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Ex-Bundespräsident Gauck: „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit“

Joachim Gauck: „Auch einmal frieren für die Freiheit“
Screenshot: ARD-Mediathek / Maischberger

Hohe Heizkosten und starke Abhängigkeit von Russland – die aktuelle Energie-Situation Deutschlands ist verzwickt. Ex-Bundespräsident Joachim Gauck appellierte nun in einer Talkshow an die Bürger.innen, Energie zu sparen. Doch was bringt es wirklich, wenn Verbraucher:innen sich einschränken?

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck hält einen Stopp russischer Energie-Importe für vernünftig angesichts des russischen Angriffs auf die Ukraine. In der Nacht zum Donnerstag sagte Gauck in der ARD-Talkshow Maischberger, dass dies „eine ernsthaft zu überlegende Variante“ sei, die ihm lieber sei als der momentane Zustand.

 „Wir können auch einmal frieren für die Freiheit. Und wir können auch einmal ein paar Jahre ertragen, dass wir weniger an Lebensglück und Lebensfreude haben“, sagte der Politiker. „Eine generelle Delle in unserem Wohlstandsleben ist etwas, was Menschen ertragen können. Wir haben andere Probleme ertragen, und wir haben sie bewältigt.“ Der Ex-Bundespräsident sprach den Menschen im Land Mut zu: „Wir verfügen über mehr Kräfte, als wir heute, wenn wir sie noch nicht brauchen, denken.“

Habeck appelliert an Bürger:innen: „Wenn man Putin schaden will, spart man Energie“

Bereits letzte Donnerstag versprach Wirtschaftsminister Robert Habeck in seiner Rede Wirtschaftshilfen für Unternehmen, die von Russland-Sanktionen betroffen sind. Aber auch für Verbraucher:innen hatte er eine Nachricht:

Die Anstrengungen zum Energiesparen müssen verstärkt werden und „alle Bürgerinnen und Bürger“ könnten da „einen Beitrag leisten“ – so zitiert unter anderem die Tagesschau den Grünen-Politiker. „Wenn man Putin ein bisschen schaden will, dann spart man Energie.“ Habeck betonte, dass die Sicherheit der deutschen Energieversorgung nicht in erster Linie Sache der Verbraucher:innnen sei, sondern „eine politische Verpflichtung auch für mich selbst und mein Haus.“

Was bringt es, wenn Verbraucher:innen Energie sparen?

Die Tagesschau verweist in ihrer Berichterstattung auf Zahlen der Internationalen Energieagentur. Diesen zufolge hätte es schon einen enormen Effekt, deutsche Haushalte um ein Grad weniger zu beheizen. Die Durchschnittstemperatur liege bei über 22 Grad Celsius – reduziere man diese um ein Grad, würde dies die jährliche Gasnachfrage in der EU um zehn Milliarden Kubikmeter senken. Dies entspricht mehr als 2,5 Prozent des Gesamtverbrauchs. Wenn die Heizung heruntergedreht würde, wenn man sich nicht im Zimmer aufhält, könne man laut Agora Energiewende sechs Prozent des Energiebedarfs der Haushalte einsparen.

Wenn das Thermostat auf Stufe 3 steht, entspricht es einer Raumtemperatur von 20 °C.
Würde man es schaffen, die durchschnittliche Raumtemperatur um ein Grad zu senken, würde die jährliche Gasnachfrage in der EU um zehn Milliarden Kubikmeter sinken. (Foto: CC0 / Pixabay / ri)

„Jeder Kubikmeter Gas weniger ist ein Schritt raus aus der Abhängigkeit“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) spricht mit Bezug auf neusten IPCC-Bericht von einer „Doppelkrise“ und fordert ebenfalls dazu auf, aktiv zu werden: „Genau die Maßnahmen, die gegen die Klimakrise wirken, helfen uns auch, die Abhängigkeit von den russischen fossilen Rohstoffen Öl, Gas und Kohle zu reduzieren“ , schreibt sie in einer Pressemitteilung.

