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„Werden demnächst Menschen versorgen, die noch gar nicht wissen, dass sie Tafelkunden sind“

Die gemeinnützige Tafel sammelt überschüssige Lebensmittel und verteilt diese an sozial und wirtschaftlich benachteiligte Menschen.
Foto: Soeren Stache/dpa

Deutschland ächzt unter der Inflation, für Konsument:innen bedeutet das unter anderem höhere Kosten für alltägliche Lebensmittel. Aber auch die Tafeln kommen an ihre Grenzen, die Lage könnte sich für beide Seiten noch verschärfen.

Die Tafeln in Niedersachsen und Bremen können der aktuellen Nachfrage nicht mehr gerecht werden. Mehrere Stellen hätten bereits einen Aufnahme-Stopp für neue Kund:innen verhängt, wie der Vorsitzende des Landesverbandes der Tafeln, Uwe Lampe, dem Evangelischen Pressedienst (epd) schildert. Der Grund: der starke Andrang von Geflüchteten aus der Ukraine und die steigenden Preise für Lebensmittel infolge der Inflation. Insgesamt 106 Tafeln gibt es in Bremen und Niedersachsen.

Laut Lampe können die gespendete Lebensmittel aus Supermärkten oder Bäckereien vorübergehend nur noch an registrierte Kund:innen ausgegeben werden. „Wahrscheinlich werden demnächst noch mehr Tafeln an den Rand ihrer Möglichkeiten kommen“, wird der Landeschef der Tafeln zitiert. Zwar gelte es, dies zu vermeiden, allerdings wüssten sich die Zuständigen nicht anders zu helfen. Vor dem Krieg in der Ukraine hätten die Tafeln des Landesverbandes im Schnitt rund 150.000 regelmäßige Kund:innen gehabt. „Jetzt sind es nochmal 70.000 mehr.“

Auch die Teuerungsrate komme in den Tafeln an. Lampe, der die Tafel in Springe bei Hannover leitet, sagt dem epd: „Wenn die Energieversorger demnächst die neuen Bescheide mit den Preisen für Gas und Strom hinausschicken, werden wir einen noch ungeahnten Zustrom von all denen erleben, die erkennen, dass das für sie jetzt ein Problem wird.“ Der Vorsitzende vermutet: „Wir werden demnächst Menschen versorgen, die im Moment noch gar nicht wissen, dass sie bald Tafelkunden sind.“

„Wer zur Tafel geht, ist in der Regel wirklich bedürftig“

Für Menschen, die auf die Tafel angewiesen sind, könnten sich die Mengen der abgeholten Lebensmittel dann verringern, heißt es. Auch die teils ehrenamtlichen Helfer:innen sind durch den stärkeren Andrang belastet.

Wer Lebensmittel von einer der Tafeln erhalten will, muss in der Regel seine Bedürftigkeit nachweisen.  Laut Lampe etwa mit einem Hartz-IV-Bescheid, einer Asylberechtigung oder einem Rentenbescheid, wenn die Rente nicht mehr als 900 Euro beträgt. Von Unberechtigten missbraucht würden die gemeinnützigen Tafeln selten, betont der Vorsitzende: „Wer zur Tafel geht, ist in der Regel wirklich bedürftig.“

Bereits Anfang Mai erklärte der Vorsitzende des Bundesverbandes Tafel Deutschland, Jochen Brühl, gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe, dass die Lage „so angespannt wie noch nie“ sei. Der Verbandsvorsitzende forderte deshalb die Politik auf, bei der Armutsbekämpfung Abhilfe zu schaffen. Die Tafeln allein könnten „diesen Druck nicht aushalten“. Brühl appellierte an die Bundesregierung und die Kommunen: „Tafeln sind nicht Teil des sozialstaatlichen Systems. Wir helfen ehrenamtlich und nach Kräften, aber es war nie die Idee der Tafeln, alle armutsbetroffenen Menschen verlässlich und verbindlich zu versorgen.“

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