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„Möchte etwas loswerden“: Zugbegleiter kritisiert Auswüchse des 9-Euro-Tickets

Twitter-Thread: Eskalierende Bahn-Passagiere machen „den Job sehr schwer“
Foto: CC0 Public Domain / Pixabay - benfuenfundachtzig

Beschimpft, angeschrien, bespuckt – ein Kundenbetreuer erzählt in einem Twitter-Thread von schwierigen Situationen in Zügen seit der Einführung des 9-Euro-Tickets. Dabei könnten einige von ihnen bereits im Vorfeld verhindert werden.

Der erste Monat, in dem das 9-Euro-Ticket gibt, ist fast vorbei. Züge waren im Juni teils überlastet und Passagiere oftmals genervt. Bereits im Vorfeld hatte das DB Sicherheitspersonal vor Konflikten zwischen Reisenden und dem Zugpersonal durch die hohe Auslastung der Züge gewarnt. Gerd Galdirs, Betriebsratschef bei der DB Sicherheit, erklärte: „Es könnte ein erhöhtes Sicherheitsrisiko werden, wenn erhöhtes Reisendenaufkommen auf Probleme bei Ressourcen trifft.“ Seiner Meinung nach brauche es mehr professionelles Sicherheitspersonal bei kürzeren Zügen, Ausfällen, fehlenden Toiletten, Hitze, Gewitter und „Menschen mit einer sehr kurzen Zündschnur.“ Die kurze Zündschnur der Passagiere scheint es häufiger zu geben. Ein, nach eigenen Angaben, Kundenbetreuer der Bahn schilderte auf Twitter unangenehme Situationen mit Fahrgästen.

Der User mit dem Namen Payableondeath „möchte mal etwas loswerden“, denn seit der Einführung des 9-Euro-Tickets gebe es Menschen, die ihm und seinen Kolleg:innen „den Job sehr schwer machen.“

Twitter-Thread zu eskalierenden Bahn-Fahrer:innen

Payableondeath berichtete von Personen, die „entweder gar keine Maske aufhaben, sie immer wieder absetzen oder sich einen Spaß daraus machen uns zu ärgern.“ Er erinnerte an die Pflicht des Tragens einer Mund-Nasen-Bedeckung, die seit „fast drei Jahren“ gelte. „Und da gibt es auch keine Auslegungssache. Es ist Pflicht und gut.“

Des Weiteren gebe es Menschen, die sich mit dem 9-Euro-Ticket in die erste Klasse setzen würden – die Fahrkarte ist aber ausschließlich für die zweite Klasse gültig. Zwar könne er als Kundenbetreuer regeln, ob er die erste Klasse frei gibt und für wen, doch „bevorzugt hier sind ältere Personen oder Schwangere etc.“, erklärte Payableondeath.

Für Ärgernis sorgen in seinen Augen auch Fahrradfahrer:innen – „Es sind nicht alle, aber einige“. Beim 9-Euro-Ticket ist die Mitnahme von Fahrrädern nicht garantiert. „Es sind Personenzüge“, so der Twitter-User. Wenn Fahrradfahrer:innen aufgrund voller Züge nicht mehr mitfahren können, würden manche dennoch versuchen, in den Zug zu gelangen, dem Bahn-Personal die Ausbildung und die Fähigkeiten „absprechen“, Türen blockieren und aggressiv werden. Wenn Züge voll wären, gibt es laut Payableondeath „besondere Sicherheitsregeln“. In Fällen, in denen Panik ausbrechen kann und Menschen den Zug verlassen möchten, dürften Notausgänge nicht von Fahrrädern blockiert werden. „Sie blockieren die Ausgänge und ziehen die Ausstiegszeiten in die Länge und somit bekommen andere Fahrgäste ihre Anschlüsse nicht oder verletzen sich.“

Mitarbeiter:innen der Bahn werden nach Angaben von Payableondeath „angeschrien, beleidigt, bespuckt, geschlagen und getreten“. Solche Auseinandersetzungen nehmen laut dem User immer mehr zu. Daher bittet er um ein Entgegenkommen: „Ein bisschen Freundlichkeit ist nicht zu viel verlangt und eröffnet viele Möglichkeiten.“

Fahrradmitnahme, Auslastung und Sitzplatzreservierung: Das solltest du wissen

Wie genau ist die Regelung der Fahrradmitnahme in Regionalzügen, während der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets? Aufgrund der teils erhöhten Auslastung kann die Fahrradmitnahme nicht garantiert werden. Alternativ könnte es sich anbieten, am Zielort ein Rad zu mieten. Unter „zugportal.de/fahrrad“ gibt die Bahn Tipps rund um die Zugfahrt mit dem Rad – außerdem findest du dort eine Auflistung von Fahrradverleihstationen entlang vieler touristischer Bahnstrecken. Es gilt zu beachten, dass die Fahrradmitnahme beim 9-Euro-Ticket nicht inklusive ist. In einigen Verbünden können Fahrräder zu bestimmten Zeiten kostenlos mitgenommen werden, doch oft kosten sie extra. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise 4,80 Euro pro Tag.

Ob ein Zug von einer hohen Auslastung (mehr als 80 Prozent) betroffen ist, kannst du sowohl über die Reiseauskunft im Web-Browser sowie in der Navigator-App als auch in der App „DB Streckenagent“ abrufen. Anders als in Fernzügen sind in Regionalbahnen in der Regel keine Sitzplatzreservierungen möglich. Du musst also hoffen, einen freien Platz zu ergattern.

Weitere Tipps für eine stressfreie Reise mit dem 9-Euro-Ticket findest du hier.

Die Infrastruktur ist der Knackpunkt

Überfüllte Züge, Verspätungen oder gar Zugausfälle sind in erster Linie Folgen des Infrastrukturproblems der Deutschen Bahn. Grünen-Politiker Anton Hofreiter sagte vor einiger Zeit in einem Interview mit dem Spiegel, er halte das 9-Euro-Ticket für eine gute Idee, „weil es den Leuten den Nahverkehr schmackhaft macht“. Dennoch treffe diese Aktion auf ein System am Anschlag. Seit über 70 Jahren sei die Bahn nicht ausreichend finanziert, so der Politiker. Zwar fördert die Bundesregierung mit dem 9-Euro-Ticket den ÖPNV, dennoch sollten die öffentlichen Verkehrsmittel auch darüber hinaus gefördert werden. Davon sollte dann insbesondere der Ausbau der Infrastruktur profitieren, damit Erzählungen wie die des Kundenbetreuers nicht zum Dauerzustand werden und das Bus- und Bahnfahren für jede:n attraktiv wird.

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