Utopia Image

Expertin erklärt: Wie mit passiv-aggressiven Kolleg:innen umgehen?

passiv aggressiv
Foto: CC0 / Pexels / Andrea Piacquadio

Wer am Arbeitsplatz passiv-aggressiv ist, macht anderen das Leben schwer – aber ohne dafür aktiv etwas zu tun. Eine Expertin erklärt, wie man damit am besten umgeht, und wann es „dienlich ist, erst mal still zu sein.“

Wer frustriert ist, sich aber nicht traut, direkt Kritik zu äußern, der verhält sich stattdessen oft passiv-aggressiv, um seinen aufgestauten negativen Gefühlen ein Ventil zu geben: So kann man anderen schaden, ohne offen in den Konflikt zu gehen. In einem Interview mit Zeit Online erklärt die Wirtschaftspsychologin und Therapeutin Evelyn Summhammer, warum man solches Verhalten ansprechen sollte, ohne jedoch das Gegenüber der passiven Aggression direkt zu bezichtigen.

Aktive und passive Aggression: Was ist der Unterschied?

Die Expertin erklärt: Ob aktiv, oder passiv – Aggressionen haben immer den Zweck, Schaden anzurichten. Aktiv-aggressives Verhalten sei es beispielsweise, seine negativen Gefühle direkt verbal zu äußern, und andere Menschen so offen anzugreifen. Passiv-aggressive Menschen haben dazu oft nicht den Mut, erklärt Summhammer, wollen zwar attackieren, aber auf „subtile, verdeckte Weise“.

Als Beispiel nennt sie „subtile Arbeitsverweigerung“: Statt einer Kollegin offen zu sagen, dass man für eine bestimmte Aufgabe keine Zeit hat und sie nicht pünktlich schaffen kann, sagt man widerwillig zu. Schließlich möchte man nicht vor den Vorgesetzten nicht als Verweigerer dastehen. Man zeigt seinen Unmut der Kollegin gegenüber aber dann dadurch, dass man die Aufgabe dennoch nicht erledigt, und es hinterher darauf schiebt, man habe keine Zeit gehabt. Die Kollegin steht dann zum Beispiel bei einem Meeting ohne die versprochenen Dokumente da. Man hat die Kooperation verweigert und ihr so geschadet, ohne aktiv etwas getan zu haben.

„Ich finde das für unsere Zusammenarbeit nicht günstig“: Probleme bei Kolleg:innen richtig ansprechen

Wem auffällt, dass sich andere in der Arbeit ihr oder im gegenüber passiv-aggressiv verhalten, soll das Summhammer zufolge ansprechen. Dabei müsse man jedoch auf ein paar Dinge achten: Das Gegenüber als passiv-aggressiv zu bezichtigen, sei nie hilfreich. Generell solle man Sätze mit „Du bist …“ vermeiden. Stattdessen konkrete Verhaltensweisen anzusprechen, sei oft zielführender. Zum Beispiel: „Ich habe gehört, du sprichst schlecht über mich, und ich finde das für unsere Zusammenarbeit nicht günstig.“

Erst wenn das Gegenüber auch nach der ehrlichen und respektvollen Kommunikation das Verhalten nicht ändert, solle man sich damit an die Vorgesetzten wenden.

Wenn eine Führungskraft wiederum bemerkt, dass sich mehrere Teammitglieder so verhalten, solle er oder sie den Fehler besser erst einmal bei sich suchen: Möglicherweise sind die Mitarbeiter:innen von dem Führungsstil frustriert und fühlen sich nicht wertgeschätzt. „Menschen wollen gesehen werden. Sonst geben sie auf, werden aggressiv oder eben passiv-aggressiv“, betont die Psychologin.

Passive Aggression als „Kompensation“: „Da ist auch mal ein kleiner, fieser Seitenhieb verzeihlich“

Doch warum sind Menschen bei Ärgernissen nicht einfach aktiv-aggressiv? Für die Expertin fehlt es vielen passiv-aggressiven Menschen schlicht an Selbstbewusstsein. Sie trauen sich nicht zuzugeben, etwas nicht leisten zu können oder etwas nicht tun zu wollen. Möglicherweise wurde ihnen in jungen Jahren vom Umfeld immer wieder gesagt, sie sollen sich nicht beschweren, und würden damit nur andere aufhalten und die Dinge schwieriger machen.

