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So fährt es sich mit Locomore

Sparen beim Bahnfahren: möglich mit Deutsche Bahn Konkurrent Locomore
Foto: © Locomore

Viele Ideen, kleine Preise: Damit macht das Start-up Locomore der Bahn seit Kurzem Konkurrenz. Seit Dezember fahren die Züge zwischen Stuttgart und Berlin. Kommt damit endlich die Erlösung von Chaos, Verspätungen und unfreundlichem Service? Ein Erfahrungsbericht.

Von Berlin nach Heidelberg ohne Umsteigen und wenn man will sogar bis Stuttgart. Kostenloses WLAN im Zug. Familienlounges und Themen-Abteile. Der Antrieb zu 100 Prozent aus Ökostrom. Und das Ganze höchstens halb so teuer wie beim Normalpreis der Deutschen Bahn: Das ist die Ansage des Start-ups Locomore, das seit Dezember mit einem Zug zwischen Berlin und Stuttgart der Bahn Konkurrenz macht. Und jeder einzelne Teil davon ist ein Grund, es gleich einmal auszuprobieren.

Hinfahrt: 23.12.2016. Freitag. Ein Tag vor Weihnachten. Alle Tickets bei der (Deutschen) Bahn schon im Anfang November irgendwo bei 100 Euro oder mehr. Bei Locomore 65 Euro pro Person. Die Rückfahrten am 27. (für meine Frau) und 29. (für mich) kosten sogar nur 40 und 20 Euro.

Allerdings fährt Locomore in Heidelberg schon um 7:17 Uhr morgens los. Und die Züge von Berlin starten irgendwann nachmittags nach 15 Uhr. So kommt man relativ spät an, wenn man bis Süddeutschland will. Kleiner Minuspunkt für das Start-up. Aber das könnte sich ja noch ändern, wenn es einmal mehr Züge hat.

Bei der Buchung kann man sich aussuchen, ob man in einem Familienwaggon, einem Basic-Waggon oder in einem Themenabteil sitzen will. Vor allem die letzteren klingen interessant: Hier kann man wählen, ob man im Start-up-Abteil oder im Literatur-Abteil sitzen will. Für die Hinfahrt nehme ich Basic. Für die Rückfahrt zwei Plätze im Familienwaggon. Für meine Frau, die zwei Tage früher zurück fährt, einen Platz im Comic-Abteil.

Ein Wagen zu wenig, kein Wlan und klappernde Waggons

23.12, 15 Uhr, Berlin Hauptbahnhof. Wir treffen zwei Minuten vor Abfahrt des Zuges ein und sind trotzdem nicht die letzten, die einsteigen. Der Grund: Vor dem Zug wuselt eine große Menschenmenge herum, genau an der Stelle, an der eigentlich der Wagen Nr. 8 hätte stehen sollen. Doch der ist ausgefallen, die Leute müssen sich jetzt auf den Rest des Zuges verteilen, was jedoch nicht so leicht ist, weil die meisten Plätze schon belegt sind.

Für uns selbst ist enttäuschender, dass das WLAN nicht funktioniert. Außerdem sieht man den Waggons an, dass es alte DB-Waggons sind. Sie ruckeln und pfeifen deutlich mehr als die schönen, ruhigen, sterilen ICEs. Dafür findet sie zumindest unser Sitznachbar aber viel gemütlicher.

Unser Sitznachbar ist ein junger, redseliger Migrationsberater und während der Fahrt erfahre ich etwas über seinen interessanten (und sehr sinnvollen) Beruf. Auch der Rest der Fahrt ist angenehm. Die Passagiere sind jünger als auf den meisten Reisen mit der Deutschen Bahn. Und die Schaffnerin schafft es tatsächlich, mein Ticket vom E-Mail-Eingang meines Smartphones aus zu scannen und für gültig zu befinden. Apps, Identifizierungskarten oder ähnliches sind nicht nötig.

Ankunft pünktlich um 20.32 Uhr in Heidelberg und wir sind trotz der Mankos insgesamt zufrieden.

Auf der Suche nach dem verlorenen Platz

Rückfahrt, 27.12, Heidelberg – Berlin. Auch hier ist Wagen 8 ausgefallen berichtet meine Frau. Sämtliche übrigen Abteile seien deshalb überbelegt gewesen – bis auf ihr Comic-Abteil. Hier wollte offenbar niemand sitzen. Für sie ein Pluspunkt: Sie konnte während der Fahrt gemütlich die Füße hochlegen und den Schlaf nachholen, den sie mit dem frühen Aufstehen verloren hatte. Ankunft auch hier pünktlich und unversehrt.

Rückfahrt, 29.12, Heidelberg, 7.17 Uhr, ich mit zweieinhalb-jähriger Tochter. Draußen ist es kalt, und drinnen, im angeblichen Familienwaggon auch. Denn unsere Plätze sind nicht im Hauptteil des Waggons, wo die Bücherkisten und Spielzeug-Eisenbahnen auf dem Boden liegen (dicker Pluspunkt für Locomore), sondern im Teil daneben, der durch eine Tür abgetrennt und nicht eigens beheizt ist. Eigentlich eher ein Durchgangsbereich. Mit Jacke geht es gerade noch.

