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Tilo Jung bezeichnet Lindners Tankrabatt als „Putin Soli“

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Foto: Kay Nietfeld/dpa

FDP-Chef Christian Lindner will Tankpreise senken – mit einem staatlich finanzierten Rabatt auf Benzin. Doch ein Ökonom und sogar der Tankstellenverband sehen Probleme. Und auch aus anderen Gründen wäre ein Tankrabatt der falsche Weg.

Die Preise an den Zapfsäulen haben in den vergangenen Wochen Rekordwerte erreicht. Am Montag zahlt man für einen Liter Diesel laut 24-Stunden-Trend 2,34 Euro (Quelle: Benzinpreis-aktuell.de), Super liegt bei 2,28 pro Liter. Einzelne Tankstellen sollen bereits mehr als 2,50 Euro pro Liter verlangen.

Die Preisentwicklungen haben bereits zu zahlreichen Protesten geführt – und die Regierung steht unter Handlungsdruck. Finanzminister Christian Lindner (FDP) plant als Maßnahme einen „Tankrabatt“. Der FDP-Chef hat am Montagabend im ZDF-„heute journal“ erklärt: „Wir sollten uns an der Marke von zwei Euro orientieren, das sollte beim Beginn dieser Maßnahme der Orientierungspunkt sein.“ Der Tankrabatt sei nicht die einzige Entlastungsmaßnahme, die wir brauchen, aber eine wichtige und dringliche. Die Chancen, seinen Vorschlag durchzusetzen, schätzte Lindner als „hoch“ ein. Ein „fixer Krisenrabatt“ könnte 30 oder 40 Cent betragen. Der Rheinischen Post gegenüber sprach Lindner von 40 Cent pro Liter, befristet auf drei Monate. Dies würde den Staat rund 6,6 Milliarden Euro kosten – die konkrete Ausgestaltung sei in der Regierung aber noch offen.

Tilo Jung argumentiert gegen Christian Lindner

Seine Idee verteidigte Lindner am Mittwochabend bei „maischberger. die woche“. So solle eine Entlastung für alle stattfinden. Exemplarisch nannte er Familien, Pendler:innen, ambulante Pflegekräfte und das Logistikgewerbe. Laut dem Redaktionsnetzwerk Deutschland profitieren von einem Tankrabatt Menschen mit hohem Einkommen. „Denn 37 Prozent der Haushalte mit Niedrigem und 53 Prozent der Haushalte mit sehr niedrigem Einkommen überhaupt kein Fahrzeug. 40 Prozent der Haushalte mit hohem oder sehr hohem Einkommen besitzen dagegen sogar zwei Autos“, heißt es in dem Artikel.

So ein Vorgehen habe Frankreich bereits eingeführt und Linder sehe „in der SPD viele, die dafür sind“ diesen Vorschlag durchzusetzen. Jedoch Tilo Jung, Podcaster und ebenfalls Gast in der Sendung, nannte die Idee „Putin-Soli“ und schlug stattdessen ein vorübergehendes Tempolimit oder eine Homeofficepflicht vor.

Wie der „Tankrabatt“ funktionieren soll

Die Bildzeitung war eines der ersten Medien, die über den „Tankrabatt“ berichteten. Dieser soll laut dem Boulevardblatt wie folgt funktionieren: Bevor man an der Tankstelle bezahlt, wird vom Gesamtbetrag ein gewisser Betrag abgezogen.

Die Bild ging von 20 Cent je Liter aus, anstatt der zuletzt genannten Summe von 40 Cent, und rechnete vor: Bei einer 50-Liter-Füllung bei 2,25 Euro pro Liter und 20 Cent Tankrabatt würden Verbraucher:innen also 10 Euro sparen und statt 112,50 Euro nur 102,50 Euro bezahlen. Die Tankstellenbetreiber bekämen den Rabattbetrag anschließend vom Bund erstattet. Frankreich hat bereits eine ähnliche Maßnahme angekündigt: Die Regierung will ab dem 1. April einen Rabatt von 15 Cent pro Liter einführen.

Zu bürokratisch, nicht fair: Vieles spricht gegen den Tankrabatt

Was bringt ein "Tankrabatt"?
Was bringt ein „Tankrabatt“? (Foto: CC0/ Pixabay/ resonetic)

Ein Tankrabatt nach Lindners Vorschlag wäre an den Verbrauch gekoppelt. Wer viel tankt, weil er oder sie zum Beispiel ein größeres Auto fährt, würde mehr zahlen als jemand, der oder die einen Kleinwagen fährt. Die Ersparnis würde auf diesem Weg zudem direkt bei Verbraucher:innen ankommen. Bei einer Senkung der Mehrwertsteuer, welche ebenfalls diskutiert wurde, wäre dies nicht unbedingt der Fall: Hier könnten zum Beispiel Händler Preise erhöhen, um selbst mehr Gewinn zu erwirtschaften.

