sehr empfehlenswert auch " Fünf Geschichten, die die Welt verändern"
Habe auch schon Texte von Joana Macy gelesen, sehr hilfreich. Und: hinschauen, den Schmerz spüren, diesen dann auch mit anderen teilen, all das ist auch äußerst "antidepressiv". Gruß, Andreas
Kurze Anmerkungen: gebe zu, habe die Eingangsfrage von Derrick Jensen abgekupfert, sein Buch "Endgame" halb gelesen, ist hoch interessant, aber er wiederholt sich oft, man hätte hier statt über 500 Seiten auch nur 200 schreiben können, daher habe ich es nach der Hälfte weggelegt.
Die Frage, warum sich unsere Gesellschaft überhaupt bekehren müßte? Muss sie natürlich nicht, aber dann kommen die Katastrophen eben umso schneller auf uns zu, das Ganze hat ja schon begonnen. Ich glaube auch nicht, dass es möglich sein wird, aber genau dieser Tatsache muss man ins Auge blicken.
Wie man mit der daraus entstehenden "Depression" umgehen kann? Ist hier in aller Kürze nicht darzustellen, daher lest ggf. das Buch. Soll keine plumpe Werbung sein, denn ich verdiene eh nichts dran, aber am Herzen liegt es mir natürlich schon. Fazit vielleicht: nicht nur auf andere, die nichts tun, schauen, sondern selbst für ein eigenes ökolog. Gewissen sorgen, egal, ob Politiker, Nachbarn, und andere immer noch versagen, in Urlaub fliegen etc., und: sich nicht in den Zielen übernehmen, und und und ... .
zu Pia: immer diese Bildung, und der Stundenplan! Das läßt sich alles nicht vermitteln, sondern nur vorleben. Auch das ist Thema im Buch! Also: selbst mutig sein, aus der Reihe scheren, kritisch nachfragen, etc.!! Solange wir alle im hektischen Alltags-Wirtschafts-Hamsterrad fleißig weiter mitlaufen, werden unsere Kinder nichts anderes lernen als Wichtigkeit!
Die Kultur schon, nur mit den Menschen wird's schwierig.
;-)
Okay, das allgemeine Bewusstsein steigt, man redet schon mal mehr darüber, das ist der erste Schritt. Mehr Solaranlagen werden aufs Dach gestellt, aber die Fotovoltaik kommt leider im Moment auch ins (neg.) Gerede. Noch scheint mir ökologisches Engagement ehrlich gesagt nur ein Luxus für eine schon bedürfnisgesättigte Mittel- und Oberschicht zu sein. Hartz-IV-Empfänger haben wenig dafür übrig - können sich aber wenigstens mangels Geld kaum umweltschädlich verhalten.
1. gibt es genug Menschen, die gleich wenig Geld haben ( Z.B.auch Selbständige, die am Minimum leben)
2. glaube ich das nicht. Ich finde diese Bezeichnung Hartz4 kommt einem Abstempeln gleich. Es nimmt auch immer mehr zu z.B. im Fernsehen, daß Menschen nur noch als Hartz 4 Empfänger bezeichnet werden und nicht mehr als Herr oder Frau Sowieso. Reduktion auf die Bedürftigkeit. Es kann alle treffen!!!!!
Ich kenne hier auf Utopia viele Menschen ( auch mit Hartz 4 Bezug) die eine Menge bewegen und sich sehr wohl interessieren z.B. mit ihrem wenigen Geld Ökostrom beziehen und deshalb für bescheuert erklärt werden.
Deine Behauptung ist einfach Unsinn. In jeder sozialen und finanziellen Schicht gibt es solche und solche.