Auch wir schlafen erst mal noch zwei Stunden. Dann werden wir von Platzsuchenden geweckt, die versuchen, sich zwischen unseren Beinen und den Rucksäcken an der Wand den Weg zu den zwei Klappsitzen am Fenster zu bahnen. Außerdem fluchen sie in verschiedenen Sprachen. Eigentlich hätten die beiden, Suprise Surprise, in Wagen 8 sitzen sollen. Aber der ist natürlich auch heute noch nicht da.

Locomore – noch verrückter?

Dafür bekommen wir in unserem Flurbereich besonders viel von der Odysee der aus Wagen 8 Vertriebenen mit. Sie sollen sich einen Platz in Wagen 7 (oder 4 oder 5) suchen. Ihre Suche nach dem verlorenen Platz wird allerdings dadurch erschwert, dass die übrigen Waggons nach dem Zufallsprinzip nummeriert sind. 

Immer wieder tönt es aus dem Lautsprecher: „Aufgrund eines Wagen-Ausfalls ist dieser Zug überbucht. Dafür möchten wir uns bei allen Fahrgästen entschuldigen. Fahrgäste mit einem Platz in Wagen 8 suchen sich bitte einen Platz in Wagen 7. Bitte beachten Sie die Reihenfolge der Wägen: Hinter der Lok kommen die Wägen 9 und 10 kommen, anschließend die Wägen 7, 3, 5, anschließend 6 und 4.” Für die genaue Wiedergabe der Reihenfolge übernehme ich keine Gewähr.

Weil sich die meisten Fahrgäste die Reihenfolge der Waggons genauso schlecht merken können wie ich, stehen viele von ihnen lange orientierungslos in der Gegend herum. Sollte der Name Locomore am Ende Kunstwort aus dem spanischen „loco“ (verrückt) und dem englischen „more” sein? Locomore – noch verrückter als die Deutsche Bahn?

Das Chaos ist allerdings nur die eine Seite. Die Stimme aus dem Lautsprecher entschuldigt sich immer wieder für die Platz-Probleme. Und die um ihren Platz gebrachten bekommen einen Gutschein für eine weitere Fahrt. Außerdem funktioniert diesmal das WLAN. Und das Personal weckt Mitgefühl, als es nicht weit von uns seine Sorgen über das zugeigene Chaos diskutiert.

Ob man wohl nicht schon alle Interessierten verschreckt hat, bis der Wagen 8 eines Tages fertig ist, fragen sich die Zugbegleiter neben uns. So viele Gefühl und Nahbarkeit ist man vom abgebrühten Personal der Deutschen Bahn gar nicht gewohnt.

Einer der beiden schenkt uns am Ende sogar noch eine Brezel, weil er nicht genug Wechselgeld hat. Es ist der, der einmal mit einem dermaßen verdrießlichen Gesichtsausdruck zur Tür hereinkommt, dass das vorhin noch wütende internationale Pärchen neben uns eine halbe Minute lachen muss, als er wieder draußen ist.

Und es lohnt sich doch

Aber auch nach dieser Fahrt kommen wir pünktlich und letztlich unversehrt in Berlin an. Sie ging schnell vorbei, weil viel passierte. Und war am Ende noch lange nicht so schlimm, wie ein überfüllter ICE im Sommer mit defekter Klimaanlage. Nächstes Mal also wieder Locomore?

Natürlich ist die Verheißung dieses Start-ups jetzt nicht mehr ganz so unwiderstehlich. Zumal ja auch die Deutsche Bahn seit Anfang 2017 kostenloses WLAN in ihren Zügen hat. Und auch dort gibt es mittlerweile Sparpreis-Angebote, bei denen man für 20 Euro mit dem ICE durch ganz Deutschland fahren kann. Ein großer Gewinn für die Deutsche Bahn außerdem: Man weiß jetzt, dass nicht nur ihr Monopol auf den Schienenverkehr gebrochen ist, sondern auch ihr Monopol auf das Chaos beim Schienenverkehr.

Von einer Niederlage für Locomore kann man trotzdem nicht sprechen. Das Start-up hat gezeigt, dass Zugverkehr zu günstigen Preisen, mit gutem Service, interessanten Ideen und ökologisch nachhaltigem Ansatz funktionieren kann. Und auch der Wagen 8 wird früher oder später fertig sein und mit von Stuttgart nach Berlin fahren.

Und wenn auch der ehemalige Monopolist jetzt ebenfalls Fahrten zu günstigen Preisen und mit kostenlosem WLAN anbietet, dann tut er das ja nicht trotz, sondern gerade wegen der jungen Konkurrenz auf den Straßen und Schienen. Für die Kunden hat dieser Wettbewerb jedenfalls nur Vorteile. Und für die Umwelt auch.

GASTBEITRAG aus enorm.
TEXT: Jonathan Widder

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