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EU-Kommission deklariert Atomkraft und Erdgas als „grün“ – was das für dich bedeutet

Atomkraft ist nicht sicher
Foto: CC0 Public Domain / Unsplash – Vladyslav Cherkasenko

In den Nachrichten drehte sich in den letzten Wochen einiges um die sogenannte „EU-Taxonomie“. Nun ist eine Entscheidung gefallen und diese kann ganz konkrete Auswirkungen auf dich haben. Welche, erfährst du hier.

Was ist nachhaltig und was nicht? Darauf hast du womöglich eine andere Antwort als ich. Im Alltag können wir mit solchen Differenzen meist gut leben. Auf politischer Ebene sollte aber doch etwas mehr Klarheit herrschen.

EU-Taxonomie definiert „nachhaltige“ Investitionen

Deshalb gibt es die EU-Taxonomie. Dabei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem, das im Hinblick auf die Pariser Klimaziele und die Umweltziele der EU eine Richtlinie für Investitionen und Unternehmensberichte bilden soll. Ist eine wirtschaftliche Praxis nachhaltig im Sinne der EU-Taxonomie, so gilt auch eine Investition in diese als nachhaltig. Durch die Taxonomie sollen also nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten vorangetrieben und so das Ziel der Klimaneutralität der EU bis 2050 erreicht werden.

Zum Jahreswechsel hat die EU-Kommission einen Vorschlag ausgearbeitet, laut dem auch Erdgas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen als nachhaltig deklariert werden sollen. Jetzt wurde seitens EU-Kommission entschieden, dass sowohl Atomkraft als auch Erdgas unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig gelten können.

Nachhaltige Klassifizierung von Atomkraft und Erdgas

Die Entscheidung seitens EU-Kommission ist gefällt: Atomkraft und Erdgas gelten unter bestimmten Voraussetzungen im Sinne der Taxonomie als nachhaltig. Dabei lockert der Rechtsakt die Auflagen teils stärker, als dies im ursprünglichen Entwurf geplant war, zum Beispiel für Gaskraftwerke. Investitionen in Gaskraftwerke gelten damit bis 2030 als nachhaltig.

Dies greift, sofern die Kraftwerke noch schmutzigere Kraftwerke ersetzen und bis spätestens 2035 komplett auf Basis klimafreundlicherer Gase betrieben werden, wie zum Beispiel Wasserstoff. Ursprünglich war im Taxonomie-Entwurf vorgesehen, dass bereits ab 2026 klimafreundlichere Gase beigemischt werden müssen.

Bei neuen Atomkraftwerken gilt die Klassifizierung als „nachhaltig“ bis 2045, sofern diese konkrete Pläne für die Lagerung der anfallenden radioaktiven Abfälle – ab spätestens 2050 – vorlegen. Für den Erhalt der Baugenehmigung muss man folglich noch nicht wissen, wo der ganze radioaktive Abfall einmal landen soll.

Massive Kritik im Vorfeld

Bereits im Vorfeld zur Entscheidung gab es Kritik an der Taxonomie. So forderten deutsche NGOs in einem gemeinsamen Bündnis die Bundesregierung dazu auf, im EU-Ministerrat gegen den Vorschlag der Kommission zu stimmen. Notfalls sollte die Bundesregierung auch vor dem Europäischen Gerichtshof klagen, so der Appell der NGOs. „Wenn auch klimaschädliche und hochriskante Energieträger als nachhaltig gelten, wird das ganze Label entwertet – das hätte eine fatale internationale Signalwirkung”, warnte das Bündnis aus BUND, Campact, Deutsche Umwelthilfe, Bürgerbewegung Finanzwende, Greenpeace, IPPNW (International Physicians for the Prevention of Nuclear War), NABU, Umweltinstitut und Uranium Network.

Umweltschützer:innen in Deutschland mobilisierten diesbzeüglich unter dem Hashtag #OlafSchummelt bereits gegen die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in die Taxonomie – jedoch leider vergeblich, wie sich herausstellte.

Auch bei den Regierungsparteien stieß der Vorschlag der EU-Kommision auf gemischte Reaktionen. Während der Atomausstieg in Deutschland beschlossen ist, gilt Erdgas laut Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung als notwendige Übergangstechnologie. Die FDP-Politiker Christian Lindner und Wolfgang Kubicki begrüßten deshalb die Aufnahme von Erdgas in die EU-Taxonomie. Vom Grünen Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck kam hingegen Kritik.

Klagedrohungen einzelner Mitgliedsstaaten

Österreich und Luxemburg kündigten bereits an, gegen die Entscheidung zu klagen. Weitere Länder lehnen eine nachhaltige Einstufung von Gas ebenfalls ab, zum Beispiel Spanien, Dänemark, die Niederlande und Schweden.

Noch ließe sich das geplante Inkrafttreten der neuen Regeln bis 2023 durch Mitgliedstaaten und Europaparlament verhindern. Dafür müssten mindestens 20 Mitgliedstaaten dagegen stimmen oder es müsste eine absolute Mehrheit im Europaparlament gegen den Entschluss sein. Die Ablehnung der Taxonomie gilt als unwahrscheinlich.