Wollte mit dem pointiert gemeinten Hinweis auf Hartz-IV-Empfänger niemanden stigmatisieren. Aber: es gibt gute Studien, die belegen, dass sich Leute mit wenig Geld automatisch umweltfreundlicher verhalten, weil sie einfach weniger konsumieren, nicht in Urlaub fliegen etc.; so ist z. B. die Rentnerin, seit Jahrzehnten im gleichen Dorf oder Stadtviertel in der gleichen Wohnung mit den gleichen Möbeln lebend, ohne dass sie ein Auto und jeden modernen Schnickschnack braucht, sicher ökologisch effektiver als so mancher aus gut verdienenden Schichten, die sich zwar teure Biolebensmittel leisten können, aber eben auch weite Urlaubsreisen machen und da schnell gute Argumente haben, warum der Klimaschutz jetzt mal aussetzen muss.
Dass natürlich auch ärmere Menschen sehr wohl oft auch ganz bewußt umweltbewußt leben, versteht sich. Und: natürlich kann es jeden treffen, und sind auch viele andere betroffen (Rentner, Selbständige, Alleinerziehende, etc.). Aber nicht gleich so schimpfen auf vermeintliche Pauschalierungen: in so kurzen Texten wie hier muss man einfach etwas vereinfachen, um eine klare Aussage zu finden, sonst reichen die vorgegebenen Zeichen nicht aus, und es liest auch keiner. Ich glaube, wir sind uns im Grunde eigentlich einer Meinung! Gruß, Andreas
ich habe das Buch Endgame von Derrik Jensen auch angelesen, aber des Stil wegens, schon nach 80 Seiten aufgegeben, aber ich finde auch was er sagt sehr wichtig.
Vor kurzem habe ich ein Radiointerview mit Gerald Hüther (http://de.wikipedia.org/wiki/Gerald_H%C3%BCther) gehört. Er ist Neurologe und Hirnforscher und hat in den letzten Jahren wichtige Beiträge geliefert zu unserem Verständnis wie das menschliche Gehirn (neues) lernt. In diesem Radiointerview zu just dem Thema Lernen wurde er dann auch gefragt was die wichtigsten Komponenten zum Lernen seien. Was das Gehirn brauche um zu Lernen.
Er hat nur zwei Worte genannt. Achtsamkeit und Behutsamkeit.
Ich glaube das ist die Grundlage auf der sich eine Veränderung aufbauen lässt.
Und dann ist ja die Frage wie kann ich meine Leben so "entschleunigen" das diese zwei Attribute auch zur Wirkung kommen.
Da kann ich nur sagen, wir brauchen einander um uns aufmerksam zu machen und zu erinnern was wirklich wichtig ist und das wir nicht an der Peripherie hängen bleiben.
Ich wäre darüber hinaus an einem Kontakt zu dir interessiert mein Mann und ich betreiben auch eine Psychotherapiepraxis im Rhein/Maingebiet und würden dich gerne mal zu einem Vortrag einladen, wenn du auch mal nach "hier oben" kommst.
Vielen Dank für deinen Beitrag.
Jutta
Was Jensen schreibt, ist wichtig, aber teilweise so ätzend negativ. Bin ja selber gerne etwas zynisch und mokiere mich gerne, aber bei ihm ist es schon heftig.
Achtsamkeit und Behutsamkeit - wie wahr! Ohne diese schönen Wörter verwendet zu haben dreht sich in meinem Buch vieles genau darum am Schluss.
Lest es Euch doch mal durch (Werbung ...! Aber dann wißt Ihr noch besser, was ich denke; Bestellung über www.mensch-was-nun.de gerne bei mir, dann tut ihr nebenbei noch was Gutes für den BN), und dann können wir gerne mal über einen Vortrag reden.
Herzliche Grüße, Andreas
mit "Psychos" waren Psychotherapeuten, Psychologen und Psychiater gemeint.
Sollte niemand dadurch ausgegrenzt werden. Und ich freue mich, wenn auch andere Menschen sich zu meinen Gedanken äußern.
Mir fällt - auch bei Deiner Rückmeldung weiter unten - allerdings eine gewisse Gereiztheit auf, was ich schade finde. Ein Schritt in eine "bessere Zukunft" wäre auch, weg zu kommen von dem ewigen Recht-Haben-Wollen.
