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Rockström enttäuscht über Klimakonferenz – die Beschlüsse im Überblick

Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgen-Forschung
Foto: Christoph Soeder/dpa

Nach langem Ringen einigten sich die Verhandler:innen auf der Klimakonferenz auf eine Abschlusserklärung. Für den renommierten Klimaforscher Johan Rockström sei diese aber ungenügend. Er hat eine konkrete Vision für künftige Klimakonferenzen.

Die Wissenschaft muss nach Ansicht des renommierten Klimaforschers Johan Rockström im Ringen der Weltgemeinschaft gegen die Klimakrise mehr Gehör finden. „Die Wissenschaft hat eine viel zu schwache Stimme in den Verhandlungen der Klimakonferenzen“, sagte der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung nach dem Ende des zweiwöchigen Mammuttreffens im ägyptischen Scharm el Scheich der Deutschen Presse-Agentur. So sei vielen Diplomaten nicht klar, wann welche Klimafolgen in welchem Ausmaß zu erwarten seien. „Das ist verständlich, aber auch bedauerlich.“

Die Forschung der letzten Jahre habe gezeigt, dass Klimarisiken eher unterschätzt würden und der Klimawandel schneller voranschreite als befürchtet. „Stürme, Hitzewellen, Fluten und Dürren treten häufiger und intensiver auf als wir vorhergesagt haben“, sagte Rockström. Gefährliche Kipppunkte mit unumkehrbaren Folgen seien näher als zuvor angenommen.

Rockström: Entscheider:innen brauchen mehr Wissenschaft

Es sei daher sehr beunruhigend, dass einige Stimmen in den Verhandlungen die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Erkenntnisse infrage stellten. „Die Entscheider brauchen vermutlich eher mehr Wissenschaft am Verhandlungstisch, nicht weniger“, sagte Rockström. „Ich denke, dass wir den ganzen Prozess der Klimakonferenzen reformieren müssten, um gehaltvollere Ergebnisse in den Verhandlungen zu bekommen.“

Seine Vision: Die Verhandler:innen der Staaten sollten anders als bisher tägliche Briefings zum aktuellen Forschungsstand zu Klimarisiken, Kipppunkten und anderen wichtigen Feldern bekommen und vor diesem Hintergrund die Maßnahmen und Ziele ihrer Staaten verteidigen müssen. Außerdem müsse in den Arbeitsgruppen ein engerer Austausch zwischen Verhandlern und Wissenschaftler:innen stattfinden.

Klimagipfel in Ägypten – Ergebnis laut Rockström ungenügend

Dem Klimagipfel in Ägypten stellt der schwedische Forscher ein ungenügendes Zeugnis aus: „1,5 Grad ist auf dem Papier noch vorhanden“, sagt er mit Blick auf das international vereinbarte Ziel, die Erderwärmung bei dieser Grenze zu stoppen und damit die katastrophalsten Folgen abzuwenden. Auch die Notwendigkeit, dafür den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 45 Prozent zurückzufahren, sei erwähnt – „aber mit keinem konkreten Plan, dies auch zu erreichen“. Die Beschlüsse, in denen nicht einmal der Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen genannt werde, gingen nicht über die Ergebnisse der vergangenen Klimakonferenz in Glasgow hinaus, was längst nicht ausreichend sei.

„Bei dem, was auf dem Spiel steht, sind die Ergebnisse des Gipfels einfach nicht gut genug“, bilanziert der Forscher. Deutschland und die EU müssten nun versuchen mit den USA und China zusammenzuarbeiten, um Fortschritte zu erzielen. Mit so vielen Ländern wie möglich um Einigungen zu ringen, wie es auf den Klimakonferenzen geschehe, sei zwar gut, aber eine Allianz der größten Verursacher von Treibhausgasen möglicherweise noch effizienter.

COP27: Was wurde auf der Weltklimakonferenz beschlossen?

Die zweiwöchige Klimakonferenz in Ägypten hat im Kampf gegen den drohenden Klimakollaps nur bei den Finanzhilfen für ärmere Staaten einen echten Fortschritt gebracht. Bei der dringend notwendigen Senkung klimaschädlicher Treibhausgase dagegen kamen die etwa 200 Staaten nicht voran – bekräftigt wurden in Scharm el Scheich nur alte Beschlüsse. Enttäuscht darüber äußerten sich am Sonntag nicht nur Umweltorganisationen, sondern auch die EU-Kommission und die Bundesregierung.

