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Studie zeigt: Auch beim Placeboeffekt sind Menschen rassistisch und sexistisch

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Foto: CC0 / Pixabay / frolicsomepl

Beim Placeboeffekt erhalten Patient:innen Scheinpräparate ohne Wirkstoffe. Da sie im Gehirn bestimmte Prozesse auslösen können, erzielen sie dabei dennoch eine Wirkung. Eine neue Studie zeigt nun: Die Wirkung ist stärker, wenn weiße Männer das Präparat verschreiben.

Entgegen verbreiteten Vorstellungen ist der Placeboeffekt keineswegs nur reine Einbildung. Stattdessen beruht er auf bestimmten Prozessen in unserem Gehirn, die wiederum die Heilung in verschiedenen medizinischen Bereichen beschleunigen können. Wenn du beispielsweise fest daran glaubst, dass dir ein Präparat helfen wird, kann schon allein diese positive Erwartungshaltung deine Heilung unterstützen. Auch ein vertrauensvolles Verhältnis zu deinen behandelnden Ärzt:innen kann den Placeboeffekt verstärken. 

Eine neue US-Studie bringt jedoch nun weitere Seiten des bekannten Phänomens zum Vorschein: So tritt der Placeboeffekt seltener beziehungsweise weniger stark ein, wenn das entsprechende Präparat von einer weiblich gelesenen und/oder einer schwarzen Person verabreicht wurde. Personen, die die Attribute „weiß“ und „männlich“ erfüllen, erhöhen wiederum die Wirkung.

Placeboeffekt: Besonders stark bei weißen Ärzten

Durchgeführt wurde die entsprechende Studie in der USA von einem Forschungsteam der Universität Zürich. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht. Um den Einfluss von eventuellem Sexismus und Rassismus auf den Placeboeffekt zu untersuchen, nutzten die Wissenschaftler:innen vorgespielte Allergietests. Dabei löste medizinisches Personal bei 187 weißen Proband:innen eine allergische Reaktion aus. Die Versuchspersonen nahmen an, es würde sich dabei um einen gewöhnlichen Test auf eventuelle Allergien handeln. 

Bei der allergischen Reaktion handelte es sich um einen leichten Hautausschlag. Anschließend verabreichte das medizinische Personal den Proband:innen eine angebliche Allergiecreme, die die Reaktion lindern sollte. In der Creme befand sich jedoch kein Wirkstoff. Es handelte sich lediglich um eine geruchsfreie Lotion.

Allen Proband:innen wurde zufällig ein:e medizinische:r Mitarbeiter:in zugeteilt. Bei dem medizinischen Personal handelte es sich entweder um männlich oder weiblich gelesene Personen. Zudem wiesen die Behandelnden unterschiedliche Hautfarben auf. Laut der Studie befanden sich unter dem Behandlungsteam weiße und schwarze Personen, sowie Menschen mit asiatisch gelesenem Erscheinungsbild. 

Nur Geschlecht und Hautfarbe der behandelnden Person variierten, alle Behandlungsschritte waren standardisiert. Nachdem die Proband:innen die verabreichte Creme aufgetragen hatten, ermittelten die Forschenden, wie sich die allergische Reaktion entwickelte. Das Ergebnis: Verschrieb eine weiblich gelesene oder eine schwarze Person die Creme, fiel der Placeboeffekt geringer aus als bei einer weißen Person. Der Hautausschlag verringerte sich also kaum.

Rassismus und Sexismus: So tief sitzen sie im Unterbewusstsein

Die neue Studie zum Placeboeffekt zeigt, wie stark rassistische und sexistische Vorurteile nach wie vor unsere Gesellschaft beeinflussen.
Die neue Studie zum Placeboeffekt zeigt, wie stark rassistische und sexistische Vorurteile nach wie vor unsere Gesellschaft beeinflussen.
(Foto: CC0 / Pixabay / viarami)

Laut dem Forschungsteam handelte es sich bei den Proband:innen nicht um Menschen, die sich explizit negativ über schwarze oder weiblich gelesene Personen äußerten. Sie schienen im Gegenteil eher bemüht darum, keine Vorurteile zu haben beziehungsweise sich nicht von diesen leiten zu lassen. Dies zeigte sich auch in der Interaktion mit dem medizinischen Personal. Laut dem Magazin Spektrum bewerteten etwa 1400 Freiwillige im Anschluss die Reaktionen der Proband:innen, die ihnen als Videoclips zur Verfügung standen. Diesen Bewertungen folgend, schienen die Versuchspersonen besonders interessiert und zuvorkommend, wenn sie es mit einer schwarzen oder weiblich gelesenen Person zu tun hatten.

Und trotzdem war in diesen Fällen der Placeboeffekt abgeschwächt. Mit diesen Ergebnissen möchte das Forschungsteam darauf aufmerksam machen, wie tief rassistische und sexistische Vorurteile in unserem Unterbewusstsein verankert sind. Schließlich sind wir aus der Geschichte, unserem Sprachgebrauch und teilweise immer noch der Gegenwart vor allem daran gewöhnt, dass Ärzt:innen die Attribute „weiß“ und „männlich“ aufweisen. Ist dies nicht der Fall, erscheinen sie uns eventuell weniger kompetent und vertrauenswürdig. Demnach sinkt unsere Erwartungshaltung. Wie die Studie zeigt, betrifft dieses Phänomen genauso Menschen, die sich eventuell schon mit Rassismus und Sexismus auseinandergesetzt haben und mit ihren eigenen Vorurteilen brechen wollen.

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