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Aldi, Lidl und Co. pokern um Preise, Verbraucher:innen verlieren

Preispoker bei Aldi, Lidl und Co.: Verbraucher:innen werden verlieren
Foto: Utopia/ VR

Der wöchentliche Einkauf macht gerade wenig Spaß, dafür sorgen hohe Lebensmittelpreise. Wer hat Schuld? Einem Medienbericht zufolge beschuldigen sich Handel und Lieferanten gegenseitig der Bereicherung. Egal, wer Recht hat: Verbraucher:innen werden das Nachsehen haben.

In Supermärkten in ganz Deutschland sind verschiedene Produkte vor kurzem teurer geworden. Dazu trägt der Angriffskrieg in der Ukraine bei. Doch bereichern sich Hersteller oder Händler während der Krise? Beide Parteien schieben sich aktuell die Schuld an höheren Preisen gegenseitig zu. Eine Recherche des Spiegel legt die Methoden offen, mit denen sie um Lebensmittelpreise feilschen.

Produzenten: „Wer sich nicht wehrt, existiert bald nicht mehr“

Die aktuelle Situation ist gerade für mittelständische Lebensmittelhersteller nicht leicht. Steigende Energiekosten und rare Futtermittel sind nur zwei von vielen Faktoren, die die Produktionskosten in die Höhe treiben. Der Einkaufspreis für Eier und Öle habe sich zum Beispiel verdoppelt, auch Zucker und Mehl sind deutlich teurer geworden. „Das können wir mit nichts abfedern“, klagt Backwaren-Produzent Hans-Günter Trockels gegenüber dem Spiegel. Er hatte deshalb 30 Prozent höhere Preise gefordert. Weil der Handel auf seine Forderung nicht eingegangen war, lieferte er viele seiner 500 Produkte nicht mehr aus. „Wer sich nicht wehrt, existiert bald nicht mehr“, warnt der Lebensmittelproduzent.

Glaubt man den Herstellern, bestehen Händler wie Rewe, Edeka, Aldi und Co. gegenüber Lieferanten weiter auf Niedrigstkonditionen. Die Preise, die Kund:innen an der Supermarktkasse zahlen, sind trotzdem höher als bisher. „Die machen sich die Taschen voll“, folgert der Manager eines Produzenten laut Medienbericht.

Sanktionen der Händler: 5.000 Euro pro LKW

Wie erbittert der Preiskampf geführt wird, zeigen interne Unterlagen, die dem Spiegel vorliegen. Zwar führt ein Mangel an LKW-Fahrern und Rohstoffen gerade häufig zu Verzögerungen. Doch tritt das ein, können gerade mittelständischen Herstellern und Importeuren heftige Strafzahlungen drohen.

  • Bei Rewe fallen zum Beispiel Strafen von 5 Prozent des Warenwerts an, wenn nicht „mindestens 98 Prozent der in einer Kalenderwoche an ein Rewe-Unternehmen zu liefernden Paletteneinheiten“ auf den Tag genau geliefert werden. Edeka ist ähnlich streng.
  • Aldi fordert 250 Euro Strafe bei zu wenig (unter 98,5 Prozent) und verspätetet Ware im Kühlbereich.
  • Lidl soll Insiderberichten zufolge ein stundengenaues Zeitfenster für Anlieferung am Lager festsetzen. Wird das nicht eingehalten, drohen 5.000 Euro Strafe je verspätetem LKW. Der Insider vermutet, dass so eine dreistellige Millionensumme zurück an die Handelsketten fließt.

Händler wie Edeka entgegnen, Vertragsstrafen spielten „faktisch keine Rolle mehr, weil sich die Industriekonzerne sowieso nicht daran halten“ und schieben Lieferprobleme Herstellern in die Schuhe, welche ihre eigenen Lager- und Transportkapazitäten abgeschafft hätten „zur Erzielung traumhafter Renditen“. Aldi will „in berechtigten Fällen“ Lieferverzögerungen akzeptieren. Lidl ließ die Anfrage des Spiegel zu Vertragsstrafen unbeantwortet.