Doch welche konkreten Folgen hat es jetzt (für dich), dass Atomkraft und Erdgas in die EU-Taxonomie aufgenommen werden? Wir erklären es dir.

Atomkraft und Erdgas sind nicht nachhaltig

Nachhaltigkeit geht uns alle an – weil eine intakte Umwelt unerlässlich für unsere Gesundheit ist und weil es unsere soziale Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen ist, ihnen einen lebenswerten Planeten zu hinterlassen. Schon allein deshalb solltest du dich für die EU-Taxonomie interessieren. Denn Atomkraft und Erdgas sind nicht nachhaltig.

Einige Menschen befürworten Atomkraft, da sie klimafreundlicher sei als Kohlestrom. Jedoch stellt uns Atomkraft vor andere Probleme. Im Störungsfall geht von Kernkraftwerken eine enorme Gefahr aus, wie die Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima nur allzu deutlich gezeigt haben. Außerdem erzeugen sie Unmengen an radioaktivem Müll, der hunderttausende Jahre strahlt. Noch immer ist unklar, was mit diesem Atommüll passieren soll. Und auch wenn Atomkraft klimafreundlicher ist als Kohlekraft, CO2-neutral ist sie noch lange nicht. Lies dazu auch: Atomkraftwerke: Wie sie funktionieren und wieso sie der Umwelt schaden

Zudem entsteht bei der Nutzung von Erdgas CO2 und bei der Förderung wird das Treibhausgas Methan freigesetzt. Ähnlich wie beim Uran für Atomstrom sind auch die Erdgas-Reserven begrenzt. Mehr Infos zu Erdgas liest du in unserem Artikel: Gaskraftwerk: Ist der Strom aus Erdgas nachhaltig?

Selbst wenn Erdgas derzeit als Brückentechnologie gehandelt wird: Als „nachhaltig“ sollten wir es deshalb nicht bezeichnen. Wir brauchen einen schnellstmöglichen Übergang zu 100 Prozent erneuerbaren Energien. Speichersysteme und intelligente Netze (Smart Grid) sollen dabei helfen, eine lückenlose Versorgung mit Strom zu gewährleisten.

Werden Projekte mit Atomenergie und Erdgas durch die Taxonomie grüngewaschen, konkurrieren diese mit wirklich grünen Projekten um Investitionen. So kann aus einer Brückentechnologie im schlimmsten Fall eine Bremse werden.

Neue Atomkraftwerke wegen EU-Plänen?

Atomkraftwerk Grohnde
Das Atomkraftwerk Grohnde ist eins der drei AKW, die Ende 2021 vom Netz gingen. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay - wostemme)

Neben einem Atomkraftwerk wohnt vermutlich niemand gern. Da ist es ein Glück, dass der Atomausstieg in Deutschland beschlossen ist. Drei der letzten sechs AKW in Deutschland wurden zum Jahreswechsel abgeschaltet, die verbleibenden drei folgen Ende 2022. Daran wird auch die EU-Taxonomie nichts ändern. Mit einem neuen Atomkraftwerk neben deiner Haustür musst du also nicht rechnen.

Es sei denn, du wohnst in einer Grenzregion. So ist beispielsweise der französische Präsident Emmanuel Macron ein ausgesprochener Befürworter der Atomkraft. Bereits im November erklärte er, neue Kernreaktoren errichten zu wollen.

Augen auf beim Banking

Auch bei deinen persönlichen Finanzen kann die EU-Taxonomie eine Rolle spielen. Wenn du eine Versicherung abschließt oder Geld anlegst, liegt dieses ja nicht einfach in einem Schließfach bei der Bank, sondern wird investiert. Mit deinem Geld finanzierst du also diverse Unternehmen und Staaten. Bei Fonds und anderen Geldanlagen profitierst du dabei von Rendite.

Rendite klingt erst einmal gut. Dass du mit deinem Geld womöglich auch fragwürdige Unternehmen finanzierst, um die du sonst einen großen Bogen machst, schon deutlich weniger. Deshalb solltest du auch beim Banking genau hinschauen, wohin dein Geld fließt.

Lies dazu auch: Nachhaltig Geld anlegen: ESG-Kriterien machen es möglich

Immerhin: Voraussichtlich ab Herbst 2022 sind Bankberater:innen verpflichtet, Kund:innen auf Nachhaltigkeit anzusprechen. Sie müssen dich also fragen, ob du bei deinen Geldanlagen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen möchtest. Aber: Dass nicht alles wirklich grün ist, was als „nachhaltig“ bezeichnet wird, macht die Entscheidung zur EU-Taxonomie deutlich.

Wenn du sichergehen willst, dass du mit deinen Geldanlagen weder Atomkraft, noch Erdgas oder andere umweltschädliche oder menschenverachtenden Industrien finanzierst, solltest du dich nicht auf ein bloßes Nachhaltigkeitslabel verlassen.

Das Vergleichsportal Cleanvest kann dir dabei helfen, hinter die Nachhaltigkeitsversprechen von Fonds und ETFs zu blicken. Falls du nicht nur bei einzelnen Geldanlagen, sondern bei der Wahl deiner Bank auf Nachhaltigkeit setzen willst, hilft dir unser Artikel: Ethische Bank: Das sind die besten nachhaltigen Banken.

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