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Schwester der getöteten Radfahrerin appelliert an die Letzte Generation

Schwester der gestorbenen Radfahrerin appelliert an die Letzte Generation
Foto: CC0 Public Domain / unsplash - Kristina Tripkovic

In Berlin starb eine Radfahrerin nach einem Unfall mit einem Betonmischer. Es wurde diskutiert, ob es an Klimaaktivist:innen lag, die zum gleichen Zeitpunkt demonstrierten. Dem war offenbar nicht so. Nun spricht die Zwillingsschwester der Verstorbenen und formuliert eine Bitte an die Letzte Generation.

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Bei einem Unfall mit einem Betonmischer verletzte sich am Montag vor einer Woche eine Radfahrerin in Berlin schwer. Am Freitag teilten Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam mit, dass die 44-Jährige am Donnerstagabend im Krankenhaus gestorben sei. Die Zwillingsschwester der verstorbenen Radfahrerin bittet in einem Spiegel-Interview die Aktivist:innen der Klima-Protestgruppe Letzte Generation darum, umzudenken, „ob es nicht vielleicht doch einen anderen Weg gibt, für das Überleben unseres Planeten zu kämpfen, ohne dass andere Menschen möglicherweise zu Schaden kommen.“

Der Unfall hat für bundesweites Aufsehen und Diskussionen gesorgt. Denn ein Spezialfahrzeug, das helfen sollte, die Verletzte unter dem Lkw zu befreien, stand nach Angaben der Feuerwehr in einem Stau auf der Stadtautobahn. Dieser soll durch eine Aktion der Klima-Protestgruppe Letzte Generation ausgelöst worden sein. Daraufhin stand die Frage im Raum, inwiefern die Demonstrant:innen am Tod der Frau Schuld trugen. Jedoch entlastete ein Vermerk der Feuerwehr im Nachgang die Aktivist:innen.

„Meine Schwester und ich teilen die Ziele der Bewegung zu 100 Prozent“, betont Anja Umann im Spiegel-Interview. Sie habe mit ihrer Schwester Sandra vor Jahren ein veganes, nachhaltiges Modelabel gegründet. Der Schutz der Natur lege den beiden „sehr am Herzen“. Dennoch verletzte sie es sehr, „wie ignorant mit dem Schicksal meiner Schwester umgegangen wird.“ Einige der Aktivist:innen hätten nach dem Tod ihrer Schwester in Interviews gesagt, der Vorfall ändere nichts am Vorgehen der Letzten Generation.

Vermerk der Feuerwehr entlastet Aktivist:innen

Am Freitag berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen internen Einsatz-Vermerk, dass es nach Einschätzung der behandelnden Notärztin keine Auswirkungen auf die Rettung der verletzten Frau hatte, dass der sogenannte Rüstwagen im von den Aktivist:innen verursachten Stau feststand. Die Notärztin habe an Ort und Stelle das Unfallopfer versorgt, da sie nicht durch den Stau gehindert war. Die Ärztin entschied unabhängig davon, dass das Spezialfahrzeug der Feuerwehr, das den Betonmischer hätte anheben können, auf das Anheben des Lastwagens zu verzichten. Das Bein der Frau war unter dem mittleren Reifen des Lasters eingeklemmt.

Für Umann ändert diese Tatsache allerdings „nichts daran, dass dieses Fahrzeug durch die Blockade nicht die Möglichkeit hatte, früher vor Ort zu sein. Die Tatsache, dass es behindert wurde, besteht ja weiterhin.“ Wütend sei sie auf die Aktivist:innen nicht. „Nur ihre Methodik stelle ich manchmal infrage“, fährt Umann fort.

Forderungen aus der Politik, es müsse Konsequenzen für Klimaaktivist:innen geben, kritisiert Umann. Alexander Dobrindt (CSU) brachte die Aktionen der Letzten Generation mit der Roten Armee Fraktion (RAF) in Verbindung. Die RAF setzte Entführung und Mord als politisches Mittel ein. Den Vergleich findet Umann deshalb überzogen. „Ich habe den Eindruck, da reagiert Drastik auf Drastik – da kommt etwas Extremes auf, von dem ich nicht sicher bin, ob ich das so unterstütze“, so Umann. Sie suche den „sanfteren Mittelweg und ein Miteinander“, um Probleme zu lösen.

Die letzten Tage mit ihrer Schwester

Seit der Kindheit seien die beiden eineiigen Zwillingsschwestern auf sich gestellt, erzählt Umann weiter. „Sie ist meine Welt gewesen, so wie ich ihre Welt war“, verrät Umann dem Spiegel über ihre Schwester. An dem Morgen des Unfalls habe sie ihr noch gesagt: „Fahr bitte vorsichtig, ich freue mich auf später.“ Anschließen backte Umann einen Karamellkuchen für ihre Schwester, um ihr nach der Arbeit eine Freude zu machen.

Dem Spiegel berichtet Umann von den Tagen nach dem Unfall. An dem verletzten Körper der Schwester konnte sie nur eine kleine Stelle an der Stirn berühren und ihr übers Haar streicheln. „Mir war in dem Moment klar: Die Welt wird nie wieder dieselbe sein wie zuvor. Und es gibt 100.000 Szenarien, nur eines nicht: dass San geht“, berichtet die 44-jährige. Am Mittwoch habe der Oberarzt gemeinsam mit einer Psychologin erklärt, man könne nichts mehr für ihre Schwester machen, ihr Gehirn löse sich allmählich ganzflächig auf. Sie verabschiedete sich von ihrer Zwillingsschwester. „Ich habe ihr gesagt, dass alles gut werden würde und dass ich ihr nicht böse bin.“

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