Benzinpreise dauerhaft niedrig zu halten, wäre allerdings kostspielig. Frankreich plant, den Rabatt nur vier Monate einzuführen, und rechnet mit Kosten von rund zwei Milliarden Euro.

An der Abhängigkeit von russischen Rohstoffimporten ändert die Maßnahme zudem nichts. Ein an der Tankstelle gewährter Preisabzug sei der falsche Weg, und «hochbürokratisch», davor warnt sogar der Tankstellenverband ZTG gegenüber der dpa.

Dazu wäre es sinnvoller, wenn die Gelder zielgerichteter bei den Menschen ankommen, die auf ihr Auto angewiesen sind, sich die derzeitigen Benzinkosten aber nicht leisten können. Das findet auch Jens Südekum. Der Ökonom berät das Wirtschaftsministerium und warnt gegenüber dem Managermagazin: „Der Spritpreisdeckel entlastet auch die Tankrechnung von schwerreichen SUV-Fahrern. Das ist zum Fenster herausgeschmissenes Geld.“ Ziel müsse sein, Energie einzusparen und dafür müssten die Menschen das Auto stehen lassen, wo immer möglich. Menschen, die vom Auto abhängig sind, sollte der Staat „zielgenau“ helfen. Der Ökonom sieht dafür den Grundfreibetrag der Einkommensteuer oder ein pauschales Energiegeld als effektivste Maßnahmen.

Die aktuelle Situation erfordert ohne Frage ein Handeln. Dennoch steht es im Gegensatz zu den Klimazielen, fossile Rohstoffe wie Benzin zusätzlich zu subventionieren. Michael Bloss von den Grünen fasst diesen Widerspruch auf Twitter wie folgt zusammen: „Wir sind in einer Klimakrise und inmitten eines Kriegs in Europa – samt Energiekrise. Wir müssen über den Abbau von mehr als 50 Milliarden Euro fossilen Subventionen reden. Aber ein FDP-Finanzminister will den #Tankrabatt einführen. Kann mir das jemand logisch erklären?!“

Alternative zum Tankrabatt: Das Energiegeld

Wenn der Tankrabatt der falsche Weg ist, welche Maßnahme kann dann in der aktuellen Situation helfen? Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz fordert vom Bund wegen steigender Preise für Energie und Lebensmittel mehr finanzielle Hilfe für Ärmere und Familien. Aus seiner Sicht wäre ein „sozial gestaffeltes Energiegeld“ die richtige Maßnahme, erklärte er gegenüber der dpa. „Das wäre eine Direktzahlung an Bürgerinnen und Bürger.“

Die Idee für ein Energiegeld stammt aus dem Grünen-Programm für die Bundestagswahl. Ursprünglich wollte die Partei darüber die Anhebung des CO2-Preises und die damit verbundenen höheren Preise für Benzin, Diesel und Heizöl an die Bürger:innen zurückgeben. Bayaz will diese Maßnahme nun angesichts des Kriegs und seiner wirtschaftlichen Folgen auf Deutschland umwidmen. Der Grünen-Politiker räumte zugleich ein: „Aber der Staat wird nicht jede Preissteigerung kompensieren können. Dieser Krieg wird uns alle Wohlstand kosten.“

Erst im Februar hatten die Spitzen der Ampelkoalition im Bund angesichts explodierender Preise für Gas, Strom, Öl und Sprit mehrere Entlastungen beschlossen. Neben zusätzlichen Zahlungen für ärmere Familien sollen in der Steuererklärung rückwirkend zum Jahresbeginn Grundfreibetrag, Werbungskostenpauschale und, befristet bis 2026, auch die Pendlerpauschale für Fernpendler:innen angehoben werden. Das heißt, es werden weniger Steuern abgezogen. Zudem wird die sogenannte EEG-Umlage für Ökostrom im Juli von der Stromrechnung gestrichen und über den Bundeshaushalt finanziert.

Was bringen Tempolimit, autofreie Sonntage und Co. wirklich?

Neben dem Tankrabatt werden zahlreiche andere Optionen diskutiert, um Benzin und Energie zu sparen. Ex-Bundespräsident Joachim Gauck appellierte vor kurzem in einer Talkshow an die Bürger:innen: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit.“ Ganz ähnlich hatte sich zuvor Wirtschaftsminister Robert Habeck geäußert: „Wenn man Putin ein bisschen schaden will, dann spart man Energie.“

Diese Maßnahme wäre nicht ohne Effekt: Laut einer kürzlich von Greenpeace veröffentlichten Studie führt die Absenkung der Raumtemperatur um ein Grad Celsius zu einer Heizöleinsparung von etwa 6 Prozent. Rechnet man dies auf die vielen Ölheizungen hoch, die in Deutschland noch im Einsatz sind, ließen sich auf diese Weise rund 0,5 Millionen Tonnen Heizöl sparen.

Natürlich ist die Energiekrise aber kein Problem, welches Bürger:innen allein durch Eigeninitiative lösen können – es braucht politische Maßnahmen.

