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Kündigte wegen Burn-out: Autorin über Quiet Quitting und Hope Labour

Kündigte wegen Burn-out: Autorin über Quiet Quitting – und ihre Erfahrungen
Foto: CC0 / Unsplash / Elisa Ventur

Sara Weber arbeitete lange Zeit als Journalistin, genoss ihren Job und hatte ein großartiges Team. Doch irgendwann wurde sie immer erschöpfter und konnte ihre Batterien nicht mehr aufladen. Die Diagnose: Burn-out. Heute weiß sie, warum.

Sara Weber war als Journalistin und Redaktionsleitern bei LinkedIn tätig, bis sich 2021 mitten in der Pandemie bei ihr immer mehr Burn-out-Symptome entwickelten und sie schließlich nicht mehr wie gewohnt weiter arbeiten konnte. Da sie am eigenen Leib erlebt hatte, wie überfordernd und mental belastend ein Berufsalltag sein kann, schrieb sie ihr aktuelles Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“

Darin fordert sie, dass die Gesellschaft gewöhnliche Arbeitsmuster überdenkt und sich grundlegende Strukturen zugunsten eines gesünderen Arbeitsalltages ändern. Im Interview mit der WELT erläutert Weber ihre Forderungen und Beobachtungen und spricht unter anderem über die Vier-Tage-Woche, kürzere Arbeitszeiten, Quiet Quitting und die sogenannte Hoffnungsarbeit. Sie erklärt, wie Jobs gleichzeitig effizienter und weniger körperlich und mental belastend gestaltet werden könnten.

„Hope Labour“ – Arbeit, bezahlt mit Hoffnung

Sara Webers Einstellung zu Arbeit und Beruf wurde maßgeblich durch ihren Berufseinstieg geprägt. So studierte sie zunächst Publizistik und Buchwissenschaft, widmete sich dann aber dem Journalismus. Zu dieser Zeit waren freie journalistische Stellen aufgrund der Finanzkrise jedoch Mangelware und wurden schlecht bezahlt.

Weber lernte so früh, einfach dankbar zu sein, überhaupt arbeiten zu können – auch wenn sie dabei unterbezahlt wurde. Dieses Phänomen bezeichnet man auch als „Hope Labour“, also zu Deutsch „Hoffnungsarbeit“, wie so gegenüber der Welt erklärt. Menschen arbeiten dabei unter- oder sogar unbezahlt. Stattdessen werden sie sinngemäß mit der Hoffnung „bezahlt“, dass sich diese Arbeit später irgendwann auszahlt – zum Beispiel, weil man aufgrund einer guten Referenz im Lebenslauf dann eine besser bezahlte und sichere Stelle bekommt.

„Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich meine Batterien nicht mehr aufladen konnte“

Für Sara Weber funktionierte dieses Konzept der „Arbeit gegen Hoffnung“ tatsächlich. Sie bekam später eine Stelle bei LinkedIn, hatte nach eigenen Aussagen einen „tollen Job“ und ein „großartiges Team“. Während der Pandemie fühlten sich plötzlich alle gestresst und erschöpft – so auch Weber. Das lag zum einen am Weltgeschehen, das die Journalistin zunehmend psychisch belastete.

Aber auch persönliche Faktoren spielten eine Rolle. Diese waren für Weber jedoch schwer auseinanderzuhalten. Ob es sich damals bereits um eine psychische Erkrankung handelte oder ein allgemeines Unwohlsein als Folge der Pandemie, wusste sie zum damaligen Zeitpunkt noch nicht.

Sara Webers Symptome verstärkten sich immer mehr. Sie wurde immer erschöpfter, war überfordert vom Weltgeschehen und ihrem Berufsalltag. Schließlich reichten auch gewöhnliche Ruhepausen, wie zum Beispiel ein paar Urlaubstage, nicht mehr aus, um wieder ausreichend Energie zu tanken: „Irgendwann habe ich gemerkt, dass ich meine Batterien nicht mehr aufladen konnte“, so Weber.

Erschöpfung und Überlastung als gesellschaftliche Probleme

Der ausschlaggebende Moment, in dem Weber den Entschluss fasste, nicht mehr einfach so weiterzumachen, war der Sturm auf das Kapitol in den USA im Januar 2021. Sie hatte gerade zwei Wochen Urlaub genommen und sich etwas erholt, als sie von der Nachricht erfuhr. Weber, selbst zur Hälfte US-Amerikanerin, war geschockt und verbrachte die ganze Nacht vor dem Fernseher.