In diesem Sinne herzliche Grüße, Andreas
Nein, glaube ich nicht um ehrlich zu sein.
Das darf aber meiner Meinung nach auch für mein Handeln nicht ausschlaggebend sein.
"Ökologische Depression", damit kriege ich mit ca. 20 Jahren Verspätung einen Begriff für das, was ich selbst lange empfunden habe.
Irgendwann habe ich mich dann von dem Anspruch, die Welt verbessern zu müssen, gelöst und einen anderen Beruf ergriffen in der IT-Branche.
Während der ca. 10 Jahre in dieser Branche habe ich dann näher kennen gelernt, was im letzten Absatz oben gut beschrieben ist unter dem Stichwort "Sinnentleerung der Arbeit"
Inzwischen habe ich den Bogen geschlagen zurück zu meinen Bio-Wurzeln, und mache eine Arbeit, die mich voll erfüllt.
Antidepressiva oder Verdrängen sind sicher nicht die richtigen Methoden.
Für mich funktioniert, daß ich mir klar mache, was ich für ein kleines Menschlein bin und wie wenig Einfluss ich auf den Gang der Dinge habe.
Ein Blick zurück in die Geschichte zeigt mir, daß das schon immer so war und daß dieses Ohnmachtsgefühl (nennen wir es lieber Wenigmachtgefühl) kein Grund zur Verzweiflung sein darf.
Es reicht, wenn ich mir einen winzigen Anteil im Großen-Ganzen rausgreife und sage, an diesem Mosaiksteinchen will ich was bewegen.
Das ist meine spezielle „antidepressive Behandlung“ für die Ökodepression und gegen unser menschenverachtendes Arbeitssystem.
„Glauben Sie, unsere Kultur würde sich freiwillig zu einer vernünftigen und nachhaltigen Lebensweise bekehren?“.
Die Antwort zumeist: betretenes Schweigen.<<
Ehrlich gesagt: zu einer so gestellten Frage würde ich auch betreten schweigen.
Warum?
1) Eine Kultur ist kein Subjekt, das freiwillig oder nicht freiwillig irgendwas bewusst entscheiden kann. Außerdem: was ist mit "unserer Kultur" gemeint. Wen schließt dieses "Unser" (warum) ein und wen (warum) aus?
Oder: wo beginnt die besondere Gestaltung von Spielräumen (= Kultur) und wo haben wir es mit naturwüchsigen, eben nicht einfach so umgestaltbaren ökonomischen Strukturen und Prozessen zu tun, und was müsste grad an den - die so ganannten "Sachzwänge" generierenden - Zwangsverhältnissen geändert werden? Und die auch psychologisch interessanten Fragen: was erzeugt Verdrängung gefährlicher oder schädlicher Voraussetzungen und Folgen des Handelns, was wirkt dieser Verdrängung entgegen?
2) Zum Zweiten ist Glaube abgefragt. Als im Allgemeinen sehr ungläubiger Mensch fühle ich mich da überhaupt nicht angesprochen. Ich erwarte grad von Psychologen eher die Suche nach (oder das Vermitteln von) Wissen über konkrete und konkret zu erwartende Schäden und deren Ursachen, das Leiden daran und wie dem begegnet werden kann.
Gruß vom Topisten
Toll, das Kind hat nen Namen; ist eingeordnet ins "normale" Denkmuster!
Traurigkeit ist Normalität, hat jeder Mensch mal, also nennen wir es mal lieber Depression, das ist ne Krankheit, die ´ne Therapie braucht! ...
Die Anfangsfrage stinkt mir!
„Glauben Sie, unsere Kultur würde sich freiwillig zu einer vernünftigen und nachhaltigen Lebensweise bekehren?“
Was bitte ist unsere Kultur?
Es kann sich nur ein einzelner Mesnch entscheiden, das heißt, er nimmt Abschied von etwas -, kehrt um (bekehren). Ich kenne einzelne Menschen, die andere Wege als die normalen Depressionswege beschreiten; die sich keine Depressionen antun!
