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Lauterbach in Erklärungsnot – Die Kritik an seinem Rückzieher

Karl Lauterbach (SPD)
Foto: Michael Kappeler/dpa

Erst hü, dann hott: Der Gesundheitsminister vollzieht bei einer zentralen Frage des Pandemie-Kurses eine plötzliche Kehrtwende. Dafür wird er von Seiten der Politik kritisiert.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach steht nach einem abrupten Rückzieher bei den Corona-Isolationsregeln mit seinem Krisenmanagement in der Kritik. Der SPD-Politiker verkündete überraschend in einer nächtlichen Talkshow, eine geplante Umstellung der Isolation von Infizierten auf Freiwilligkeit direkt wieder einzukassieren. Von Ländern und Opposition kam heftige Kritik am generellen Vorgehen des Ministers. Die Gesundheitsämter sollen eine Isolation nun doch weiter anordnen, nur Quarantäne für Kontaktpersonen Infizierter nicht mehr.

Kritik an Lauterbachs Rückzug

Lauterbach ist durch seinen Rückzug in Erklärungsnot geraten. Die Union attackierte ihn als „Talkshow-Minister“. Er setze „durch sein konfuses Agieren die Gesundheit der Menschen aufs Spiel“, monierte Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) und fragte: „Ist der Ministerposten eine Gewichtsklasse über ihm?“ Aus den Ländern hagelte es Kritik. Bremens Regierungschef Andreas Bovenschulte (SPD) sprach von irritierender Wankelmütigkeit. „So etwas darf nicht passieren.“ Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte, zu einem verantwortungsbewussten Umgang gehöre, nicht mit Zick-Zack-Kurs zu verunsichern.

Eine Kritik an Lauterbach: Sein Hin und Her führe dazu, dass Menschen der Politik weniger vertrauen.
Eine Kritik an Lauterbach: Sein Hin und Her führe dazu, dass Menschen der Politik weniger vertrauen. (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike Gote hat das Hin und Her von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei den künftigen Corona-Isolationsregeln kritisiert. „Gute Corona-Politik braucht gute Kommunikation, um die Menschen mitzunehmen“, sagte die Grünen-Politikerin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Gerade Strategiewechsel müssen gut erklärt werden. Dies ist hier leider nicht geschehen.“

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„Es darf keinen Zweifel darangeben, dass Grundlage für die Quarantäne– und Isolierungsvorschriften fachliche Empfehlungen sind“, sagte Senatorin Gote. „Politisches Hin und Her verwirrt die Menschen und gefährdet die Akzeptanz von Schutzmaßnahmen. Zudem befinden wir uns derzeit in einer kritischen Phase, in der die Auswirkungen des Wegfalls der meisten Corona-Maßnahmen noch nicht absehbar sind.“

Trotz Kritik an Lauterbach: Beibehaltung von Corona-Isolation wird begrüßt

Mecklenburg-Vorpommern begrüßt die Kehrtwende von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei der Isolationspflicht im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion.

„Eine freiwillige Isolation hätte das falsche Signal ausgestrahlt, Corona sei nun harmlos“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsministerin Stefanie Drese (SPD) am Mittwoch. Die Pandemie sei jedoch nicht beendet und Schutzmaßnahmen wie die Isolation Infizierter seien weiter nötig.

Quarantäne
Momentan müssen Infizierte bis zu zehn Tage in Quarantäne. (Foto: CC0 / Pixabay / JerzyGorecki)

Auch der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Zander, begrüßt die Entscheidung: „Sie ist genauso falsch wie die Verkürzung der Quarantänezeit auf fünf Tage“, erklärte er. „Wir halten die bisherige Regelung von bis zu zehn Tagen mit Freitesten für besser. Daran muss aus unserer Sicht festgehalten werden.“

Das ist passiert: Nächtlicher Rückzieher Lauterbachs bei Talkshow

Rund zehn Stunden nachdem Lauterbach verkündet hatte, eine Isolation von Infizierten auf Freiwilligkeit einzuführen, ruderte er spätabends in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz dann überraschend zurück. Das Signal einer freiwilligen Isolation sei „so negativ, so verheerend“, dass es eine Veränderung geben müsse. „Ich habe die Talkshow genützt, weil sie gerade anfiel“, sagte Lauterbach zu Vorwürfen, dass er für den Rückzieher keinen offiziellen Rahmen gewählt hatte.

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Um 2.37 Uhr legte der Minister dann auch per Twitter nach: „Hier habe ich einen Fehler gemacht. Das entlastet zwar die Gesundheitsämter. Aber das Signal ist falsch und schädlich.“ Er habe es nicht laufen lassen, sondern so schnell wie möglich beenden wollen, erläuterte der Minister seine nächtliche Aktivität später. Wenn man sehe, dass Vorschläge nicht funktionierten, müsse man sie zurücknehmen und nicht stur dabeibleiben. „Ich glaube, dass Vertrauen gewonnen wird, wenn man in der Sache eine Regel zurücknimmt, zu der man nicht wirklich stehen kann“, sagte der SPD-Politiker am Mittwochabend in der Sendung „ARD extra“.

Lauterbach verneint seinen Rücktritt

Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe Lauterbach natürlich informiert, es sei aber seine eigene Entscheidung gewesen, machte Lauterbach deutlich. Eine Frage, ob er an Rücktritt gedacht habe, verneinte er. Für den Wissenschaftler und Mediziner auf dem Ministerposten sind es aber ohnehin heikle Tage. Auf Betreiben des Partners FDP fielen gerade inmitten hoher Infektionszahlen die meisten staatlichen Schutzvorgaben weg. Lauterbach musste schlucken, dass Justizminister Marco Buschmann (FDP) allgemeine Maskenpflichten für passé erklärte. Er verteidigt unverdrossen eine mögliche Hotspot-Regel für Regionen in kritischer Lage. Nur steht die meist auf dem Papier, gerade mal zwei Bundesländer nutzen sie. Der Minister appellierte vergeblich.

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