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#OlafSchummelt: Umweltschützer:innen warnen vor ausstehender Entscheidung von Bundeskanzler Scholz

Olaf Scholz
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa Pool/dpa

Demnächst wird die EU-Kommission ihren Vorschlag für die sogenannte Taxonomie verabschieden. Es geht dabei um die Frage, was in Europa künftig als grüne Investition gilt. Dabei könnte sogar Gas als „nachhaltig“ deklariert werden. Auf Twitter machen Nutzer:innen dagegen nun mobil.

Olaf Scholz ist noch nicht lange im Amt, schon stehen wichtige Entscheidungen in Sachen Klimaschutz an. Noch dieses Jahr (spätestens aber im Januar) soll darüber entschieden werden, was als nachhaltige Investition gilt.

Hierfür entwirft die EU gerade eine sogenannte Taxonomie. Diese soll festlegen, unter welchen Voraussetzungen Investitionen den Anforderungen aus dem Pariser Klimaabkommen sowie den Umweltzielen der Europäischen Union gerecht werden. Die Taxonomie soll künftig als Grundlage dienen, um grüne Finanzprodukte zu bewerten. Unternehmen könnten sie nutzen, um über die eigene Nachhaltigkeit zu berichten. Gilt zum Beispiel Atomkraft oder Erdgas als nachhaltige Energie, dann ist es möglich, dass grüne Fonds diese im Portfolio enthalten. Investitionen in die Bereiche Atomkraft und Gas könnten von Banken als „nachhaltige Investitionen“ bezeichnet und beworben werden.

Atomkraft und Gas sind grüne Energien? Nein, denn bei der Förderung von Erdgas wird Methan freigesetzt und bei der Nutzung von Gas und Atomenergie entsteht CO2. Hinzu kommen ungeklärte Fragen der Lagerung von Atommüll sowie Sicherheitsprobleme bei Atomkraftwerken. Beide Energieformen sind kaum grün und kommen nicht für „nachhaltige Investitionen“ in Frage.

#olafschummelt: Umweltschützer:innen mahnen Kanzler zur Einhaltung der Klimaziele

Dies Jahr kündigte die bisherige Verfechterin des „Green Deal“ – Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen – an, Gas und Atomkraft als Formen für „nachhaltige Energie“ in die überarbeitete Taxonomie aufnehmen zu wollen.

Bundeskanzler Olaf Scholz ist in der Angelegenheit bislang still. Es gibt noch keine Aussage zur EU-Taxonomie: weder Zustimmung noch Ablehnung. In den sozialen Netzwerken, vor allem Twitter, häufen sich jedoch Kommentare zu Scholz‘ Schweigen. Dem Bundeskanzler wird unterstellt, Greenwashing zu betreiben, indem er Atomkraft und Gas voraussichtlich als nachhaltig und zukunftsträchtig einschätzt (mit allen daraus resultierenden Vorteilen und Finanzspritzen für diese Branchen).

Jetzt rufen Nutzer:innen auf Twitter dazu auf, die Entscheidung zu verhindern und machen ihrem Ärger über die Pläne Frau von der Leyens sowie über die erwartete Zustimmung des Bundeskanzlers Luft.

So schreibt ein User: „#olafschummelt zeigt ein Dilemma: Atomkraft und Erdgas sind deswegen momentan nicht vom europäischen Markt zu denken, weil sie Jahrzehnte wider besseren Wissens unter Lobbyeinflüssen massiv gefördert wurden. Jetzt haben wir den Salat – und fossile Lobby lässt die Korken knallen.“

Fridays for Future sieht Olaf Scholz‘ Glaubwürdigkeit in Gefahr und tweetet: „Hey @OlafScholz, @W_Schmidt_@c_lindner, wenn ihr 1,5°C einhalten wollt, bringt es übrigens nichts, die neue EU-Taxonomie einfach durchzuwinken, mit der Atom und Gas als nachhaltig klassifiziert werden. Eine ganz schlechte Idee um Paris einzuhalten, just saying“

Katharina Beck, Finanzpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, schreibt auf Twitter von einem „krassen möglichen Fehler: Wenn #Atom u #Gas in der EU-#Taxonomie als „nachhaltig“ eingestuft würden, werden Milliarden € über Jahre in Fehl- und nicht in Zukunftsinvestitionen gelenkt. Das wäre schlimm und nicht bloß bissl „Schummelei“.“

Streit um die Einstufung von Atomkraft

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition ist festgehalten, dass Gas als Übergangslösung notwendig sein wird. Anders ließe sich eine Versorgungssicherheit in Deutschland mittelfristig nicht gewährleisten. Auf längere Sicht bleibt die Energiewende das gemeinsame Ziel und der wachsende Strombedarf soll künftig zu 100 Prozent durch erneuerbare Energien gedeckt werden.

Die Bewertung von Erdgas und Atomstrom ist dabei innerhalb der EU umstritten. Verschiedene Länder wollen, dass auch Kernenergie als „grüne Energie“ eingestuft wird, darunter Frankreich. Dies käme den aktuellen Bestrebungen Frankreichs sehr entgegen, denn Präsident Macron plant aktuell den Ausbau der Kernenergie in Frankreich. Der Wunsch: Neue Atomkraftwerke sollen (in Frankreich) gebaut und die EU-Finanzierung dafür erleichtert werden.

Atomkraftwerke erzeugen relativ günstigen Strom – doch sie bergen auch viele Nachteile und Risiken.
Atomkraftwerke erzeugen relativ günstigen Strom – doch sie bergen auch viele Nachteile und Risiken. (Foto: CC0 / Pixabay / distelAPPArath)

Noch keine Entscheidung zur Taxonomie

Bislang ist die Taxonomie nicht verabschiedet, doch bereits bis Ende 2021 (oder spätestens im Januar 2022) soll dies erfolgen. Es bleiben also nur noch wenige Tage. Wie hinsichtlich „nachhaltiger Investitionen“ – also der Einstufung als „grüne Branchen“ oder „grüne Energie“ – entschieden wird, hat weitreichende Folgen. Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland, meint:

„Die Folgen einer unglaubwürdigen und nicht wissenschaftsbasierten Taxonomie wären verheerend. (…) EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gefährdet ihren eigenen Green Deal – zusammen mit den EU-Klimazielen und der Führungsrolle der EU bei nachhaltigen Finanzen. Sie ist kurz davor, ein glaubwürdiges Instrument zur Finanzierung der Transformation für politische Interessen zu opfern.“

Matthias Kopp (Leiter Sustainable Finance, WWF Deutschland)

Utopia meint: Erdgas und Atomkraft können maximal Zwischenlösungen auf dem Weg zu wirklich nachhaltiger Energie sein. Das sollte auch im Rahmen der Klimaziele des Pariser Klimaabkommens sowie der Europäischen Union klar geworden sein. Kernkraft und Gas als grün zu bezeichnen und die Tore für sogenannte „nachhaltige Investments“ in diese Branchen zu öffnen, wäre ein fataler Rückschritt. Wer so entscheidet, verkennt den Ernst der Lage und ist nicht glaubwürdig, wenn es um Klimaschutz geht.

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