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Nicht nur wegen des Klimas – warum Deutschland das Tempolimit testen sollte

Autobahn Tunnel
Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa

Aktuell beraten sich Grüne und FDP über Koalitionsoptionen. Dabei werden die Gemeinsamkeiten der beiden Parteien betont. Doch beim Thema Tempolimit scheiden sich die Geister. Warum wir in Deutschland das Tempolimit testen sollen, erklären uns zwei Wissenschaftler – das Klima ist nicht der Grund.

Eine Debatte wird in Deutschland äußerst emotional geführt; nämlich die um das Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Soll die Geschwindigkeitsbeschränkung eingeführt werden oder gilt weiterhin freies Tempo für alle? Und was sind die Argumente für und wider das Tempolimit?

Zwei Wissenschaftler der Uni Passau und der Berliner Hertie School haben sich die Zahlen genauer angesehen. Sie sprechen sich für ein Tempolimit auf den deutschen Autobahnen aus, zumindest testweise. Die Gründe sind nicht nur auf den Umweltschutz zurückzuführen, wie ihre Studie zeigt.

15 Millionen Menschen leben nahe einer Autobahn

Die Wissenschaftler Prof. Dr. Stefan Bauernschuster (Uni Passau) und Prof. Dr. Christian Traxler (Berliner Hertie School) zeigen in ihrer Studie anhand von geographischen Raster-Daten des RWI-Essen, dass viele Menschen in Deutschland im Umkreis von zwei Kilometern zum nächsten Autobahnabschnitt ohne Tempolimit wohnen. Genauer gesagt: 14,9 Millionen Menschen.

Gerade auf Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ist der Ausstoß schädlicher CO2-Emissionen besonders hoch. Gesundheitsgefährdend sind jedoch Emissionen wie Feinstaub (PM), Stickstoffoxide (SOx) und Kohlenstoffmonoxid (CO), die ebenfalls durch den Verkehr auf Autobahnen entstehen. Diese Luftverschmutzung kann zu bisweilen ernsten gesundheitlichen Problemen in der Bevölkerung führen: vor allem unter Kindern und älteren Menschen.

Ohne Tempolimit: CO2-Belastung und gesundheitsschädliche Emissionen bleiben hoch

Berechnungen des Umweltbundesamtes (UBA) zeigen zum Beispiel, dass die Einführung eines generellen Tempolimits von 130 km/h auf Bundesautobahnen die Treibhausgasemissionen des Verkehrs um jährlich 1,9 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente mindern könnte. Ein generelles Tempolimit von 120 km/h auf Bundesautobahnen mindert die THG-Emissionen um 2,6 Millionen Tonnen. Nochmals deutlich höher lägen die Minderungen der THG-Emissionen mit 5,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten bei einem Tempolimit von 100 km/h.

Für die Gesundheit sind jedoch vor allem andere Emissionen aus dem Straßenverkehr schädlich. Diese würden durch ein Tempolimit ebenfalls reduziert. Bauernschuster und Traxler gehen davon aus, dass „ein beachtlicher Teil der Bevölkerung unmittelbar von einem Emissionsrückgang profitieren könnte“. Das Tempolimit auf deutschen Autobahnen kann also Krankheiten verhindern.

Geschwindigkeit auf Kosten der Menschen

Geschwindigkeit hat nicht nur Auswirkungen auf Anwohner:innen nahe der Autobahn, sie kann auch auf andere Art schädigen: nämlich durch Unfälle. Im Jahr 2019 wurden 32.272 Menschen auf deutschen Autobahnen verletzt oder getötet; davon waren mehr als 70 Prozent jünger als 50 Jahre (Statistisches Bundesamt 2020a, Statistisches Bundesamt 2020b).

Zwar starben im Jahr 1995 noch mehr als doppelt so viele Menschen auf den Autobahnen als 2019, doch werden pro Kilometer Fahrbahn mehr Getötete auf Autobahnen gezählt als auf anderen Straßen, so die beiden Wissenschaftler in der Studie. Reduzierte Geschwindigkeit führt in vielen Fällen zu einer erhöhten Verkehrssicherheit, weil Fahrer:innen zum Beispiel mehr Reaktionszeit haben. Außerdem steigt mit erhöhter Geschwindigkeit das Risiko, die Kontrolle über das Auto zu verlieren und sich ernsthaft zu verletzen.

Utopia meint: Ein Tempolimit auf der Autobahn reduziert umweltschädliche Emissionen, so lautet eine Argumentation im Sinne der Nachhaltigkeit. Nachhaltig ist aber auch, im Sinne der Gesundheit zu agieren und zum Beispiel ein Tempolimit einzuführen, um Krankheiten und Unfällen vorzubeugen.

Anmerkung: In einer früheren Version dieses Beitrags hieß es, CO2-Emssionen sind gesundheitsschädlich. Das ist nicht korrekt. Richtig ist, dass Emissionen von Feinstaub, Stickoxiden und Kohlenmonoxid ein gesundheitlichen Risiko darstellen, nicht jedoch CO2. Wir haben die Passage angepasst bzw. konkretisiert und bitten den Fehler zu entschuldigen.

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