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Gefühle ändern: Wie das geht, erklärt eine Neurowissenschaftlerin

Gefühle
Foto: CC0 Public Domain / unpslash - Priscilla Du Preez

Wie ein Mensch handelt oder fühlt, versucht das Gehirn bereits im Voraus zu erkunden. Auch welche Gefühle ein Mensch hat, geht vom Gehirn aus. Eine Neurowissenschaftlerin erklärt, wie Menschen Gefühle verstehen und ändern können.

Die Neurowissenschaftlerin und Psychologin Lisa Feldmann Barrett erklärt in einem Interview mit der Welt, wie Menschen ihre Emotionen kontrollieren und beeinflussen können. Sie ist Professorin für Psychologie an der Northeastern University in Boston und arbeitet an der Harvard Medical School.

Um zu verstehen, wie es Menschen gelingt, ihre Gefühle zu verändern, erklärt Feldmann Barrett zunächst, wie die Prozesse im Gehirn funktionieren und wie Emotionen überhaupt entstehen. Demnach setzt das Gehirn aus vergangenen Erfahrungen, die „sich in irgendeiner Weise ähneln“, Kategorien zusammen. Dadurch kann das Gehirn bessere Vorhersagen treffen, was ein Mensch im nächsten Moment erleben wird, erklärt die Professorin.

So funktioniert das Gehirn

Als Beispiel nennt die Psychologin einen Knall. Hört ein Mensch dieses Geräusch, rekonstruiert das Gehirn ihr zufolge Erfahrungen aus der Vergangenheit und könnte infolge dessen etwa auf einen Donnergroll schließen. Als Reaktion darauf mag das Gehirn den Menschen dazu veranlassen, zu einem Regenschirm zu greifen. In einem anderen Beispiel erklärt Feldmann Barrett, wie so ein Prozess im Inneren des Körpers ablaufen könnte: Fühlt ein Mensch eine Enge in der Brust, wird das Gehirn „versuchen, die Ursache zu erraten“, um den Menschen am Leben zu halten, so die Psychologin.

Demnach projiziert sich das Gehirn in die Zukunft und versucht, Bedürfnisse zu erfüllen, bevor sie entstehen. Somit entwickelt das Gehirn eine Erwartung, was der Mensch im nächsten Moment fühlen oder schmecken werde, sagt die Expertin.

„Gehirne sind so strukturiert, dass sie vorhersagen und korrigieren, nicht stimuliert werden und dann reagieren“, weiß Feldmann Barrett. So könne das Gehirn Unsicherheiten verringern. Außerdem sei es für den Stoffwechsel effizienter, bei Bedarf Vorhersagen zu korrigieren, als nur zu reagieren, erklärt die Psychologin. Wenn es das nicht täte, müsste das Gehirn im Fall eines lauten Knalles „konkurrierende Kategorien auf einmal konstruieren, viele Aktionspläne erstellen, von denen jeder eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat, am besten zu passen, und das kostet Energie“, so die Psychologin. Außerdem würde solch ein Prozess dauern.

Emotionen im Gehirn – diese Aufgabe haben sie

Emotionen ermöglichen es, die Abläufe im Gehirn einzuordnen. Das Gehirn verarbeitet Feldmann Barrett zufolge verschiedene Signale des Körpers und gibt eine Art „Zusammenfassung“ dessen als dumpfes Gefühl weiter. Auf diese Weise nehmen Menschen in der Regel nicht bewusst wahr, wie ihre einzelnen Organe arbeiten; aber Gefühle wie Unbehagen oder Aufgeregtheit lassen Rückschlüsse auf den Zustand des Körpers zu.

Außerdem verdrahtet das Gehirn Signale aus der Welt, dem eigenen Körper sowie aus der Vergangenheit und entwickelt eine passende Kategorie. Als Beispiel nennt die Psychologin ein Aufeinandertreffen mit einer Person in einer Bar, die man eventuell als Dummkopf erlebt, wenn man sich unwohl fühlt. Das Gehirn würde dann „eine Geschichte für diese sensorischen Signale“ erfinden, „indem es Kategorien konstruiert“. Ein anderes Bild könnte man von der Person bekommen, wenn das Gehirn die Person in eine andere Kategorie setzt und man andere Emotionen entwickelt, zum Beispiel Angst.

Gefühle ändern

Gefühle lassen sich laut der Psychologin aber verändern. Dazu können sich Menschen die Kategorien des Gehirns zur Hilfe nehmen. Wer beispielsweise unter Prüfungsangst leidet, könne das Herzrasen neu kategorisieren, erklärt Feldmann Barrett. Somit mag es Personen gelingen, ein Herzrasen als „Aufregung und ein Gefühl der Entschlossenheit“ wahrzunehmen – anstatt Angst zu empfinden.

Um Gefühle auf diese Weise umzulenken, müssen Kategorien abrufbar sein. Das müsse man für neue und bestehende Kategorien trainieren. Das Gehirn könne sich so flexibler und genauer auf eine Situation ausrichten. Feldmann Barrett sagt, sie selbst übe sich seit einiger Zeit in Ehrfurcht – indem sie sich regelmäßig Zeit nehme, Dinge zu bewundern, die größer sind als sie selbst.

„Wenn ich nur eine Spezies im riesigen Universum bin, dann können meine Probleme nicht allzu groß sein, und diese Perspektive gibt meinem Nervensystem eine vorübergehende Pause vom Stress des Lebens“, erklärt die Psychologin ihre Strategie.

Verwendete Quelle: Welt

Hinweis: Der Artikel erschien erstmals 2023.

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