Autofreie Sonntage

Zwei autofreie Sonntage im Monat könnten 1,3 Millionen Tonnen Kraftstoff einsparen.
Alternative zum Tankrabatt? Zwei autofreie Sonntage im Monat könnten 1,3 Millionen Tonnen Kraftstoff einsparen. (Foto: CC0/ Pixabay/ larisa-k)

Um den Spritverbrauch hierzulande zu drosseln und die Abhängigkeit von russischen Energieimporten zu verringern, hatte unter anderem Thekla Walker, die Umweltministerin von Baden-Württemberg, vorgeschlagen, autofreie Sonntage wieder einzuführen. Diese seien „ein Erfolg“ gewesen, erklärte sie gegenüber der Deutschen Presseagentur (DPA). „Damals wurde der Ölverbrauch stark reduziert.“ Angesichts der Ölkrise 1973 hatte die Bundesregierung vier autofreie Sonntage und ein vorübergehendes Tempolimit verordnet: 100 Stundenkilometer auf Autobahnen, 80 auf Landstraßen. Ausgenommen waren unter anderem Taxen, Busse, Polizei- und Rettungsfahrzeuge.

Diese Maßnahme hätte einen merklichen Effekt: „Würde zwei Mal im Monat ein autofreier Sonntag verhängt, würde sich – bezogen auf ein Jahr – der Kraftstoffabsatz um 1,3 Millionen Tonnen verringern (davon 0,7 Mio t Benzin und 0,6 Mio t Diesel)“, schreibt Greenpeace in der bereits erwähnten Studie. Dies entspricht 2,6 Prozent des Kraftstoffabsatzes in Deutschland. Würde jeder Sonntag autofrei, ließe sich die Zahl auf 5,6 Prozent erhöhen.

Allerdings müssten auch diejenigen Menschen berücksichtigt werden, welche sonntags arbeiten. Gerade auf dem Land sind sie teils auf ihr Auto angewiesen. FDP-Landeschef Michael Theurer zweifelte den Nutzen gegenüber der DPA an: „Die autofreien Sonntage haben aber bereits in den 70er Jahren nicht die gewünschte Wirkung entfaltet.“

Tempolimit

Dürfen wir nur noch 100 km/h auf Autobahnen fahren, würden wir im Jahr rund 2 Millionen Tonnen Kraftstoff einsparen.
Dürften wir nur noch 100 km/h auf Autobahnen fahren, würden wir im Jahr rund 2 Millionen Tonnen Kraftstoff einsparen. (Foto: Pixabay/ CCo/ striewa)

Für ein Tempolimit spricht sich die Deutsche Umwelthilfe schon seit Jahren aus, genauer gesagt für 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 innerorts. Angesichts der Ukrainekrise hat die Organisation immer wieder auf den gewaltigen Effekt hingewiesen, den diese Maßnahme hätte: 3,7 Milliarden Liter Sprit und 9,2 Millionen Tonnen CO2 könnten sofort vermieden werden. Die Greenpeace-Studie bestätigt: „Allein die Einführung eines Tempolimits von 100 km/h auf Autobahnen würde den Kraftstoffbedarf um 2 Millionen Tonnen pro Jahr senken.“

Der angebliche Urheber der Tankrabatt-Idee, Finanzminister Christian Lindner, zweifelt allerdings an, dass es diesen Effekt braucht. Er erklärte gegenüber dem „Tagesspiegel„: „Angesichts der hohen Spritpreise gibt es einen natürlichen Impuls, weniger zu verbrauchen.“

Utopia meint: Langfristig müssen wir die Ursache angehen, nicht das Symptom

Leider sind immer noch viele Menschen auf das Auto angewiesen und diese werden nun teils hart von den steigenden Spritpreisen getroffen. Deshalb ist es wichtig, dass die Regierung etwas unternimmt. Kurzzeitig kann es eine Erleichterung für Autofahrer:innen sein, wenn Spritpreise durch einen Tankrabatt künstlich gesenkt werden. Doch langfristig können wir nicht nur das Symptom behandeln, sondern müssen unseren Verbrauch an fossilen Rohstoffen senken – auch, um unabhängig von Rohstoffimporten zu werden. Mit dem Verbrauch sinken dann auch die Kosten für Verbraucher:innen.

Auf dieses Ziel zahlen Maßnahmen wie autofreie Sonntage oder ein (temporäres oder dauerhaftes) Tempolimit ein, ebenso wie zum Beispiel ein kostenloser oder zumindest günstigerer Öffentlicher Nahverkehr oder die Förderung von Elektromobilität. Nur diese Maßnahmen sind wirklich zukunftsgewandt, denn: Weil fossile Rohstoffe endlich und klimaschädlich sind, werden ihre Kosten langfristig steigen – auch vollkommen unabhängig von politischen Konflikten. Deshalb sollte die Politik jetzt schon weiter denken und in die Verkehrs- und Energiewende investieren.

Mit Material der DPA

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