Utopia Image

Meta-Studie: Was Depressionen mit Musikalität zu tun haben

depressionen musik
Fotos: CC0 / Unsplash / Ben Collins; CC0 / Unsplash / Nik Shuliahin

Eine Studie zeigt, dass musikalische Menschen eher depressiv werden können. Allerdings ist der Kausalzusammenhang offenbar in den Genen verankert. Warum, erklären die Studienautorinnen.

Eine internationale Studie unter Beteiligung des Max-Planck-Instituts für empirische Ästhetik (MPIEA) hat gezeigt, dass Menschen, die musizieren, öfter an bestimmten psychischen Erkrankungen leiden. Das scheint sich mit bereits bekannten Ergebnissen zu widersprechen, die zeigen, dass Musik positive Auswirkungen auf die mentale Gesundheit haben kann. Die Studie erklärt jedoch die scheinbare Unstimmigkeit: Es handelt sich dabei nicht um einen Kausalzusammenhang. Menschen bekommen also keine psychischen Probleme, weil sie musizieren; noch musizieren sie, weil sie psychisch belastet sind.

Vielmehr sind beide Effekte – sowohl der Hang zur Musik, als auch das Auftreten bestimmter psychischer Belastungen – teils von denselben genetischen Faktoren abhängig. Deshalb kann in derselben Person beides oft gemeinsam auftreten. In einer Pressemitteilung des MPIEA erklären die Forschenden, dass häufiger psychische Erkrankungen bei den Menschen zu finden seien, die besonders intensiv Gebrauch von ihrem musikalischen Talent machten.

Zwillingsstudien und Molekulargenetik

Der Zusammenhang zwischen mentaler Gesundheit und musikalischer Veranlagung besteht bereits seit Längerem. In einer 2019 in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ veröffentlichten Studie wurde mit Zwillingspaaren getestet, um auch familiäre Einflüsse wie die Erziehung zu berücksichtigen. Zwillingsforschung ist eine beliebte Methode in der Wissenschaft, um genetische Einflüsse von äußeren Einflüssen zu unterscheiden. Das Ergebnis: Der Zusammenhang, dass musikalische Menschen eher eine Depression aufweisen, sei nachweisbar – jedoch nicht kausal. Vielmehr, so Erstautorin Laura Wesseldijk, sei er wahrscheinlich „gemeinsamen genetischen Faktoren als auch Einflüssen des familiären Umfelds zuzuschreiben.“

Diese Vermutung haben Forschende später auch mit molekulargenetischen Methoden bestätigt: Genetische Varianten, die auf psychische Probleme einwirken, überschneiden sich zum Teil mit solchen, die musikalisches Talent beeinflussen. Dieses Ergebnis wurde jüngst in der Fachzeitschrift „Translational Psychiatry“ veröffentlicht.

Ob man ein Instrument spielt oder nicht, ist dabei irrelevant

So konnte auch gezeigt werden: Menschen mit höherem Risiko für Depressionen und bipolarer Störung waren im Durchschnitt musikalisch aktiver. Sie übten beispielsweise mehr und waren künstlerisch auf einem höheren Level – und das unabhängig davon, ob sie eine Depression tatsächlich ausgebildet haben oder nicht. Andersherum gilt auch: Teilnehmer:innen mit genetischer Veranlagung zur Musikalität hatten ein höheres Risiko zu erkranken – unabhängig davon, ob sie tatsächlich ein Instrument spielten oder nicht.

Mithilfe der neuen DNA-Tests konnten die Wissenschaftler:innen auch zeigen, dass der Effekt auch bei anderen kreativen Talenten auftritt, beispielsweise bei Malerei oder Fotografie. „Am
stärksten ist der Effekt allerdings bei Menschen mit Talent fürs Schreiben zu sehen“, sagt Miriam Mosing, Seniorautorin der Studie, gegenüber der SZ.

Umwelteinflüsse nicht vernachlässigen

Die Expertinnen betonen jedoch: Der Einfluss der Gene auf Depressionen ist begrenzt. Einschneidende Lebensereignisse, wie etwa der Tod eines geliebten Menschens, würden das Risiko drastisch erhöhen. Eine höhere Veranlagung zu psychischen Problemen heiße jedoch nicht, so Wesseldijk, „dass eine Person auch tatsächlich erkrankt“.

Warum es trotzdem empfehlenswert ist, zu musizieren

Studienautorin Mosing betont: „Der Zusammenhang zwischen Musizieren und psychischer Gesundheit insgesamt ist daher sehr komplex.“ Und er bedeute den Expertinnen zufolge auf keinen Fall, dass man aufhören solle, Musik zu machen. „Musizieren hat nachweislich positive Effekte“, betont beispielsweise die Leiterin des Freiburger Instituts für Musikermedizin, Claudia Spahn, gegenüber der SZ. Es schaffe ein Gemeinschaftsgefühl, höhere Selbstwirksamkeit und könne sogar Demenz vorbeugen. „Gerade nach den Corona-Jahren, in denen viele Angebote zum Musizieren gelitten haben, ist allerdings der Blick auf Musik als Ressource wichtiger denn je.“

Bitte lies unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen.

** mit ** markierte oder orange unterstrichene Links zu Bezugsquellen sind teilweise Partner-Links: Wenn ihr hier kauft, unterstützt ihr aktiv Utopia.de, denn wir erhalten dann einen kleinen Teil vom Verkaufserlös. Mehr Infos.

Gefällt dir dieser Beitrag?

Vielen Dank für deine Stimme!

Verwandte Themen: