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„Grüne Suppe“: Warum eine spanische Lagune personenähnliche Rechte hat

mar menor
Foto: Colourbox.de / Mike Pellinni

"Grüne Suppe" ist der sarkastische Spitzname für die Meereslagune Mar Menor. Algenbefall und Abwässer stellen ihr Ökosystem immer wieder vor schwere Herausforderungen. Umweltaktivist:innen haben nun einen Meilenstein erreicht.

Das Mar Menor ist die größte Mittelmeerlagune Spaniens. Die milde Region, in der sie liegt, zieht Jahr für Jahr zahlreiche Tourist:innen an. Aber in der Lagune mehren sich ökologische Probleme: Seit 2016 kippt das Wasser dort immer wieder um, eine massive Zustandsveränderung aufgrund von Sauerstoffmangel, der durch starke Algenausbreitung begünstigt wird. Dieses Problem hat dem Mar Menor auch seinen wenig schmeichelhaften spanischen Spitznamen eingebracht: „sopa verde“, also „grüne Suppe“.

Um auf die Problematik aufmerksam zu machen, haben regionale Umweltorganisationen schon vor einiger Zeit eine Gegenaktion gestartet: Sie forderten in einem Bürgerantrag, dem Mar Menor den Rechtsstatus einer juristischen Person zuzuerkennen. Der Antrag bekam über 600.000 Unterschriften aus der Bevölkerung und gelangte tatsächlich zur Abstimmung. Bis auf die rechtspopulistische Partei Vox sprachen sich alle abstimmungsberechtigten Parteien dafür aus. Bis zum Sommer soll das Gesetz auch durch das spanische Parlament gegangen sein.

Mar Menor: Landwirtschaftsabwässer führen zu "grüner Suppe"

Im Herbst 2021 starben zahlreiche Seepferdchen im Mar Menor.
Im Herbst 2021 starben zahlreiche Seepferdchen im Mar Menor.
(Foto: CC0 / Pixabay / annekroiss)

Das letze Mal ist das Mar Menor im Herbst 2021 umgekippt. Dabei kam es zu einem Massensterben von Fischen, Seepferdchen und anderen Meereslebewesen, über das auch die internationale Presse berichtete – in Deutschland zum Beispiel die Süddeutsche Zeitung. Expert:innen befürchten, dass es dieses Jahr schon im Sommer wieder soweit sein könnte.

Hauptgrund für derartige Katastrophen sind wohl vor allem Abwässer aus der – teils illegalen – Landwirtschaft der Region. Illegale Gemüseanbauflächen machen bis zu 10 Prozent der Gesamtanbauflächen rund um das Mar Menor aus. Ein Kanalsystem aus Zentralspanien dient der illegale Landwirtschaft als Wasserlieferant. Durch diese Zufuhr an Wasser stieg der Grundwasserspiegel in der Region an und die Flüsse, die früher nur ein bis zweimal jährlich Wasser führten, fließen jetzt konstant ins Meer. Oftmals werden illegale Anbauflächen auch mit Wasser bewässert, das aus Brunnen stammt und dann entsalzen wurde. Das mit nitratbelastete Salz das dabei übrig bleibt, wird häufig illegal entsorgt und gelangt wieder ins Meer.

Durch Felderbewässerung und Regenfälle werden regelmäßig große Mengen an Phosphor und Nitraten in die Lagune gespült. Diese Nährstoffe regen das Wachstum von Plankton und Algen an – Wasserpflanzen können sich so stärker vermehren und ausbreiten, es entsteht die berüchtigte „grüne Suppe“. Und die ist nicht nur ein ästhetisches Problem: Die Algen verbrauchen auf lange Sicht mehr Sauerstoff, als im Wasser vorhanden ist. Durch den Sauerstoffmangel gerät das gesamte Ökosystem aus dem Gleichgewicht und die meisten Organismen sterben ab. Umgangsspachlich spricht man dann von einem umgekippten Gewässer – in der Fachsprache ist der Prozess auch als Eutrophierung bekannt.   

Das Mar Menor soll Personenrechte bekommen

Die Aktion der lokalen Umweltorganisationen hat zum einen Symbolcharakter, soll zum anderen aber auch reale Veränderungen bewirken. Der Begriff „juristische Person“ bezeichnet in der Regel keine individuelle Einzelperson, sondern zum Beispiel Zusammenschlüsse wie Vereine oder Unternehmen. Er muss sich demnach nicht unbedingt auf Menschen beziehen, sondern kann auch einer Sache oder einer Institution zugesprochen werden.

Sobald das Mar Menor als juristische Person gilt, stehen ihm personenähnliche Rechte zu – also zum Beispiel das Recht auf Unversehrtheit. Es wäre dann möglich, Personen oder Unternehmen juristisch zu verfolgen, die dem ökologischen Gleichgewicht der Lagune Schaden zufügen. Es ist das erste Mal, das ein europäisches Ökosystem diesen Status zugesprochen bekommt. Einen Präzedenzfall gibt es aber mit dem neuseeländischen Fluss Whanganui, der 2017 vergleichbare Rechte erhielt.

Ob der neue Gesetzesstatus der „grünen Suppe“ tatsächlich eine schnelle Verbesserung der Situation bewirken kann, ist derzeit noch offen. Die Aktion setzt aber ein wichtiges Zeichen. Darüber hinaus liefert sie vor allem eine rechtskräftige Grundlage, auf der Klagen gegen Verantwortliche in Wirtschaft und Politik künftig leichter möglich sein dürften.

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