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Unsere Regierung bevorteilt Autofahrer:innen – und was ist mit dem Rest?

Wem bringt die Prämie für E-Auto etwas?
Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa / Skitterphoto/pixabay

Eine neue Kaufprämie für E-Autos soll Deutschlands Verkehr sauberer machen. Die Neuausrichtung unsere Mobilität ist enorm wichtig für den Klimaschutz. Doch mit dieser Maßnahme setzt die Bundesregierung ein falsches Signal. Mehr noch: Sie benachteiligt die, die sich gegen ein Auto entscheiden. Ein Kommentar.

Mobilitätswende – ein ganz schön sperriges Wort für ein so wichtiges Vorhaben. Gerne wird von ihr gesprochen, doch die Umsetzung lässt – diplomatisch formuliert – zu wünschen übrig. Anstatt auf einen funktionierenden, bezahlbaren und bequemen öffentlichen Nah- und Fernverkehr zu setzen, unterstützt die Bundesregierung einmal mehr das Autofahren. Und setzt damit ein einseitiges Signal in Sachen Verkehrswende und Klimaschutz.

Am Montag wurde bekannt, dass das Bundesverkehrsministerium unter Minister Volker Wissing (FDP) plant, die Kaufprämie für E-Autos bis 2027 zu verlängern und sie deutlich zu erhöhen. Wie das Handelsblatt berichtet hat, soll für Fahrzeuge bis 40.000 Euro der staatliche Bonus von 6000 Euro auf 10.800 Euro angehoben werden. Hinzu kommt demnach der Herstellerzuschuss von 3000 Euro. Auch bei E-Autos bis 60.000 Euro soll die Prämie steigen. Ab dem zweiten Halbjahr 2023 müssten Käufer:innen ein mindestens elf Jahre altes Verbrennerauto verschrotten, um noch die volle Förderung zu erhalten.

Jetzt könnte man argumentieren, dass der Verkehrsminister immerhin Fahrer:innen von E-Autos unter die Arme greift – und damit einen Beitrag für klimafreundlichere Antriebstechnologien leistet. Die Einleitung der Abkehr von treibhausgasintensiven Verbrennungsmotoren, möchte man denken.

Man stelle sich nur eine Großstadt mit einem funktionierenden Nahverkehr vor

Das mag richtig sein, gleichzeitig ist das zu kurz gedacht. Zum einen, weil die Herstellung von E-Auto-Batterien ressourcenintensiv ist und die Verwertung einer Batterie am Ende ihrer Lebensdauer („End-of-Life“) noch nicht abschließend geklärt ist. Zum anderen, weil Verkehrswende und Klimaschutz mehr sind als die Verlagerung von einem Auto zum nächsten. Antriebsbatterie hin oder her.

Was ist mit den Menschen in Deutschland, die gar kein Auto fahren? Die sich zu Fuß, mit dem Rad oder dem noch immer stiefmütterlich behandelten ÖPNV fortbewegen? Wann werden diese Leute unterstützt? Schließlich leisten auch sie etwas für eine lebenswertere Umwelt. Mehr noch: Ohne Auto beanspruchen sie deutlich weniger öffentlichen Raum für sich.

Man stelle sich nur eine Großstadt vor, in der mehr Platz für alle wäre. Die nicht im Chaos versinkt, weil ausreichend viele Busse und Bahnen pünktlich und ordentlich getaktet Menschen von A nach B bringen – und Radfahrer:innen nicht um ihr Leben bangen müssen, weil Straßen nicht länger für Autos konzipiert werden. Ja, das würde Geld kosten. Stattdessen sollen Steuerzahler:innen mit der angedachten Prämie einmal mehr das Autofahren subventionieren.

Bahnfahren rangiert hinter Gehen und Radfahren

Wie schlimm es um die öffentlichen Verkehrsmittel und damit um die Verkehrswende steht, zeigt die jüngste repräsentative YouGov-Umfrage im Auftrag des Versicherers HUK Coburg. In der Mobilitätsstudie gaben 70 Prozent der Befragten an, das Auto sei das Verkehrsmittel, das ihre Bedürfnisse am besten erfüllt. Zug, S-Bahn, Straßenbahn und Bus rangieren dagegen hinter Gehen und Radfahren. Lediglich 16 Prozent nannten die Bahn als ideales Verkehrsmittel. Die Befragten mussten sich nicht für ein Verkehrsmittel entscheiden, Mehrfachantworten waren möglich. Auf die Frage nach den wichtigsten Inhalten eines Verkehrskonzepts antworteten 49 Prozent, dass Mobilität für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbar sein solle.

Kosten, Schnelligkeit und Flexibilität – solange diese Kriterien an öffentliche Verkehrsmittel nicht erfüllt sind, müssen sich politische Entscheidungsträger:innen also nicht wundern, dass ihr Werben für mehr Bus und Bahn auf taube Ohren stößt. Insbesondere bei den Menschen, die im ländlichen Raum mehr oder minder gezwungen sind, das Auto zu benutzen.

Denn das Problem, dass diese Bürger:innen auf Autos angewiesen sind, ist hausgemacht: Weil die Politik Autofahren noch immer strukturell bevorteilt und die Mobilitätswende nicht ernsthaft anpackt. Sie brauchen wir aber, um den Endenergieverbrauch im Verkehrssektor angesichts der voranschreitenden Klimakrise zu senken.

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