Wer das verinnerlicht habe, der entwickle dann meist eine „Kompensationsstrategie“, sagt die Psychologin: „Sie vermeiden die offene Beschwerde und leisten passiven Widerstand.“

Es sei außerdem ganz normal, sich hin und wieder passiv-aggressiv zu verhalten, wenn man sich nicht anders zu helfen weiß. Treffe man bestimmte nervige Verwandte zum Beispiel nur selten, und es würde sich nicht lohnen, seine Konflikte mit ihnen offen anzusprechen, da sei „auch mal ein kleiner, fieser Seitenhieb als Kompensation verzeihlich“.

Auch im Job ist es Summhammer zufolge oft hilfreich, nicht sofort alle Konflikte offen anzusprechen. „Wenn mich mein Chef angreift, kann es dienlich sein, erst mal still zu sein“, erklärt sie. In solchen Situationen sei es ratsam, über die eigene Reaktion in Ruhe nachzudenken und das Problem gegebenenfalls später anzusprechen.

„Frauen suchen sich öfter Hilfe“: Passive Aggression im Job

Wenn Menschen sich in Konflikten immer wieder so verhalten, und Konflikte so gut wie nie offen ansprechen können, spreche man von passiv-aggressiven Persönlichkeiten. Dazu gebe es keine offiziellen Zahlen, so Summhammer, sie beobachte das Phänomen jedoch „sehr stark bei Menschen, die 40 Jahre und älter sind, besonders bei Frauen.“

Das habe mit der Sozialisierung und auch oft mit der Arbeit zu tun: Einerseits haben Frauen um die 40 das Gefühl, dass sie ihren Karrierehöhepunkt erreicht haben sollten. Weil sie jedoch öfter dazu erzogen und sozialisiert wurden, Konflikte zu vermeiden, täten sie sich in Führungsrollen eher schwer. Die Expertin nennt das ein „unterdrücktes Mindset“.

„Es ist wirklich ärgerlich“, sagt sie, „Es kommen Frauen zu mir, die so viel Potenzial haben, oft viel mehr als viele Männer. Aber ihnen fehlt der Mut, in Konflikte hineinzugehen, die mit Führung nun mal verbunden sind.“ Passiv-aggressive Männer gebe es auch zur Genüge, doch die suchten sich bei dem Problem weniger oft professionelle Hilfe.

„So etwas ist auf der Topmanagerebene nicht selten“

Die Menschen, die es auch mit einem passiv-aggressiven Mindset in eine Führungsrolle schaffen, sind der Meinung der Expertin nach ungeeignet für den Job. Als Chef oder Chefin müsse man den Mut haben, Fehler und falsche Einschätzungen anzusprechen, um sie aus dem Weg zu räumen. Wer das in einer Führungsrolle nicht könne, müsse bereit sein, „sich aus dem Verhalten herauszuarbeiten und zu lernen, Konflikte auszuhalten.“

Doch vor allem eine Kombination aus passiver Aggression und Narzissmus verhelfe Menschen oft zur mehr Macht im Job: „So etwas ist auf der Topmanagerebene nicht selten.“ Denn, so Summhammer, die haben das „Selbstbewusstsein, zu konfrontieren“, gleichzeitig „mangelt es ihnen an Empathie“: Sie handeln so, dass sie selbst möglichst gut dastehen, und manipulieren andere subtil, um ihnen möglichst großen Schaden zuzufügen.

Davon zu unterscheiden seien die „People Pleaser“, also diejenigen, die es allen recht machen wollen und auf Harmonie pochen. Auch das sei bei Vorgesetzten ein Problem, denn diese müssen eigentlich „menschliche Dynamiken steuern können, auch wenn’s wehtut“, sagt die Psychologin.

Lieber Aggression als Resignation

„Wir brauchen Ventile, um unsere Wut loszuwerden“, sagt Summhammer. Deshalb betont sie, dass passiv-aggressives Verhalten zwar keine gute Option ist, aber immerhin besser als Resignation. Denn diese könne zu Depressionen und anderen Krankheiten führen. Doch sie empfiehlt, lieber Sport zu machen oder mit anderen darüber zu sprechen, statt bloß passiv-aggressiv die Augen zu rollen. Danach, wenn man „abgekühlt“ ist, könne man nach Lösungen suchen.

Wer häufig passives-aggressives Verhalten bei sich selbst feststellt, könne daran auch arbeiten. Sie rät dafür jedoch zu professioneller Hilfe, da es den wenigstens Menschen alleine gelinge, „sich objektiv mit ihren Problemen auseinanderzusetzen“. Dann brauche man auch höchstens ein Jahr, um das Problem in den Griff zu bekommen.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!

Verwandte Themen: