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Hungerstreik in Berlin: Baerbock war vor Ort und Scholz ist zum Gespräch bereit

Streikende beim Hungerstreik hungern sich ins Krankenhaus für ein Gespräch mit Scholz, Laschet und Baerbock.
Foto: Paul Zinken/dpa

Sie wollten ein öffentliches Gespräch mit den Kanzlerkandidat:innen über die Klimakrise, doch daraus wird wohl nichts. Ausgezehrt und entnervt beenden sechs von sieben Aktivist:innen ihren Hungerstreik. Doch einer geht einen anderen Weg.

Nach Wochen ohne Nahrung und zuletzt auch ohne Flüssigkeit haben ein Klimaaktivist und eine Unterstützerin am Samstag in Berlin ihren Hungerstreik abgebrochen. Zuvor habe der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz ein öffentliches Gespräch innerhalb der nächsten vier Wochen über den Klimanotstand zugesagt, twitterte der 21 Jahre alte Henning Jeschke. Die SPD bestätigte die Angaben.

Jeschke war mit einer Gruppe junger Menschen seit Ende August im Hungerstreik, seine 24 Jahre alte Mitkämpferin Lea Bonasera war später hinzugestoßen. Während die anderen den Hungerstreik inzwischen abgebrochen hatten, kündigten beide am Samstag an, auch nichts mehr trinken zu wollen.

Der Hungerstreik hätte böse enden können

Ohne Flüssigkeit drohen binnen weniger Tage ernste gesundheitliche Folgen bis hin zum Tod. Da beide Hungerstreikende bereits geschwächt wären, hätten kritische Zustände deutlich schneller eintreten können. Für solche Fälle war nach Angaben von Betreuenden für medizinische Hilfe gesorgt.

„Ich bin froh, dass die Streikenden abbrechen und wieder trinken und essen“, twitterte Scholz. „Das Leben geht vor. Ich stehe zu meinem Gesprächsangebot nach der Wahl, daran werde ich mich halten.“

Die beiden hatten von Scholz verlangt, einen Klimanotstand auszurufen. Scholz hatte dazu aufgerufen, die Aktion abzubrechen und angeboten, nach der Wahl mit ihnen ein Gespräch zu führen. Dieses Angebot war am Samstag erneuert worden.

„In diesem Wahlkampf, in dem es um alles geht, wird nach wie vor so getan, als könnte alles so weitergehen“, hatte Jeschke seinen Schritt begründet, auch nicht mehr trinken zu wollen. Scholz käme nicht einmal über die Lippen, Klimanotstand zu sagen, kritisierte der 21-Jährige. „Die mörderische Haltung gegenüber der jungen Generation nehmen wir nicht hin.“ Bonasera hatte gesagt: „Ich bin nicht bereit, dass die politische Ignoranz über das siegt, was wichtig ist.“

Nach übereinstimmenden Angaben war Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock am Donnerstag im Camp und sprach mit den jungen Leuten, die den Hungerstreik beendet hatten.

Vier Wochen dauerte der Hungerstreik

Am 30. August in der Nähe des Berliner Reichstagsgebäudes hatten sieben junge Menschen mit dem Hungerstreik begonnen. Sie forderten ein öffentliches Gespräch mit den drei Kanzlerkandidat:innen von Union, SPD und Grünen am Donnerstag (23.9., 17.00 Uhr) sowie die Einsetzung eines Klima-Bürgerrats. Während des Protests hatten sie nach eigenen Angaben bis zu elf Kilogramm Körpergewicht verloren. Wiederholt mussten Teilnehmer:innen ins Krankenhaus.

Die Strekenden fordern einen öffentlichen Diskurs am 23. September um 19:00 Uhr.
Die Strekenden fordern einen öffentlichen Diskurs am 23. September um 19:00 Uhr. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Die Hungerstreikenden hatten den Kandidat:innen zuvor einen Termin zur öffentlichen Debatte gesetzt: 23. September, 19.00 Uhr. Bei einer öffentlichen Zusage werde der Hungerstreik umgehend beendet, hieß es.

Die Aktivist:innen beharren auf dem Gesprächstermin am Donnerstag. Man werde den Kandidaten bis zuletzt einen Stuhl freihalten, erklärte Lübbert. Aber: „Wir wissen, dass diese Stühle leer bleiben werden. Deshalb rufen wir alle Menschen auf, sich diese Stühle zu nehmen – physisch oder sinnbildlich.“

Die Forderung der Streikenden

„Keines der Wahlprogramme der etablierten Parteien greift auch nur ansatzweise das auf, was notwendig ist, (…) um ein Überleben auf diesem Planeten zu ermöglichen“, sagte der 22-jährige Simon Helmstedt, einer der Hungerstreikenden, der Deutschen Presse-Agentur. Aus Sicht der Wissenschaft blieben nur noch drei Jahre Zeit, um gegenzusteuern. „Ich finde das sehr erschütternd.“

Simon ist einer der Klimaaktivisten, die in einem Camp im Regierungsviertel sich seit Tagen im Hungerstreik befinden.
Simon ist einer der Klimaaktivist:innen, die in einem Camp im Regierungsviertel sich seit Tagen im Hungerstreik befinden. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Vor dem Hungerstreik hätten die Teilnehmer:innen vergeblich andere Protestformen gewählt. „Wir wurden ignoriert“, sagte der Biologiestudent. Man wisse, dass die Nahrungsverweigerung gefährlich sei. „Das ist ja eine fundamentale Entscheidung, in den unbefristeten Hungerstreik zu treten“, sagte der junge Berliner. „Für mich ist es klar geworden, dass es jetzt notwendig ist.“

Nach zwei Wochen Hungerstreik für eine radikale Klimawende haben die Beteiligten in Berlin angekündigt, ihre Aktion noch zu verschärfen. Ab sofort würden die jungen Leute mehrheitlich auch auf verdünnten Fruchtsaft verzichten, erklärten die Organisator:innen am Montag, den 13.09..

Am Dienstagnachmittag, den 14.09., war einer der Beteiligten ins Krankenhaus gekommen. Der 27-jährige Jacob Heinze sei ohnmächtig geworden und über einige Zeit nicht ansprechbar gewesen, sagte die Sprecherin der Aktion, Hannah Lübbert, der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb habe man einen Krankenwagen gerufen. Nach einem Klinikaufenthalt kam er wieder ins Camp und fastete weiter. Auch ihm war am Samstag von einem Arzt geraten in eine Klinikambulanz zu gehen. Doch auch nach dieser Behandlung streikte er weiter.

Baerbock und Scholz fordern das Ende des Streiks. Die jungen Menschen dürften sich nicht gefährden.
Mehrere Aktivist:innen mussten den Hungerstreik wegen gesundheitlichen Problemen beenden. (Foto: Paul Zinken/dpa)

Kurze Zeit später brachen am Wochenende zwei junge Klimaaktivistinnen ihren Hungerstreik zur Rettung des Klimas ab. Die 19-jährige Lina Eichler aus Dortmund war am Samstagmorgen entkräftet zusammengebrochen und mit einem Rettungswagen in die Charité eingeliefert worden. Am Nachmittag entschloss sie sich nach ihrer Entlassung aus der Klinik, das Fasten aus medizinischen Gründen zu beenden, sagte Sprecherin Hannah Lübbert der Deutschen Presse-Agentur.

Eine zweite Aktivistin, die sich Mephisto nennt, habe danach entschieden, die Aktion aus psychischen Gründen aufzugeben. Beide Frauen hätten nun sehr langsam angefangen, wieder etwas zu essen, sagte Lübbert am Sonntagnachmittag. Sie wollten sich weiterhin im Protest-Camp aufhalten.

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