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„Habe übertrieben“: Fynn Kliemann reagiert auf Böhmermanns „Maskenbetrug“-Recherche

Jan Böhmermann kritisiert das Masken-Geschäft von Influencer Fynn Kliemann.
Foto: Screenshot ZDF Magazin Royale

Fynn Kliemann ist als Youtuber, Influencer und Unternehmer bekannt geworden. Sein Geschäft mit Masken während der Coronakrise war mehr als fragwürdig. Das hatte Jan Böhmermann in seiner jüngsten Folge des ZDF Magazin Royale aufgedeckt. Nun reagiert Kliemann auf die Vorwürfe.

Masken schützen uns effektiv vor dem Coronavirus, entsprechend sprunghaft stieg die Nachfrage gleich zu Beginn der Pandemie an. Das wusste wohl auch der Influencer und Unternehmer Fynn Kliemann. Im Frühjahr 2020 kündigte er gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Tom Illbruck auf Instagram an, die eigene Textilproduktion in Europa auf die Herstellung von Masken umzustellen.

„Wir haben unsere Produktion umgestellt und stellen nun fair produzierte, wiederverwendbare Mundbedeckungen aus Europa, aus 100% Polypropylen, zur Reduzierung des Infektionsrisikos her“, heißt es auf dem Instagram-Kanal des 34-Jährigen. Eine Woche später wird dort ein Update veröffentlicht. Darin sagt Kliemann, sie seien „einer der größten Masken-Produzenten Europas“. In Portugal habe man die Herstellung auf 40.000 Masken pro Tag hochgeschraubt. Auch mit Serbiens Wirtschaftsministerium habe man Absprachen gehalten und extra Arbeitskräfte zur Herstellung von Masken eingestellt.

Zudem würden sie zum Selbstkostenpreis verkauft, wie Kliemann gegenüber dem Weser Kurier im April 2020 erklärte. Es gehe in der Krise „nicht darum, Geld zu verdienen, sondern darum, möglichst vielen Menschen zu helfen, die gerade dringend Hilfe brauchen“, wird er zitiert.

Doch „fair“ und „aus Europa“ soll der Mund-Nasen-Schutz nicht sein, wie nun der TV-Moderator und Journalist Jan Böhmermann in seiner Sendung ZDF Magazin Royale berichtet hat. Auf einer eigens dafür eingerichteten Website bezeichnen Böhmermann und sein Investigativ-Team Kliemanns Geschäft als „Maskenbetrug“. Demnach soll der Unternehmer keine korrekten Angaben über den Produktionsort gemacht haben – und auch die Angabe zum Selbstkostenpreis ist fraglich.

Masken aus Bangladesch und Vietnam?

Vielmehr haben laut Böhmermann Kliemann und sein Geschäftspartner Illbruck, Geschäftsführer von Global Tactics, Masken in Bangladesch und Vietnam „im großen Stil“ produzieren lassen. Insbesondere in Bangladesch müssen Näher:innen oftmals unter menschenunwürdigen wie auch gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen arbeiten – für Firmen aus dem Ausland.

Für seine Recherche wertete das ZDF Magazin Royale eigenen Angaben zufolge interne Chats, Sprachnachrichten, E-Mails, Lieferscheine, Auftragsbestätigungen, Fotos, Videoaufnahmen und Anruflisten aus. Kliemann sei demnach in „wichtige Entscheidungen und Details zu Produktion, Lieferung und Verkauf der Betrugsware persönlich eingebunden“ gewesen. Demnach soll er die Produktion in Asien persönlich in die Wege geleitet haben, wie WhatsApp-Nachrichten verdeutlichen. Darunter auch eine Nachricht des Textilherstellers, der laut Recherchen ausschließlich in Asien produziert: „In Bangladesch kann ich ab sofort 1.000.000 pro Woche bekommen, falls der Bedarf steigt. Hier könnte die Story Armen zu helfen am besten passen“, heißt es. Kliemann willigt daraufhin ein, wie das ZDF Magazin Royale berichtet.

