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 „Verharren zu sehr in einer Verzichtsdiskussion“ – wie umgehen mit Dauer-Krisen?

Angesichts der voranschreitenden Erderwärmung müssten wir uns weltweit deutlich mehr Sorgen machen, sagt Neurowissenschaftlerin Maren Urner am Dienstag in den Tagesthemen.
Foto: Screenshot Tagesthemen

Tagtäglich prasseln auf uns Nachrichten ein. Sie wühlen auf, belasten uns. Anstatt hilflos auf sie zu reagieren, gibt es noch eine andere Möglichkeit, wie die Neurowissenschaftlerin Maren Urner in den Tagesthemen erzählt.

Wie umgehen mit schlechten Nachrichten? Corona-Pandemie, Klimakrise und Ukraine-Krieg. Gute Neuigkeiten scheinen rar. Erst am Dienstag berichtete die Weltwetterorganisation (WMO), dass die globale Durchschnittstemperatur eines Jahres bis 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen könnte. 2015 galt das noch als praktisch ausgeschlossen.

Angesichts der voranschreitenden Erderwärmung müssten wir uns weltweit deutlich mehr Sorgen machen, sagt Neurowissenschaftlerin Maren Urner am Dienstag in den Tagesthemen. Urner beschäftigt sich an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Berlin mit der Verarbeitung von Informationen – und mit der Frage, wie wir als Gesellschaft mit Dauer-Krisen fertigwerden. Laut Urner sei bei belastenden Nachrichten zum Klimawandel die entscheidende Frage, „ob wir daraus Kraft und Neugier schöpfen, um über Lösungen nachzudenken und auch entsprechend zu handeln“.

Das Reden über Probleme schafft laut Urner Probleme. Hingegen würden konstruktive Debatten eher Lösungswege aufzeigen. Insbesondere mit Blick auf den Klimawandel würde zu viel über das gesprochen, was nicht funktioniert. Urner sagt, dass wir beim Thema Klima „zu sehr in einer Verzichtsdiskussion, beziehungsweise in Narrativen verharren, die sich ganz stark auf das ‚Wogegen sind wir eigentlich?‘ konzentrieren“. Anstatt auf das zu blicken, was eine Gesellschaft mit ihren Herausforderungen voranbringen würde, fokussieren wir uns Urner zufolge auf das Defizit, den Verlust. „Und das ist etwas, was das Gehirn überhaupt nicht gut findet – weil wir in einen Modus gelangen, der durch Abwehrhaltung und Angst bestimmt wird.“

„Was gewinnen wir und was bekommen wir dazu?“

Aus Sicht der Neurowissenschaft müssten sich die Menschen viel eher fragen, wofür sich gewisse Anstrengungen lohnen. Konkret: „Was gewinnen wir und was bekommen wir dazu?“, so Urner. Dies sorge dafür, dass im Gehirn andere Regionen und andere Fähigkeiten freigesetzt würden. Diese Vorstellungskraft sei es auch, die das Belohnungssystem im Gehirn anregt – wodurch wir uns besser fühlen.

Es ginge nicht darum, ausschließlich positive Nachrichten zu konsumieren oder nach der perfekten Lösung zu suchen – was insbesondere bei Geschehnissen wie dem Krieg in der Ukraine nahezu unmöglich scheint. Vielmehr sei lösungsorientiertes Denken dazu da, die in der Psychologie benannte „erlernte Hilflosigkeit“ zu überwinden, indem nach der Zukunft gefragt wird. In der Kriegsberichterstattung müsse demnach das Augenmerk auf die Strategien gelegt werden, die sich bereits in Kriegssituationen als hilfreich – sprich deeskalierend – erwiesen haben, so Urner.

Es reiche nicht aus, alleine Fakten aufzuzählen, um die Menschen zu einem lösungsorientierten Handeln zu bewegen. Urner zufolge müssen die Menschen ebenfalls in ihren Emotionen, Identitäten und Werten abgeholt werden, damit sie ihre Überzeugungen verändern.

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