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Kinderlos-Debatte: Jetzt schaltet sich das Schulministerium ein

Verena Brunschweiger
Foto: Juliane Zitzlsperger Neverflash

Mit ihrem Buch hat die Lehrerin Verena Brunschweiger im März für Aufsehen gesorgt: In „Kinderfrei statt kinderlos – ein Manifest“ erklärt sie, warum sie gegen das Kinderkriegen ist. Der Elternbeirat forderte Konsequenzen – jetzt prüft das Schulministerium den Fall.

Eine Frau, die sich bewusst gegen Kinder entscheidet, stößt in unserer Gesellschaft häufig auf Kritik. Dabei gibt es verschiedene Gründe, die gegen das Kinderkriegen sprechen. Für die Soziologin und Philosophin Verena Brunschweiger ist es – neben persönlichen Argumenten und der weiblichen Selbstbestimmung – vor allem einer: die hohe CO2-Belastung, die Kinder verursachen.

„Ein Kind kostet rund 50 Tonnen CO2 im Jahr“

Ein Kind ist das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann. Jedes nicht in die Welt gesetzte Kind bedeutet eine CO2-Einsparung von rund 50 Tonnen im Jahr“, erklärte Brunschweiger im März in einem Interview mit dem österreichischen Kurier – und sorgte damit ganz schön für Aufsehen.

Im Inforadio des rbb erläuterte die selbsterklärte Feministin und ökologische Aktivistin außerdem, sie trage zum Klimaschutz bei, indem sie nicht noch einen weiteren atmenden, ressourcenvergeudenden Menschen produziere: „Ich finde es fast meine Pflicht als ökologisch bewusster Mensch, dass ich mich nicht selber reproduziere.“

Kultusministerium prüft den Fall

Brunschweiger, die als Lehrerin an einem Gymnasium in Bayern arbeitet, wurde damals heftig kritisiert. Anfang Mai hat der Elternbeirat des Gymnasiums einen Brief an die Schulleitung und das bayerische Kultusministerium geschrieben. Die Eltern verlangen „Konsequenzen“ für die Aussagen, die Brunschweiger über das Kinderkriegen machte. Sie sehen das Vertrauensverhältnis als „dauerhaft beschädigt“ an.

Die Rektorin des Gymnasiums, an dem Brunschweiger unterrichtet, halte den Protest der Eltern für nachvollziehbar, berichtet taz.de. In ihrer Stellungnahme schreibt sie, die Lehrerin habe glaubwürdig versichert, dass sie die Schülerinnen und Schüler möge und gerne unterrichte.

Jetzt liegt der Fall beim Kultusministerium. Laut taz.de betont dieses: Die Staatsregierung ermutige Familien dazu, Kinder zu bekommen. Die Meinungsfreiheit der Lehrerin werde aber respektiert. Dennoch gebe es nun eine „sorgfältige Prüfung des gesamten Sachverhalts“.

Antinatalisten und der Club of Rome

Brunschweiger ist nicht die Einzige, die sich im Namen des Umweltschutzes gegen Kinder ausspricht. In den USA gibt es eine ganze Bewegung, die sich aus ökologischen Gründen für ein Leben ohne Nachwuchs entscheidet.

Die sogenannten Antinatalisten sehen „das größte Glück, das man seinen Kindern verschaffen kann, darin, nicht geboren zu sein“, wie es ein Autor der Zeit erklärt. Keine Kinder zu bekommen, ist ihrer Meinung nach eine notwendige umweltschonende Maßnahme.

Eine Forderung des Club of Rome aus dem Jahr 2016 geht sogar noch einen Schritt weiter: Frauen in den Industrienationen, die bis zum 50. Lebensjahr keins oder nur ein Kind bekommen haben, sollen 80.000 Dollar Belohnung erhalten. Die Begründung? Ebenfalls der ökologische Fußabdruck des Einzelnen.

Wie viel CO2 verursacht ein Menschenleben?

Tatsächlich „kostet“ ein Baby 58 Tonnen CO2 im Jahr – so lautete das überraschende Ergebnis einer Studie der schwedischen Universität Lund aus dem Jahr 2017. Zum Vergleich: Der zweitgrößte Umweltsünder ist das Auto, das 2,4 Tonnen CO2 pro Jahr verursacht. Eine Flugreise nach Thailand stößt 6,2 Tonnen CO2 aus.

Die Zahlen sind eindeutig, Kinder sind schlecht für die Umwelt. Aber nur deshalb keine zu bekommen, ist nicht die Lösung. Statt uns zu fragen, ob wir der Umwelt zuliebe auf Kinder verzichten sollen oder nicht, sollten wir uns lieber fragen, ob wir wirklich damit anfangen wollen, Kinder nach ihrem CO2-Abdruck zu bewerten.

Denn wenn wir das tun, wenn wir Menschen mit Flugreisen und mit Autos vergleichen, wenn wir sie zu einer Sache erklären, die unseren Planeten gefährdet, weil sie atmet und Ressourcen verbraucht, dann befinden wir uns einem Punkt, an dem Umweltbewusstsein in Menschenfeindlichkeit umschlägt.

Was ist unsere Zukunft – wenn nicht Kinder?

Stattdessen sollten wir, vor allem als Bewohner von Industrienationen, daran arbeiten, unseren Energie- und Ressourcenverbrauch deutlich zu drosseln.

Wer unsere Nachkommen nicht als Plage sieht und die Umwelt auch für sie erhalten will, muss den anstrengenden Weg gehen und dafür sorgen, dass jeder Einzelne ein nachhaltigeres Leben führt. Dabei fängt man am besten bei sich selbst an.

Menschen – und insbesondere Frauen – ein schlechtes Gewissen einzureden, weil sie Kinder bekommen wollen, ist sicher der falsche Weg, um unseren Planeten zu retten. Das ist genauso fragwürdig, wie Frauen zu kritisieren, die sich bewusst gegen Kinder entscheiden. Und besonders feministisch ist es auch nicht.

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