Handel beklagt „Erpressung“ durch Lieferstopps

Profitieren Händler wirklich von der Krise? Es gibt einige Gründe, die dagegen sprechen. Zwar gibt es in Deutschland nur vier führende Lebensmittelhändler, die eine entsprechende Marktmacht aufweisen –nämlich Edeka (mit Netto), Rewe (mit Penny und Nahkauf), Aldi und Schwarz (Lidl und Kaufland). Allerdings haben Händler in diesem Jahr Verluste hinnehmen müssen. Rewe verdiente sechs Prozent weniger Umsatz im ersten Quartal, Aldi ebenso. Bei den übrigen großen Händlern fielen die Verluste etwas geringer aus. „Die Leute halten das Geld zusammen, weil sie jeden Tag hören, dass alles teurer wird“, zitiert der Spiegel eine Handelskette. „Wir haben überhaupt kein Interesse an weiter steigenden Preisen.“

Viele Lebensmittel sind in den vergangenen Wochen teurer geworden, zum Beispiel Butter.
Viele Lebensmittel sind in den vergangenen Wochen teurer geworden, zum Beispiel Butter. (Foto: CC0/ Pixabay/ rodeopix)

Diese Dynamik fördere die Strenge gegenüber Lieferanten, deren Forderungen ein Manager eines Handelskonzerns als unberechtigt bezeichnet und als „Selbstbedienungsmentalität“. Man werde „erpresst“ mit Lieferstopps und viele Lieferanten hätten sich schlecht nicht ausreichend gegen die steigenden Kosten für Energie und Rohstoffe abgesichert, so der Vorwurf. Als Reaktion auf die Preissteigerungen hatte zum Beispiel Lionel Souque, Vorstandsvorsitzender der Rewe-Group, auf einen dreistelligen Millionenbetrag verzichtet, um Preissteigerungen auszubremsen.

Großkonzerne nutzen ihre Marktmacht

Unnachgiebigkeit auf Seiten der Händler führt allerdings dazu, dass mittelständische Lebensmittelproduzenten aus dem Geschäft gedrängt werden. Dies kann aber auf lange Sicht die Position der Händler selbst schwächen, welche dann zunehmend von großen Nahrungsmittelkonzernen abhängen. Und diese nutzen ihre Position offenbar schamlos aus.

Der Edeka-Verbund sei seit 2021 „von der Markenindustrie“ mit Preiserhöhungen von mehr als einer Milliarde Euro konfrontiert worden, erklärt er gegenüber Spiegel, und zwar zumeist ohne „echte Kostensteigerungen“ bei den Herstellern. Der Einkäufer eines anderen Händlers verweist auf einen amerikanischen Frühstücksflockenkonzern, der in Frankreich 8 Prozent Preissteigerung für ein Produkt verlangt habe, bei ihm aber 20 Prozent.Die füllen sich die Taschen, nicht wir“, folgert der Einkäufer.

Nicht nur kleine Unternehmen: Auch Verbraucher:innen sind Leidtragende im Preiskrieg

In Deutschland geben wir circa 15 Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel und Tabakprodukte aus, für Wohnen und Energie mehr als doppelt so viel. Im EU-weiten Vergleich ist das wenig. Doch Handelsexperten gehen davon aus, dass wir „langfristig mehr für Lebensmittel ausgeben“ müssen. Industrie, Supermärkte und Discounter zögen alle Register, um von der aktuellen Situation zu profitieren, erklärte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg laut Medienbericht. Und durch die Verdrängung mittelständiger Unternehmen können Großkonzerne Preise in Zukunft stärker zu ihren Gunsten beeinflussen.

Für Verbraucher:innen sieht die Zukunft also teuer aus. Das heißt aber nicht, dass wir in Zukunft nur noch das Billigste einkaufen dürfen. Nachhaltiger Konsum muss nämlich nicht viel kosten – Tipps zum Umwelt schonen und Geld sparen findest du hier:

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