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„Mehr als falsch“: Spaniens Anti-Bodyshaming-Kampagne geht nach hinten los

"Der Sommer gehört uns": Spanien gegen Bodyshaming am Strand
Foto: David Zorrakino/EUROPA PRESS/dpa

Die spanischen Regierung startete eine Kampagne gegen Bodyshaming. Nun äußerten sich zwei der abgebildeten Frauen: Die Fotos seien ohne ihr Wissen verwendet und sogar geändert worden. Die Aktion sei außerdem „mehr als falsch“.

Die spanische Regierung hat eine neue Kampagne unter dem Motto „Der Sommer gehört auch uns“ gestartet. Wie Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete soll diese sich gegen die Diskriminierung von Frauen richten, die keine sogenannte Bikinifigur haben oder anderweitig in vermeintliche Schönheitsideale passen, die aber den Sommer am Strand genießen wollen.

Nun meldeten sich zwei Models zu Wort, deren Fotos ohne ihre Zustimmung für die Kampagne verwendet wurden, der Guardian berichtete. Sian Green-Lord erscheint unten links in einem weißen Badeanzug mit Blumenmuster auf dem Werbeplakat. Das Originalfoto postete das Model bei Instagram, darauf trug sie allerdings einen Badeanzug ohne Blumenprint und eine Beinprothese. Sie verlor 2013 ihr Bein, als sie ein Taxi anfuhr. Dass ausgerechnet die Prothese für einen Anti-Bodyshaming-Aufruf wegretuschiert wurde, konterkariert die Kampagne der spanischen Regierung auf unglückliche Weise.

Über die Verwendung ihres Bildes sei sie wütend. „Es ist eine Sache, mein Bild ohne meine Erlaubnis zu verwenden, aber es ist eine andere Sache, meinen Körper zu bearbeiten, meinen Körper mit meiner Beinprothese … Ich weiß nicht einmal, was ich sagen soll, aber es ist mehr als falsch.“

Auch das britische Model Nyome Nicholas-Williams hatte den Guardian zufolge keine Ahnung, dass ihr Bild für die Kampagne verwendet wurde. Davon erfuhr sie erst über ihre Follower:innen bei Instagram. Dort sagte sie: „Anfangs war es schön, das Bild zu sehen, aber dann sah ich, dass es für eine Kampagne war, und war dann verärgert, weil ich nicht einmal gebeten worden war, daran teilzunehmen.“

Madrider Ministerium startete Kampagne

Das Madrider Ministerium für Gleichberechtigung postete auf Twitter (mittlerweile gelöscht) ein Bild mit der Aufschrift: „Der Sommer gehört auch uns. Genieße ihn wie, wo und mit wem du willst. Heute stoßen wir auf einen Sommer für alle an, ohne Stereotypen und ohne ästhetische Gewalt gegen unsere Körper“. Darauf abgebildet sind unter anderem übergewichtige Frauen im Bikini, die sich am Strand vergnügen. Außerdem ist auch eine grauhaarige Frau zu sehen, die nach einer Mastektomie, der Entfernung einer Brust, oberkörperfrei am Strand steht und lächelt.

Aktion soll Selbstzweifel bekämpfen

Die linksgerichtete Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez möchte mit dieser Kampagne in Zeiten von Online-Kultur und Foto-Filtern die Gesellschaft sensibilisieren. Auch die kultur- und gesellschaftsbedingten Selbstzweifel bei Frauen und Mädchen soll die Aktion neben Diskriminierung laut RND bekämpfen.

Ione Belarra, Ministerin für soziale Rechte vom Fraueninstitut, die die Kampagne initiierte, twitterte: „Alle Körper sind Strandkörper. Und Gebirgskörper. Unser Körper soll umsorgt, respektiert und genossen werden.“.

Die Ministerin für Gleichberechtigung, Irene Montero äußerte sich ebenfalls bei Twitter (mittlerweile gelöscht) zu der Aktion: „Alle Körper sind gültig und wir haben das Recht, das Leben so zu genießen, wie wir sind, ohne Schuld oder Scham. Der Sommer ist für alle (Frauen) da!“

„Gipfel der Absurdität“

Doch die Idee erhält nicht nur Zuspruch. Die BBC berichtete, dass Menschen in den sozialen Medien diskutierten, ob die Kampagne nicht auf Männer mit unterschiedlichen Körpern ausgeweitet werden sollte. Der linke Politiker in Spanien Cayo Lara bezeichnete die Aktion als „Gipfel der Absurdität“. Es werde ein Problem geschaffen, wo keins existiere.

Die Sekretärin für Gleichberechtigung, Ángela Rodríguez Pam twitterte mit Bezug auf die Kritik: „Es gibt da einige Herren, die nun sagen, wir dicke Frauen durften bereits ohne die Erlaubnis des Ministeriums für Gleichberechtigung zum Strand. Natürlich dürfen wir das, aber wir müssen Hass in Kauf nehmen, weil wir Körper zeigen, die nicht den Normen entsprechen“

Spanien als Vorreiter?

Bereits in der Vergangenheit sorgte die spanische Regierung wegen progressiver Maßnahmen für Aufsehen. Im Mai brachte Spanien einen Gesetzentwurf ins Rollen, durch den Menstruierende bis zu fünf zusätzliche freie Tage pro Monat bekommen könnten. Auch Utopia berichtete darüber: „Menstruationsurlaub“: Spanien bringt Gesetzentwurf ins Rollen. Außerdem verschärfte die spanische Regierung das Sexualstrafrecht und startete eine Kampagne gegen sexistische Werbung für Kinderspielzeug.

Utopia meint: Die Intention hinter der Kampagne scheint gut gewesen zu sein. Warum die spanische Regierung die Beinprothese aus dem Foto retuschiert haben, erschließt sich uns allerdings nicht. Auch nicht in Ordnung ist, die Bilder ohne Zustimmung zu nutzen. Da ging eine gut gemeinte Kampagne leider nach hinten los.

Disclaimer: In diesem Text wird von Frauen gesprochen. Hierbei sind weiblich gelesene Menschen gemeint.

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