Erst nach fast 40 Stunden Verlängerung fiel frühmorgens der letzte Hammer auf dem Treffen mit etwa 34 000 Teilnehmern. Konkret beschlossen wurde:

Neuer Fonds für Klimaschäden

Nach jahrzehntelangen Debatten einigte sich die Klimakonferenz erstmals auf einen gemeinsamen Geldtopf zum Ausgleich von Klimaschäden in ärmeren Ländern. Der neue Ausgleichsfonds soll unabwendbare Folgen der Erderhitzung abfedern – etwa immer häufigere Dürren, Überschwemmungen und Stürme, aber auch der steigende Meeresspiegel und Wüstenbildung. Begünstigt werden sollen Entwicklungsländer, die besonders gefährdet sind. Die Entwicklungsorganisation Care sprach von einem «historischen Schritt», bemängelte aber, das wesentliche Fragen erst 2023 ausgearbeitet werden. So werden keine Summen genannt. Und ungeklärt ist auch, wer einzahlen muss. Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) schrieb: «Dazu gehören vor allem die größten Emittenten USA, China und natürlich auch die EU.»

Abschied von der Kohle, aber nicht von Öl und Gas

Die Staaten bekräftigten ihre im Vorjahr in Glasgow getroffene Entscheidung, schrittweise aus der Kohle auszusteigen. Ein Abschied von Öl und Gas wird aber nicht erwähnt – was etliche Staaten gefordert hatten, darunter Indien, die EU und auch die USA. Aber einige wenige Staaten leisteten «erbitterten Widerstand», wie Außenministerin Annalena Baerbock berichtete. Das sei «mehr als frustrierend». Nicht aufgegriffen wurde auch die Forderung der EU, dass vor 2025 der Höchststand der Treibhausgasemissionen weltweit erreicht sein muss. Der deutsche Greenpeace-Chef Martin Kaiser nannte es einen Skandal, dass die ägyptische Konferenzleitung Öl-Staaten wie Saudi-Arabien Raum geboten habe, «jeden wirksamen Klimaschutz zu torpedieren». Oxfam-Experte Jan Kowalzig sprach von einem «deprimierenden Ergebnis».

Schub für erneuerbare Energien?

Erstmals findet sich auch die Forderung nach einem Ausbau der Erneuerbaren Energien im Abschlussdokument einer Klimakonferenz. Weil aber bei dem künftigen Mix auch von „emissionsarmen“ Energieträgern die Rede ist, fürchtet der EU-Parlamentarier Michael Bloss (Grüne), dies könne als „Einfallstor für Atomkraft und Gas“ missbraucht werden.

Schwammiges 100-Milliarden-Ziel

100 Milliarden Dollar für Klimaschutz und Klimaanpassung – so viel sollten die Industriestaaten eigentlich seit 2020 jährlich verbindlich an arme Länder zahlen. Bis heute sind sie das Geld zu einem großen Teil schuldig geblieben. In der Abschlusserklärung fehlt aber ein klarer Plan, ob und bis wann nachgezahlt werden muss. Der Unterschied zum neuen Fonds: Die 100 Milliarden fließen zur noch möglichen Anpassung, der Fonds soll für eingetretene Schäden entschädigen.

Ebenfalls fehlt der – in ersten Entwürfen noch enthaltene – Auftrag für einen Fahrplan, wie und wann die reichen Staaten ihre Hilfen zur Anpassung an den Klimawandel für ärmere Staaten verdoppeln – von derzeit etwa 20 auf 40 Milliarden US-Dollar.

Klimaschutzpläne sollen nachgebessert werden – aber nur freiwillig

Im finalen Papier werden die Staaten außerdem aufgefordert, ihre größtenteils unzulänglichen Klimaschutzpläne bis spätestens zur nächsten Klimakonferenz nachzubessern. Diese findet Ende 2023 in den Vereinigten Arabischen Emiraten statt. Die Nachbesserungen bleiben freiwillig, eine Verpflichtung gibt es nicht.

2015 hatte die Weltgemeinschaft in Paris vereinbart, die Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen, im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Die Welt hat sich nun schon um gut 1,1 Grad erwärmt, Deutschland noch stärker. Ein Überschreiten der 1,5-Grad-Marke erhöht nach Warnungen der Wissenschaft deutlich das Risiko, sogenannte Kippelemente im Klimasystem und damit unkontrollierbare Kettenreaktionen auszulösen.

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