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Neue Volkskrankheit „Kreidezähne“: 450.000 Kinder sind betroffen

Kreidezaehne
Foto: © DGZMK

Beim Zähneputzen tun die Zähne weh? Sie sind fleckig und wirken rau? Das könnten Kreidezähne sein. Zahnärzt:innen warnen vor der neuen „Volkskrankheit“, von der vor allem Kinder und Jugendliche betroffen sind. Die Expert:innen haben auch eine Theorie dafür, weshalb Kreidezähne bei uns so stark verbreitet sind.Kreidezähne – auch genannt Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – sind unangenehm: Beim Essen, Trinken oder Zähneputzen schmerzen die Zähne, auch bei sehr warmen oder kalten Getränken tun sie weh. Außerdem sehen sie unschön aus: Sie haben Furchen und sind teilweise weißlich, gelblich oder sogar bräunlich verfärbt.

Die „Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“ (DGZMK) warnt seit 2018 vor der Krankheit: Etwa 10 bis 15 Prozent aller Kinder sollen betroffen sein, bei den Zwölfjährigen seien es sogar noch mehr: Knapp jedes dritte Kind (30 Prozent) habe Kreidezähne. Im Zahnreport der BARMER von 2021 kommt die Krankenkasse zu dem Ergebnis, dass bundesweit mindestens 450.000 Kinder Kreidezähne haben. Das entspricht etwa acht Prozent aller Sechs- bis Zwölfjährigen. MIH komme in dieser Altersstufe sogar häufiger vor, als Karies. Die DGZMK spricht daher von einer neuen Volkskrankheit. Die Kreidezähne sind nicht nur unästhetisch und schmerzhaft, durch die raue Oberfläche sind sie auch besonders kariesanfällig.

Mögliche Ursachen von Kreidezähnen

Kreidezähne entstehen, weil die Mineralisation des Zahnschmelzes gestört ist. Woran das liegt, ist noch nicht ganz klar. Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung scheinen Umwelttoxine wie Kunststoffe wie zum Beispiel Bisphenol A (BPA) zu spielen, die unter anderem mit der Nahrung aufgenommen werden. Das berichtet zumindest die DGZMK in einer Pressemitteilung. Denkbar seien außerdem Probleme während der Schwangerschaft, Infektionskrankheiten, Antibiotika, Windpocken als Ursachen.

Zusammenhang mit Antibiotika-Einnahme

Eine Ursache für Kreidezähne, die diskutiert wird, ist die Einnahme von Antibiotika. So erklärte die Krankenkasse BARMER in deren Zahnreport, dass Kreidezähne durch die Einnahme von Antibiotika verursacht oder zumindest begünstigt werden. Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Krankenkasse, meinte dazu: „Die Verordnung von Antibiotika steht in einem erkennbaren Zusammenhang mit dem Auftreten von Kreidezähnen. Allerdings ist noch unklar, wie dieses Zusammenwirken genau funktioniert. Hier sind weitere Untersuchungen erforderlich.“

Antibiotika nehmen wir ein, um schwere Krankheiten zu bekämpfen – oft gibt es dazu keine Alternative. Sie sind aber nur eine der möglichen Ursachen für Kreidezähne. Mit anderen Stoffen, die ebenfalls zu der Zahnkrankheit führen können, kommen Kinder und Erwachsene zudem im Alltag wesentlich mehr in Berührung – obwohl das nicht sein müsste. Zu diesen zählt zum Beispiel BPA.

BPA verändert den Hormonhaushalt

BPA gehört zu den weltweit am häufigsten verwendeten synthetischen Chemikalien. Das Problem: Es wirkt wie eine Art hormoneller Schadstoff, da er eine östrogen-ähnliche Wirkung hat und den Hormonhaushalt verändert.

BPA lässt sich im Alltag extrem schwer vermeiden – es steckt in Verpackungen, Plastikgeschirr, Plastikschnullern, Konserven- und Getränkedosen. Beim Menschen fand man in Untersuchungen BPA im Blut, Urin, Fruchtwasser, Gebärmuttergewebe.

Weitere Ursache aufgedeckt

Neuere Erkenntnisse zu Kreidezähnen deckten Michael Hubbard von der University of Melbourne und seine Kolleg:innen auf. Sie untersuchten die Zahnschmelzbildung und fanden heraus, dass das Protein Amelogenin von den schmelzbildenden Zellen produziert wird und die noch kleinen Mineralkristalle im Schmelz bildet. Wenn der Zahnschmelz aushärtet, baut ein Enzym das Protein Amelogenin ab. Das ermöglicht ein Wachstum der mineralischen Kristalle.

Bei Kreidezähnen funktioniert der Abbau nicht wie er sollte. So enthalten die weichen, verfärbten Stellen an Kreidezähnen drei- bis 15-mal mehr Protein als für fertigen, ausgehärteten Zahnschmelz normal, wie die Forscher:innen herausfanden. Bei der Mineralisation des Schmelzes wurde das Protein offenbar nicht ausreichend abgebaut. Die überschüssigen Proteine führen dazu, dass der Zahnschmelz nicht mineralisiert werden und der Zahnschmelz nicht aushärten kann.

Serumprotein verhindert Mineralisierung

Doch wie kommt es dazu, dass die Proteine nicht abgebaut werden? Die Forscher:innen fanden in betroffenen Stellen im Zahn das Serumprotein Albumin – ein Molekül, das in intaktem Zahnschmelz nicht vorkommt. Dieses imitiert Amelogenin, indem es sich an die unreifen Zahnschmelzkristalle anlagert, und es verhindert dadurch die Mineralisierung, wie sie sonst durch Amelogenin erfolgt.

Für bessere Zähne: BPA im frühen Kindesalter meiden

Kreidezähne Zähne
So sehen Kreidezähne aus. (Foto: © DGZMK )

Obwohl über die Entstehung von Kreidezähnen bislang relativ wenig bekannt ist, gehen die Autor:innen des Zahnreports davon aus, dass die Ernährung das Entstehen von Kreidezähnen nicht beeinflusst.

Bekannt ist jedoch, dass sich der Zahnschmelz zwischen dem achten Schwangerschaftsmonat und dem vierten Lebensjahr des Kindes entwickelt, deshalb muss die Störung der Mineralisation auch in dieser Zeit auftreten. Auch die neuen Erkenntnisse zur fehlenden Mineralisierung mangels Amelogenin deuten auf die Entstehung im frühkindlichen Stadium hin.

Es ist also besonders wichtig, vor allem in diesem Zeitraum BPA möglichst zu meiden. Tipps hierzu: Wo Bisphenol A (BPA) enthalten ist und wie du es meidest.  Auch wenn MIH vor allem eine Kinderkrankheit ist, kann sie auch im Erwachsenenalter auftreten. Oft sind dann die Backenzähne und die mittleren Schneidezähne betroffen.

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