Diese Überforderung, die sich aus der Fülle an negativen Nachrichten und einem belastenden Berufsalltag ergibt, thematisiert Weber auch in ihrem Buch. So sollten Menschen einerseits darauf achten, sich auch Pausen von der Berichterstattung zu gönnen. Weber erzählt zum Beispiel, sie habe inzwischen alle Push-Nachrichten abgestellt.

Erschöpfung und Überlastung als Folge eines Jobs sind jedoch nicht nur ein individuelles, sondern vor allem ein gesellschaftliches Problem. So sei es ein großes Problem, Burn-out und andere psychische Beschwerden immer zu individualisieren. Vom Job ausgebrannt zu sein, betrifft schon lange nicht mehr nur einzelne Individuen, sondern ist ein Missstand, der vor allem an gesellschaftlichen Strukturen liegt, wie Niedriglöhnen oder mangelnder Kinderbetreuung. 

„Wir müssen überlegen, wie wir sinnvoller arbeiten können“

Was sind nun Lösungen für die von Weber angesprochenen Probleme? Zum Teil bereits getesteten Lösungen, wie reduzierten Arbeitszeiten oder der Vier-Tage-Woche, steht die Welt-Zeitung im Interview besonders angesichts des aktuellen Fachkräftemangels mit Skepsis gegenüber. Weber kann das nicht nachvollziehen: „Also wenn wir alle noch mehr arbeiten, dadurch noch gestresster sind, noch häufiger ausfallen, krank werden. Das sorgt ja nicht für eine stabilere wirtschaftliche Lage.“

So gebe es aktuell in Deutschland so viele erwerbstätige Menschen wie noch nie zu vor, sagt die Journalistin. Gleichzeitig würden sich Technologien immer weiterentwickeln. Weber findet es sinnvoll, Technologien stärker einzusetzen, um Menschen in ihrem Berufsalltag zu entlasten. So könnten maschinelle Programme etwa administrative Aufgaben übernehmen und dadurch den Papierkram minimieren. Insgesamt müssen wir, so sagt sie, „überlegen, wie wir sinnvoller arbeiten können.“

Mehr Produktivität und kürzere Arbeitszeiten?

Sie ist überzeugt: Um dem Fachkräftemangel zu begegnen, sollte man also gerade nicht von Menschen einfordern noch mehr zu arbeiten, sondern zunächst sollten sich die Arbeitsbedingungen bessern. „Mehr und länger zu arbeiten, ist nicht die Antwort“, so Weber. Beispielsweise zeige eine Studie, dass viele Pflegekräfte wieder Vollzeit arbeiten würden, wenn die Bedingungen besser wären.

Auch im Büro könne sich Vieles verbessern: Schließlich arbeite keine Person wirklich acht Stunden lang produktiv. Besser sei es deshalb, die Arbeitszeit zu kürzen und in dieser kürzeren Zeit mehr Produktivität zu ermöglichen. Das gelingt zum Beispiel, in dem Unternehmen Freiräume für Arbeitnehmer:innen schaffen und etwa energieraubende Meetings und ständig ablenkende E-Mails und Nachrichten reduzieren.

Reduzierte Arbeitszeiten würden auch in Handwerksberufen, etwa in Bäckereien, Sinn ergeben. In Pflege- und Erziehungsbereichen sei dies hingegen nicht so leicht umzusetzen, so Weber.

Doch auch individuelle Maßnahmen können der Überlastung eines Menschen oft entgegenwirken: Seit ihrem Burn-out hält Weber beispielsweise nicht mehr den ganzen Tag lang Meetings ab, arbeitet grundsätzlich nicht spätabends und am Wochenende und nimmt sich bewusst mehr Pausen. Die Zeit, die sie dadurch gewinnt, verbringt sie zum Beispiel mit Menschen, die ihr guttun, um so die eigenen Batterien wieder aufzuladen.

Wozu Quiet Quitting?

Der Trend des Quiet Quitting (also zu Deutsch das „Stille Kündigen“) zeigt laut Weber vor allem, dass jüngeren Generationen ihr Beruf weniger wichtig geworden ist. Sie seien nicht bereit sich ständig zu überarbeiten und für Unternehmen aufzuopfern. Stattdessen würden sie stärker eigene Grenzen ziehen und sich vor Überforderung schützen. Das sei unter anderem dank des aktuellen Mangels an Arbeitskräften möglich. Denn Arbeitnehmer:innen können dadurch mehr Ansprüche stellen.

Sie erwähnt, dass das Phänomen durchaus nicht neu ist, und es auch im Deutschen dafür einen Begriff gibt: „Dienst nach Vorschrift“. Jungen Menschen, so die Autorin, sei jedoch wichtiger geworden, einen erfüllenden Job zu haben, der gleichzeitig Spaß macht, einen tieferen Sinn hat und gut bezahlt ist.

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