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Müssen sich junge Erwachsene für ihre Eltern verantwortlich fühlen?

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Foto: CC0 / Unsplash / Gyan Shahane; CC0 / Unsplash / Gus Moretta

Wenn junge Leute unabhängig werden und zuhause ausziehen, vertauschen sich mitunter die Rollen: Sie fangen an, sich für das Wohlergehen ihrer Eltern verantwortlich zu fühlen. Die Psychologin Elisabeth Raffauf erklärt, wie man dabei Grenzen ziehen kann – und warum man es tun sollte.

Wenn Kinder erwachsen und selbstständiger werden, fangen sie an auch die Gefühle und Bedürfnisse der Eltern stärker wahrzunehmen. Sie bekommen beispielsweise ein schlechtes Gewissen, weil sie sich nicht genug bei den Eltern melden oder zu Besuch kommen. Eltern könnten sich zurückgelassen fühlen, enttäuscht zeigen und Vorwürfe äußern. Das kann so weit gehen, dass junge Erwachsene irgendwann eine große Verantwortung für das Wohlbefinden der Eltern empfinden.

Die Psychologin Elisabeth Raffauf erklärt im Interview mit der ZEIT, dass Kinder jedoch nicht für das Glück ihrer Eltern verantwortlich sind: „Junge Erwachsene sind in erster Linie für sich selbst zuständig und dass sie ihr eigenes Leben aufbauen.“ Im Umgang mit den Eltern sei es dann wichtig, zwar empathisch zu bleiben, aber gleichzeitig eigene Grenzen aufzuzeigen.

Bei den Eltern Kraft tanken „und dann wieder los“

Wenn die Kinder ausziehen und sich immer stärker abnabeln, ist es nicht ungewöhnlich, dass Eltern diesen Prozess auch mit einer gewissen Traurigkeit verfolgen. Laut Raffauf können Eltern diese Trauer natürlich auch zulassen und den Kindern gegenüber zum Ausdruck bringen. Sie sollten sie jedoch nicht bei den Kindern abladen. Denn junge Erwachsene können ihre Eltern aus einer solchen Situation nicht retten. Statt hilfreich sei, dies mit anderen Personen, zum Beispiel Freund:innen oder auch Therapeut:innen so besprechen, so Raffauf.

Für junge Erwachsene sei ein guter Kontakt zu den Eltern zwar wichtig, er steht jedoch nun nicht mehr im Mittelpunkt: „Es ist wichtig, dass junge Erwachsene das Gefühl haben, dass sie gut gehen und auch gut wiederkommen können und sich die Eltern mitfreuen, wenn sie ihren Weg gehen.“ Eltern würden nun mehr als eine Art „Back-up“ fungieren, bei dem Kinder in herausfordernden Lebensphasen Kraft tanken und „dann wieder los“ können.

Zeigen sich Eltern offen enttäuscht, äußern Vorwürfe und machen ihre Kinder damit für ihre Traurigkeit verantwortlich, sei es für junge Erwachsene durchaus möglich, gleichzeitig empathisch zu bleiben, aber auch auf die eigenen Grenzen hinzuweisen. So können sie verständnisvoll erklären, dass sie nun ihren eigenen Lebensweg gehen möchten, diese Abnabelung jedoch nicht gegen die Eltern gerichtet ist.

Eltern-Kind-Beziehung gemeinsam neu gestalten

Dabei kann der Abnabelungsprozess sowohl für Kinder als auch für Eltern eine große Herausforderung sein. Elisabeth Raffauf weist darauf hin, dass beide Parteien diesen Prozess auch gemeinsam gestalten können.

So empfinden es junge Erwachsene teilweise auch als Problem, dass sie immer wieder in die Rolle des Kindes schlüpfen, sobald sie nach Hause kommen. Doch auch dies sei durch die neu erlangte Selbstständigkeit und Abgrenzung überwindbar: indem sie ihre Eltern zum Beispiel häufiger fragen, wie es ihnen geht oder was sie gerade bewegt. So können junge Erwachsene laut Raffauf zeigen, dass sie sich um die Eltern sorgen und an sie denkt – ohne jedoch gleich die komplette Verantwortung für das Glück der Eltern zu übernehmen.

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