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„Ist ein neues Krankheitsbild“: Wie Internetfilter die Selbstwahrnehmung verzerren

Durch Social Media werden Schönheitsideale, besonders prominenter Menschen, verbreitet.
Foto: Unsplash / Laura Chouette / Prateek Katyal

Durch Social Media werden Schönheitsideale, besonders prominenter Menschen, verbreitet. Das führe zu einer veränderten Selbstwahrnehmung des Körpers und einem neuen Krankheitsbild, warnen Expert:innen.

Oft geben Social-Media-Stars Trends vor – so auch für fragwürdige Körper- und Schönheitsideale. Mithilfe von gefilterten Bildern kann inzwischen jede:r sich zumindest virtuell diesen Trends anpassen. Durch eine digitale Maske, sogenannte Internetfilter, können Menschen auf Instagram, TikTok und Co. ihr Äußeres beliebig stark verzerren. Mit weitreichenden Folgen: Jährlich gibt es hunderttausende Personen in Deutschland, die diese Form der Selbstoptimierung durch Schönheitsoperationen in die Realität umsetzen wollen, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet. Demnach leidet auch die eigene Selbstwahrnehmung.

Ada Borkenhagen, Professorin für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Magdeburg, hat herausgefunden, dass es in der heutigen ästhetischen Chirurgie vor allem um eine Optimierung des eigenes Körpers gehe. Wollte man früher mit Schönheitsoperationen den Körper möglichst so beibehalten wie er ist, dreht sich heute alles um die Anpassung an ein bestimmtes Vorbild.

Zwei Drittel der Patient:innen bringen ein gefiltertes Foto mit

Schönheitsoperationen haben durch den Trend der Selbstoptimierung einen Boom erfahren, berichtet die FAZ. War früher die Möglichkeit zur ästhetische Chirurgie demnach wohlhabenden Menschen vorbehalten, nimmt heute die Mittelschicht der Gesellschaft insbesondere kleinere Eingriff – auch Modellierungen genannt – in Anspruch. Besonders die Lippenkorrektur mit Fillern gehöre zu den beliebtesten Mitteln eine schnelle Verschönerung des Gesichts zu erzielen, erklärte der Schönheitschirug Dr. Murat Dagdelen im Gespräch mit der FAZ.

Was den Wunsch zur Selbstoptimierung besonders verstärkt, seien gefilterte Bilder, so Borkenhagen. Also Bilder, die mithilfe von Filtern zum Beispiel bestimmte Partien im Gesicht optimieren. Laut einer Umfrage der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) bringen zwei Drittel der Patient:innen ein gefiltertes Foto zum Beratungstermin bei einem Schönheitschirurgen mit.

Schönheitschirug Dagdelen erlebt die Auswirkungen des Wunsches nach Selbstoptimierung. Dem Schönheitschirurgen zufolge, haben seine Patient:innen „mit der Nutzung von Filtern im Internet ein digitales Ich erschaffen, das sie selbst nicht im Spiegel wiedererkennen.“ Dagdelen weiter: „Das ist ein neues Krankheitsbild“. Der Grund: Das eigene, tatsächliche Aussehen würden die betroffenen Personen dadurch ablehnen. Er betont gegenüber der FAZ, extreme Veränderungswünsche von Patient:innen nicht anzunehmen.

Problem: Bandbreite des Angebots

Derzeit gibt es keine gesicherten Zahlen, wie viele Schönheitseingriffe in Deutschland durchgeführt werden. Dies liegt einerseits an einer fehlenden zentralen Registrierung der Operationen. Andererseits gibt es keinen Verband, in dem alle Anbieter:innen von Schönheitsoperationen gemeldet sind. 

Ein weiteres Problem in der Erfassung von Schönheitsangriffen ist die Bandbreite der Anbieter. Hyaluronsäure dürfen nicht nur Ärzt:innen, sondern auch Kosmetiker:innen und Heilpraktiker:innen spritzen. Oft haben diese jedoch kein Fachwissen im Umgang mit möglichen Komplikationen und können diese nicht entsprechend behandeln, schreibt die FAZ. Dies birgt Gesundheitsrisiken.

Schönheitseingriffe werden laut dem VDÄPC immer teurer, das schreckt aber Menschen mit niedrigem Einkommen nicht von der Inanspruchnahme ab. Anbieter:innen für die Vergabe von Krediten für Schönheitsoperationen kommen in diesen Fällen für die Finanzierung der Operationen auf. Ada Borkenhagen sieht den Grund für diesen Trend vor allem in der Bedeutung des Aussehens für Jobs und Beziehungen. Der eigene Körper habe Warencharakter bekommen, da erscheine es rational, in ihn zu investieren, erklärt die Forscherin. 

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