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MaiLab: Gibt „mehr als zwei biologische Geschlechtsausprägungen“

MaiLab: Gibt "mehr als zwei biologische Geschlechtsausprägungen"
Screenshot: YouTube/MaiLab

Wie viele Geschlechter gibt es laut Wissenschaft? Dieser Frage widmet sich Dr. Mai Thi Nguyen-Kim in der neusten Ausgabe von MaiLab. Dabei erklärt die Wissenschaftlerin, dass es mehr als nur zwei biologische Geschlechtsausprägungen gibt.

In der neusten Ausgabe MaiLab wirft Dr. Mai Thi Nguyen-Kim die Frage auf: „Wie viele Geschlechter gibt es laut Wissenschaft?“. Dabei teilt die Wissenschaftlerin den Begriff Geschlecht in zwei Kategorien ein: das biologische Geschlecht und Geschlechtsidentität. Ihr Fazit: „Es gibt mehr als zwei biologische Geschlechtsausprägungen.“

MaiLab: Für die Fortpflanzung gibt es nur zwei Geschlechter

Zu dieser Erkenntnis kommt Nguyen-Kim wie folgt. Bei der Definition des biologischen Geschlechtes müssen laut der Wissenschaftlerin zwei Perspektiven betrachtet werden. Bei Menschen gibt es zwei unterschiedliche, sogenannte Gameten. Dabei handelt es sich um Keimzellen, die bei der Fortpflanzung verschmelzen. Somit gibt es bei der Fortpflanzung nur zwei Geschlechter: Spermien = Mann, Eizellen = Frau.

Das biologische Geschlecht wird aber auch anderweitig verwendet, beispielsweise wenn es um medizinische Versorgung geht – etwa, wenn Krankheiten beschreiben oder die Dosis von Tabletten festgelegt werden. Allerdings geschieht das nicht nur anhand der Gameten. „Sonst wäre ja ein Mann, der keine Spermien produziert, per Definition kein Mann“, so Nguyen-Kim. Stattdessen greift die Geschlechtsausprägung. Diese basieren auf der Gesamtheit innerer und äußerer Geschlechtsmerkmale, Organe, Gene und Hormone.

Chromosomen und Gene verantwortlich für Geschlechtsausprägungen

Geschlechtsausprägung beginnt im Mutterleib als Embryo. Verantwortlich dafür sind Chromosomen. Vereinfacht gesagt bedeutet eine XX-Kombination, dass eine Frau entsteht – bei XY ein Mann. Genauer betrachtet, ist mit unter das SRY-Gen (Sex determining region of Y-Gen), dafür verantwortlich, dass ein Fötus männliche Geschlechtsmerkmale ausprägt. Das Gen befindet sich in den meisten Fällen auf dem Y-Chromosom.

Personen, die ein SRY-Gen in sich tragen, bilden Testosteron, Penis und Hodensack aus. Ohne SRY-Gen entwickeln sich die Keimdrüsen zu Eierstöcken und Vulva.

Von diesen beiden Prozessen gibt es Abweichungen, erklärt Nguyen-Kim. Beispielsweise kann eine Person, einen Körper mit Penis und Hoden, aber zwei X-Chromosomen haben. Dies ist möglich, wenn sich auf einem der beiden X-Chromosomen ein SRY-Gen befindet. Menschen mit diversen variierende Geschlechtsausprägungen – also weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich – nennt man intergeschlechtlich oder inter.

Wie viele Geschlechtsunterscheidungen es gibt, sei Definitionssache

„Es gibt bei der Geschlechtsentwicklung im Mutterleib halt einfach mehrere Schritte und Regulationsmechanismen, so dass es auch unterschiedliche Varianten gibt, die von der klassischen männlichen oder weiblichen Entwicklung abweichen können“, sagt Nguyen-Kim.

Nguyen-Kim zufolge sei es Definitionssache, beziehungsweise kontextabhängig, welche Unterscheidung Menschen bei Geschlechtsausprägungen machen. Die Möglichkeiten sind:

  • Frau, Mann und Varianten
  • Frau, Mann, Inter
  • Noch kleinteiliger aufteilen in: Menschen mit XX-Chromosomen, Menschen mit Hoden, usw.

Laut Nguyen-Kim gibt es daher mehrere biologische Geschlechtsausprägungen, dennoch sei es eine „sinnvolle Vereinfachung von Männern und Frauen zu sprechen, weil es auf die allermeisten Menschen zutrifft“, so die Wissenschaftlerin. In der Wissenschaft werden Nguyen-Kim zufolge Modelle und Vereinfachungen definiert, um damit im Alltag zu arbeiten. Dennoch müssen sich ihr zufolge Wissenschaftler:innen bewusst sein, dass die Realität komplexer ist und Vereinfachungen in manchen Fällen nicht mehr ausreichen.

MaiLab: Biologisches Geschlecht und Geschlechtsidentität nicht verwechseln

Außerdem plädiert Nguyen-Kim dafür, das biologische Geschlecht nicht mit der Geschlechtsidentität zu verwechseln. Nicht automatisch identifizieren sich Menschen mit dem Geschlecht, das ihnen aufgrund der Geschlechtsausprägung oder ihrem biologischen Geschlecht zugeschriebenen wurde. Die Geschlechtsidentität sagt nichts über die sexuelle Orientierung aus und ist laut Nguyen-Kim subjektiv und könne nur bedingt mit wissenschaftlichen Methoden objektiv beobachtet werden. Eine Möglichkeit sind Befragungen.

Menschen, die sich dem Geschlecht zugehörig fühlen, das sie von außen zugeschrieben bekommen haben, werden als Cis-Menschen oder als Cis-gender bezeichnet. Wenn jemand beispielsweise weibliche Geschlechtsausprägungen aufweist, als Frau definiert wird und sich als Frau identifiziert, gilt diese Person als Cis-Frau.

Sogenannte Trans-Menschen hingegen identifizieren sich nicht oder nicht zu 100 Prozent mit ihren biologischen Geschlechtsausprägungen beziehungsweise dem Geschlecht, das ihnen durch ihre Geburtsurkunde zugeschrieben wurde.

Laut Nguyen-Kim spüren manche Trans-Menschen eine Belastung von innen – durch den Konflikt zwischen biologischem Geschlecht und Geschlechtsidentität. Und außen – durch Hass, Stigmatisierung, Diskriminierung und Isolierung. Das sei laut der Wissenschaftlerin „absolut inakzeptabel“. Sie appelliert daher, Menschen zu respektieren, wenn sie nicht in eine bestimmte Schublade passen oder sie „untypisch“ aussehen.

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