Die DUH betont, wie wichtig es ist, Maßnahmen zu ergreifen, die den „Ausbau der Erneuerbaren Energien sofort voranbringen, statt voreilig auf eine neue Abhängigkeit von Flüssigerdgas-Terminals zu setzen.“ Doch weil diese Schritte Jahre brauchen, um ihre volle Wirkung zu entfalten, brauche man dringend konkrete Schritte, um jetzt Energie und Rohstoffe einzusparen. „Jeder Liter Öl, jeder Kubikmeter Gas, jede Schaufel Kohle weniger ist ein Schritt raus aus der Abhängigkeit von russischen fossilen Importen – und ein Beitrag zum Klimaschutz.“ Dazu brauche es klare Vorgaben der Politik – aber es könne jede:r auch persönlich mitmachen.

Selbst bei Energieengpässen: Mehrheit der Deutschen für Maßnahmen gegen Russland

Die Bevölkerung scheint motiviert, ihren Teil zu leisten. Laut ARD-DeutschlandTrend sorgt sich zwar ein Großteil der Befragten, dass sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland verschlechtern oder es zu Engpässen bei der Energieversorgung kommen könnte. Doch zwei Drittel würden laut eigener Aussage Maßnahmen gegen Russland unterstützen, selbst wenn es dadurch zu Energie-Engpässen oder höheren Lebenshaltungskosten kommt.

Kritik von den Linken: „Aufruf zum Energiesparen zynisch“

Während Gauck und Habeck zum Energiesparen aufrufen, wehrt sich Linke-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali dagegen. Im ZDF-Morgenmagazin sagte sie: „Das finde ich wirklich zynisch.“

Auch EU- Kommissionspräsidentin Ursula der Leyen hatte gesagt, dass Europa durch Energiesparen dazu beitragen könne, schneller von Gas, Öl und Kohle aus Russland unabhängig zu werden. Hinzu kämen Energiesparprogramme für die Wirtschaft, neue Lieferwege und der Ausbau erneuerbarer Energien.

Mohamed Ali hielt dem entgegen: „Wir sind mittlerweile in einer Situation, in der es für viele Menschen wirklich real schwierig wird, ihren normalen Alltag zu bewältigen, der Weg zur Arbeit wird für viele unbezahlbar. (…) Viele Menschen haben keine Alternative, die brauchen das Auto, um zur Arbeit zu fahren.“

Die Linke-Fraktionschefin wandte sich zugleich gegen weitere Waffenlieferungen aus Deutschland an die Ukraine. Solche Lieferungen drohten, die Lage weiter zu eskalieren. Auch Wirtschaftssanktionen, „die die russische Bevölkerung treffen“, kritisiert die Politikerin. Richtig seien Sanktionen, die den russischen Präsidenten Wladimir Putin und sein System träfen.

Utopia meint: Wenn wir Heizkosten sparen, hat das nicht nur politische Vorteile

Natürlich ist es nicht allein Aufgabe der Verbraucher:innen, die aktuelle Energiekrise zu meistern. Die Politik hat verschlafen, sich von russischen Importen unabhängig zu machen. Doch wenn wir dazu beitragen, unseren Heiz- und Energiebedarf zu senken, profitiert nicht nur die Politik: Auch wir selbst können bei den ohnehin exorbitanten Heizkosten einiges an Geld sparen. Und tun dabei auch etwas für Umwelt – denn wohnen und heizen sind echte Klimakiller, der Bereich macht im Schnitt 18 Prozent unseres persönlichen CO2-Fußabdrucks aus.

Wir raten deshalb: Die Heizung einfach ein oder zwei Grad runterdrehen. Über Nacht reichen im Schlafzimmer Stufe 1-2, in ungenutzten Räumen Stufe 1. Und am Morgen einfach kurz lüften, anstatt das Fenster bei laufender Heizung zu kippen. Mehr Tipps findest du hier: Richtig heizen: 15 Tipps, die Geld sparen und die Umwelt schonen

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