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Krach um 9-Euro-Monatsticket – Bahn-Personal fürchtet Überlastung

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Foto: CC0 / Pixabay / pixel2013

Ab 1. Juni soll das 9-Euro-Monatsticket im öffentlichen Nahverkehr gelten. Der Bund will Einnahmeausfälle ausgleichen, doch darüber ist nun ein Streit entbrannt. Auch Mitarbeiter:innen der Deutschen Bahn sehen Probleme.

Zwischen Bund und Ländern, aber auch innerhalb der Ampel-Koalition gibt es Krach um mehr Geld für den Nahverkehr – die Mittel sind auch zur Umsetzung des 9-Euro-Monatstickets geplant. Aus den Reihen der Grünen kam heftige Kritik an einem Gesetzentwurf aus dem Haus von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP).

Und auch die Deutsche Bahn selbst sieht Probleme in der Umsetzung des Tickets. Mitarbeiter der Deutschen Bahn fordern zusätzliches Personal zur Bewältigung eines erwarteten Fahrgastansturms durch das geplante vergünstigte Monatsticket. „Wir begrüßen das 9-Euro-Ticket, befürchten aber eine Überlastung vor allem in den Ferienregionen“, sagte Ralf Damde, Vizevorsitzender des Gesamtbetriebsrats DB Regio, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Sonntag).

Um Verspätungen durch überfüllte Züge zu vermeiden, sei zusätzliches Personal an den Bahnhöfen touristischer Hotspots nötig. Auch der Fahrgastverband Pro Bahn hatte wegen des geplanten Billigtickets bereits vor übervollen Zügen auf klassischen Ferienstrecken gewarnt.

Finanzforderungen der Länder

Der Bund will in diesem Jahr Mittel für die Länder zur Finanzierung des Nahverkehrs um 3,7 Milliarden Euro erhöhen. Damit sollen auch die Kosten für das 9-Euro-Monatsticket gezahlt werden – von Juni bis Ende August sollen Fahrgäste im Nah-und Regionalverkehr bundesweit für 9 Euro pro Monat fahren.

Weitere Finanzforderungen der Länder hat der Bund aber bisher nicht berücksichtigt, wie aus einem Entwurf aus dem Verkehrsministerium zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes hervorgeht. Dieser lag der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag vor. Die Länder fordern mehr Geld. Sie müssen den Gesetzesänderungen zustimmen.

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Geplant sind laut Entwurf 1,2 Milliarden Euro für den Ausgleich pandemiebedingter finanzieller Nachteile. Damit soll sichergestellt werden, dass das Angebot bei Bussen und Bahnen aufrechterhalten werden kann. Die Länder hatten für diesen Rettungsschirm aber 1,6 Milliarden Euro vom Bund gefordert.

Einnahmeausfälle durch 9-für-90-Tickets

Dazu kommen laut Entwurf 2,5 Milliarden Euro für „weitere Maßnahmen“ einschließlich der Umsetzung des 9-Euro-Monatstickets. Durch das günstige Ticket entstehen Einnahmeausfälle bei Verkehrsunternehmen.

Wie die dpa erfahren hatte, wollen die Länder vom Bund eine Summe von zusätzlich 1,5 Milliarden Euro, um etwa gestiegene Energiepreise für die Verkehrsunternehmen kompensieren zu können. Dieses Geld ist im Entwurf des Bundes allerdings nicht enthalten.

„Der aktuelle Referentenentwurf zum Regionalisierungsgesetz erstaunt mich sehr“, sagte Stefan Gelbhaar, der verkehrspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, der dpa. Für die Umsetzung des „9-für-90-Tickets“ seien von Verkehrsministerium, Bundesländern und Verkehrsunternehmen übereinstimmend 2,5 Milliarden Euro veranschlagt worden. „Nun soll diese Summe neben der Umsetzung für das Ticket auch für gestiegene Mehrausgaben bei Energie und Personal eingesetzt werden. Folglich würden für die Umsetzung des 9-für-90-Tickets dann keine ausreichenden Mittel zur Verfügung stehen. Das ist irritierend, da so die Bus- und Bahnunternehmen die Mehrkosten bezahlen müssten.“ Dies müsse verhindert werden. Verkehrs- und Finanzministerium müssten rasch eine ausreichende Finanzierung sicherstellen.

Blockieren die Länder notfalls das 9-Euro-Ticket?

Der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte der dpa, es sei ihm „unbegreiflich“, dass Wissing nicht für mehr Finanzmittel zum Ausbau des ÖPNV kämpfe. „Die Verkehrsunternehmen leiden noch immer massiv unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und den drastisch zurückgegangenen Fahrgastzahlen. Viele kleine und mittlere Busbetriebe stehen finanziell mit dem Rücken an der Wand. Deshalb ist ein ausreichend großer Rettungsschirm im dritten Jahr der Pandemie dringend notwendig. Die Kosten für den Rettungsschirm tragen Bund und Länder jeweils zur Hälfte.“ Für ein besseres Angebot im öffentlichen Nahverkehr und im regionalen Bahnverkehr müssten die Regionalisierungsmittel dringend erhöht werden.

In einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern zum 9-Euro-Ticket war ein Fahrplan verabredet worden: Demnach sollen Bundestag und Bundesrat den notwendigen gesetzlichen Änderungen am 19. und 20. Mai zustimmen, damit das 9-Euro-Monatsticket ab dem 1. Juni starten kann.

Die Frage ist, ob die Länder im Bundesrat dem Regionalisierungsgesetz wegen des Streits um höhere Finanzmittel nicht zustimmen – und damit auch das günstige ÖPNV-Ticket blockieren würden.

Auf Basis des Regionalisierungsgesetzes zahlt der Bund Regionalisierungsmittel – das ist Geld, das der Bund den Bundesländern jährlich zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs zur Verfügung stellt.

Bei den pandemiebedingten Einnahmeausfällen im ÖPNV beteiligt sich der Bund jeweils zur Hälfte, die andere Hälfte tragen die Länder. In den Jahren 2020 und 2021 hatte der Bund laut Entwurf bereits zusätzliche Regionalisierungsmittel in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt.

Ausbau der Infrastruktur sollte Priorität haben

Utopia meint: Die Bundesregierung fördert mit ihrem Vorhaben den ÖPNV. Das ist ein wichtiger Schritt, um die Menschen in Deutschland zu entlasten, die auf das Auto – und damit klimaschädliche Verbrennungsmotoren – verzichten. Das Pendeln und grundlegende Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln sollten allerdings über die akute Energiepreiskrise, die durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine entstanden ist, hinaus weiter gefördert werden. Hiervon sollte insbesondere der Ausbau der Infrastruktur des ÖPNV profitieren, damit Bus- und Bahnfahren für jede:n attraktiv ist. Eine bessere Infrastruktur wird wohl auch angesichts des geplanten 9-Euro-Montastickets notwendig, sollten mehr Menschen die Bahn anstatt das Auto benutzen.

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