Die treten gemeinsam an und bewegen Herz und Hirn ...
" ... in so kurzen Texten wie hier muss man einfach etwas vereinfachen, um eine klare Aussage zu finden, .."
Eine klare Pauschalisierung zu finden ...
Berthild spricht mir voll aus der Seele: in der Praxis erlebe ich so oft Zustände von Traurigkeit, Verzweiflung und Ratlosigkeit, die nachvollziehbar sind und nicht gleich als Krankheit gesehen werden müssen. Leider wird viel zu oft im Sinne von "krank" etikettiert!
Um aber unseren Umgang mit den bekannten Fakten zur Ökokrise darzustellen, habe ich im Buch "Mensch, was nun?" (siehe: www.mensch-was-nun.de ) es pointiert zugespitzt, und die Mechanismen der Verdrängung, der Resignation, des unterdrückten Ärgers, des Schweigens über die Wut und den Schmerz einer "Depression" zugeordnet. Sicher nicht korrekt, aber hilfreich, um etwas darzustellen.
Kaum wahrgenommene und selten ausgedrückte Wut, Schweigen, Verdrängung und all das kommt aber tatsächlich sehr, sehr oft auch bei Depressionen vor, die diesen Namen verdienen, und diese Parallele zumindest ist doch auffällig!
Zur Kultur: wieder spricht mir Berthild völlig aus der Seele. Das genau ist mein Credo im Buch, nämlich für sich alleine Verantwortung zu übernehmen und sich entsprechend zu orientieren, wenn einen die Zustände heute irgendwie emotional berühren.
Aber ein bißchen blicke ich auch aufs Große: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrheit der Einzelnen in unserer westlichen Industrieländer-Kultur umkehrt und sich einer nachhaltigen Lebensweise zuwendet? Sehr gering, würde ich sagen.
Und das spüre ich, das spüren viele, und das macht etwas mit mir, und mit vielen anderen auch, nämlich frustriert, lähmt, etc.. Ganz abschütteln kann ich das zumindest nicht, so sehr ich versuche, nur meine alleinige Verantwortung zu sehen. Soweit!
Selbst der von mir so hochverehrte Herr Topist macht mir heute Kopfschmerzen ;))
Die einzige Chance, die ich sehe, ist, mit gutem Beispiel voranzugehen. Wenn das viele machen, könnte irgendwann die Stimmung "kippen". Dann traut man sich nicht mehr, den eigenen "Profit" (z. B. wegen 10 Minuten Zeitersparnis mit dem Auto fahren) auf Kosten der Umwelt und Allgemeinheit zu maximieren. Der Mensch ist ein soziales Wesen, der gerne das tut, was die anderen tun. Deswegen ist jeder Utopist wichtig, um andere "mitzureißen".
https://utopia.de/0/blog/sedl/wie-koennen-wir-die-welt
"Im Laufe der Zeit ist für mich immer deutlicher geworden, dass es in unserer gegenwärtigen Gesellschaft nicht so sehr ein Erkenntnisproblem ist, das uns zu schaffen macht. Wir wissen längst, dass es so nicht weitergeht und dass wir etwas anders machen müssten. Aber es gelingt uns nicht. Nicht in Krankenhäusern, nicht in Schulen, nicht in Unternehmen und Organisationen, geschweige denn in der Politik.
Wir haben also ein Umsetzungsproblem. Das interessiert mich seit einigen Jahren immer stärker. Ich suche seither nach dem Geheimnis des Gelingens, ich möchte herausfinden, was Menschen brauchen, um die in ihnen angelegten Potentiale entfalten, um gemeinsam über sich hinauswachsen zu können."
Ist es nachher wirklich nur Achtsamkeit und Behutsamkeit?
Aus eigener Erfahrung kann ich allerdings bestätigen, dass das "nur" in dieser Frage es in sich hat ...