Kliemann reagierte auf Böhmermanns Anschuldigungen in einem eigenen Video, in dem er einen Fragenkatalog des Recherche-Teams veröffentlichte. Die Anfrage der Journalist:innen des ZDF Magazin Royale selbst ließ er aber unbeantwortet.

In seinem Instagram-Video vom 1. Mai sagt der Influencer, bis zu seiner 20-prozentigen Unternehmensbeteiligung im Jahr 2021 mit seinem Online-Shop Oderso ausschließlich „Kunde” von Global Tactics gewesen zu sein. Geschäftsführer Illbruck bestätigt das laut des Rechercheteams in seiner Stellungnahme.

„Einen Gewinn in Millionenhöhe geplant“

Illbruck räumt ein, Masken „über einen deutschen Handelspartner“ auch in Bangladesch produziert zu haben. Angesprochen auf die Produktionsbedingungen in Bangladesch verweist er laut Böhmermann auf gängige Branchen-Siegel: „Der deutsche Lieferant hat uns eine BSCI und Oekotex Zertifizierung seiner Fertigungsstätten dargelegt […].”

Das ZDF Magazin Royale sagt, es habe mit einem Verantwortlichen aus einer der Fabriken in Bangladesch gesprochen, in der Global Tactics Masken produzieren ließ. Er erklärt, dass der durchschnittliche Monatslohn seiner Angestellten bei 130 Dollar liege. Das liege zwar über dem Mindestlohn in Bangladesch, beträgt aber nur etwa die Hälfte des Existenzminimums.

Zum angeblichen Selbstkostenpreis der Masken schreibt das Team um Böhmermann: „Recherchen des ZDF Magazin Royale legen nun nahe, dass Illbruck und Kliemann mit den Masken einen Gewinn in Millionenhöhe geplant hatten. Wie hoch dieser Gewinn tatsächlich ist, wollten weder Kliemann noch Illbruck auf Anfrage beantworten.“ Illbruck gab jedoch an, 3.3 Millionen Masken verkauft und damit 2020 einen Umsatz von 2.8 Millionen Euro erwirtschaftet zu haben.

Kliemann: „Ich habe übertrieben“

Nach Ausstrahlung der Sendung am Freitag äußerte sich Kliemann erneut. In einem öffentlichen Statement entschuldigt sich der Youtube-Star „bei allen Personen, Organisationen, Institutionen entschuldigen, die nun ‚auf den ersten Blick‘ enttäuscht und geschockt sind.“ Auch in einem Interview mit dem Spiegel bezog Kliemann Stellung: „Die Produktion aus Bangladesch war nur für Großkunden gedacht. Ich wusste zwar darüber Bescheid, diese Masken wurden aber nie über meine Webseite verkauft oder von mir nach außen kommuniziert“, sagt er. Der Unternehmer gibt zu, an den Masken verdient zu haben. Etwa 415.000 Euro Gewinn vor Steuern habe er gemacht. Die Aussage, nichts an diese Geschäft zu verdienen, sei „falsch“ gewesen. „Ich habe übertrieben und das muss ich mir in Zukunft abgewöhnen“, so Kliemann.

Utopia rät: Die globale Textilindustrie stützt sich hauptsächlich immer noch auf Bangladesch und andere asiatische Länder, in denen Menschen oft unter schlechten Arbeitsbedingungen und im Akkord Kleidungsstücke anfertigen müssen. Zwar gibt es Initiativen und Programme, dies zu ändern, allerdings ist das Risiko hoch, dass westliche Firmen mit ihren Geschäften dort die vorherrschenden Zustände bei fehlenden Kontrollen unterstützen. Einige profitieren davon auch ganz bewusst. Während die Politik mit Gesetzen zu vollständig fairen und nachhaltigen Lieferketten nachziehen muss, kannst du bereits einen Beitrag leisten, indem du deinen Konsum von Fast Fashion deutlich oder gänzlich reduzierst. Einen Überblick zu nachhaltiger Mode gibt es hier: Fair Fashion: Die wichtigsten Marken, die besten Shops für faire Mode

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