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Diskriminierend und stigmatisierend: WHO benennt Affenpocken um

Diese elektronenmikroskopische Aufnahme aus dem Jahr 2003, die von den Centers for Disease Control and Prevention zur Verfügung gestellt wurde, zeigt reife, ovale Affenpockenviren (l) und kugelförmige unreife Virionen (r).
Foto: Cynthia S. Goldsmith/Russell Regner/CDC/AP/dpa

Seit einigen Wochen werden Affenpocken in etlichen Ländern nachgewiesen, in denen die Virusinfektion zuvor keine Rolle gespielt hatte. Die WHO beruft nun einen Notfallausschuss ein – und gibt der Krankheit einen neuen Namen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) will den Affenpocken einen neuen Namen geben. Es gebe seit langem Bestrebungen, Krankheiten nicht mehr nach Tieren oder Regionen zu benennen, um jeglicher Möglichkeit von Diskriminierung oder Stigmatisierung vorzubeugen, sagte ein WHO-Sprecher am Dienstagabend. Zuvor hatte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus in Genf angekündigt, dass es in Kürze eine Entscheidung geben soll.

Der Begriff Affenpocken etwa könne auf eine Herkunft aus Afrika hindeuten, so der Sprecher. Bis Mai waren das Virus und die Krankheit, beide sollen umbenannt werden, zwar fast ausschließlich aus Afrika bekannt, aber der Name war ohnehin schon irreführend: Das Virus wurde 1958 in Dänemark zwar erstmals bei Affen in einer Versuchsanstalt nachgewiesen. Allerdings dürfte es nach heutigen Erkenntnissen eher unter kleinen Nagetieren verbreitet sein. Die Affen gelten nur als sogenannter Fehlwirt. Von ihm aus kann der Erreger in der Regel nicht von einem Endwirt aufgenommen werden.

Beim Auftauchen des Coronavirus Ende 2019 hat die WHO auch schnell gehandelt, um eine Verbreitung von Namen wie „Wuhan-Virus“, benannt nach der chinesischen Stadt, in der es erstmals nachgewiesen wurde, zu verhindern. Am 11. Februar 2020 verkündete die WHO, dass das neuartige Virus Sars-CoV-2 heißt und die Krankheit, die es auslöst, Covid-19.

Sorge um weitere Affenpocken-Fälle

Aus Sorge um die zunehmenden Nachweise von Affenpocken in aller Welt hat der Chef der WHO für kommende Woche einen Notfallausschuss einberufen. Das Gremium soll entscheiden, ob es sich – wie bei Corona – um eine „gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite“ (PHEIC) handelt. Für Mittwoch wird unterdessen in Deutschland mit einer Lieferung von Pockenimpfstoff gerechnet. Die Zahl der betroffenen Patient:innen hierzulande ist nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) von Dienstag auf knapp 230 gestiegen, deutsche Expert:innen zeigten sich auf Anfrage aber zunächst nicht beunruhigt.

Der Notfallausschuss soll am 23. Juni tagen, wie es am Dienstag von der Organisation und ihrem Leiter Tedros Adhanom Ghebreyesus hieß. In dieser Art von Ausschuss kommen Fachleute zusammen, die sich mit der jeweiligen Krankheit besonders gut auskennen. Die Erklärung der Notlage ist die höchste Alarmstufe, die die WHO verhängen kann. Eine solche Erklärung hat keine direkten praktischen Folgen, soll aber die Mitgliedsländer wachrütteln. Eine Notlage gilt etwa seit Ende Januar 2020 wegen Sars-CoV-2.

RKI schätzt Gefahrenlage in Deutschland als gering ein

Der WHO wurden bis Dienstag weltweit mehr als 1600 Fälle von Affenpocken und fast 1500 Verdachtsfälle aus 39 Ländern gemeldet. In 32 dieser Länder gab es vor Mai keine bekannten Fälle. In den anderen sieben Ländern in Afrika grassiert das Virus seit Jahrzehnten. Bislang wurden 72 Todesfälle aus den afrikanischen Ländern gemeldet. Die WHO prüft einen möglichen Todesfall durch Affenpocken aus Brasilien.

Die Sorge der WHO beziehe sich auf drei Bereiche, sagte Tedros: Das Virus verhalte sich ungewöhnlich, es seien immer mehr Länder betroffen und damit sei eine koordinierte Reaktion nötig. Tedros betonte aber, dass die Expert:innen des Notfallausschusses die Problematik betrachten und noch nicht entschieden sei, ob sie das Ausrufen einer Notlage für nötig halten. „Wir wollen nicht warten, bis die Situation außer Kontrolle geraten ist“, sagte WHO-Spezialist Ibrahima Socé Fall.

Die Risiko-Einschätzung des RKI in Deutschland lautete am Dienstag weiterhin: „Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering ein.“

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