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„Müssen aufhören, die Klimakrise als ein Umweltthema zu betrachten“

Der Klimaforscher Johan Rockström
Foto: Karkow / PIK

Sind die Kipppunkte der Erde einmal erreicht, drohen der Menschheit unaufhaltsame Veränderungen. Der Klimaforscher Johan Rockström warnt eindringlich davor – und verlangt „harte politische Entscheidungen“.

Der Schwede Johan Rockström ist einer von zwei Direktoren des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Resilienz- und Klimaforscher klärt unter anderem in der Netflix-Dokumentation „Breaking Boundaries“ über die planetaren Grenzen auf – jene ökologischen Schwellen der Erde, deren Überschreitung die Stabilität der Ökosysteme und somit die Lebensgrundlagen der Menschheit gefährdet. In einem Interview mit der Zeit stellt sich der 56-Jährige der Frage, warum es der Wissenschaft trotz belastender Daten zur Klimakrise nur sehr schwer gelingt, viele Menschen zu erreichen.

Für Rockström liege es mitunter daran, dass Wissenschaftler:innen keine „Kommunikationsexperten“ seien, wie er sagt. Eine weitere Verantwortung sehe er bei den Medien, auch Journalist:innen tragen dem Wissenschaftler zufolge einen Teil der Verantwortung und hätten in der Vergangenheit nur „sporadisch“ über den Klimawandel und seine Folgen berichtet.

Klimakrise: „Wie sie die Wirtschaft beeinflusst, die Jobs, die Sicherheit, die Migration“

„Außerdem wird der Klimawandel häufig als ein Umweltproblem beschrieben, das mit anderen Problemen in der Gesellschaft, wie sozialen und wirtschaftlichen Fragen, konkurriert.“ Außerdem würde verkannt, dass ohne ein stabiles Klima „alles, von der Gesundheit über die Ernährung bis hin zur Sicherheit, schiefläuft“, so Rockström. Er sagt: „Wir müssen aufhören, die Klimakrise als ein Umweltthema zu betrachten, und stattdessen darüber reden, wie sie die Wirtschaft beeinflusst, die Jobs, die Sicherheit, die Migration – eben alles, was in der Gesellschaft wichtig ist. Und dafür gibt es ja immer mehr Beweise.“

Erst kürzlich veröffentlichte Rockström gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Joachim Schellnhuber einen Aufruf, es müsse mehr zu den schlimmstmöglichen Folgen der Erderwärmung geforscht werden. Der Grund: So würde ein umsichtigeres Risikomanagement möglich.

Unkontrollierbare selbstverstärkende Prozesse

Gleichzeitig betont der Forscher im Zeit-Interview, dass es systemische Veränderungen angesichts bestimmter Kipppunkte des Klimasystems bedarf. Sind diese erst einmal erreicht, kommt es zu starken und teils unaufhaltsamen und unumkehrbaren Veränderungen, wie das PIK schreibt. Die Folge laut den Forscher:innen: Unkontrollierbare selbstverstärkende Prozesse, wie etwa ein anhaltender Anstieg des Meeresspiegels oder der Totalverlust wichtiger Ökosysteme sowie verstärkte Extremwetter.

„Auch wenn jeder etwas beitragen kann, sollten wir nicht die Einzelnen verteufeln und auch keine Opfersprache benutzen nach dem Motto: Das Problem löst man nur durch Verzicht – Schluss mit Fliegen, Fleischessen und, und, und“, erklärt Rockström der Zeit. Auf diese Weise würde nur ein kleiner Teil der Menschen abgeholt werden, die Klimawende voranzutreiben.

„Weil dann die Klimawende wie ein Rückschritt wirkt.“ Stattdessen plädiert der Wissenschaftler für „harte politische Entscheidungen“. Als Beispiel nennt er Norwegen. Dort sind ab 2025 neue Verbrennungsmotoren verboten – sowohl für einkommensstarke als auch einkommensschwache Personen. Sehr reiche Menschen würden nämlich, so Rockström, trotz Regelungen wie einer CO2-Bepreisung von 200 oder 300 Euro pro Tonne weiter einen klimaschädlichen Lebensstil pflegen.

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