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Wann erreichen wir die 1,5 Grad Erderwärmung?

Weltklimarat: Diese Maßnahmen braucht es, um die Klimaziele zu erreichen
Foto: CC0 Public Domain - Pixabay/ catazul

Der Weltklimarat richtet mit seinem neuesten Bericht erneut eine eindringliche Warnung an die Menschheit: Um die globale Erwärmung auf ein verträgliches Maß zu begrenzen, müssen wir noch in diesem Jahrzehnt erhebliche Maßnahmen umsetzen. Welche das sind, fassen wir hier zusammen.

Die Erderwärmung um 1,5 Grad wird eintreten, davon gehen Wissenschaftler:innen inzwischen aus. Voraussichtlich wird es bis 2035 so weit sein. Soll die Erderhitzung nicht über maximal 1,5 Grad hinausgehen, geht das nach Weltklimarat nur, wenn der Ausstoß von Treibhausgasen sofort und drastisch verringert wird. Das geht aus einem Bericht hervor, den der Weltklimarat (IPCC) am Montag veröffentlicht hat. „Wir sind an einem Scheideweg. Die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, können eine lebenswerte Zukunft sichern“, erklärte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. „Wir haben die Werkzeuge und das Wissen, um die Erwärmung zu begrenzen.“

Für Industrie und Verbraucher:innen: Diese Maßnahmen schlägt der Weltklimarat vor

Der Weltklimarat hat dringend notwendige Maßnahmen erarbeitet, um die Erderhitzung einzudämmen und damit die drohende Klimakatastrophe abzuwenden. Wichtige Ergebnisse aus dem 6. IPCC-Bericht, Teil 3:

Um das Ziel zu erreichen, die globale Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad zu beschränken, muss den Forscher:innen zufolge der Höhepunkt der weltweiten Treibhausgas-Emissionen noch vor dem Jahr 2025 erreicht werden. Bis 2030 muss der Ausstoß demnach gegenüber 2019 um 43 Prozent sinken. Dazu seien rasche, tiefgreifende und meist sofortige Maßnahmen nötig.

Für das 1,5-Grad-Ziel sollen die CO2-Emissionen in den frühen 2050er Jahren bei Netto-Null landen. Das heißt: Jede ausgestoßene Tonne CO2 müsste auch wieder gebunden werden – also der Atmosphäre entzogen.

Erneuerbare Energien sind Atomkraft in vielen Dingen überlegen.
Der Weltkilmarat mahnt in seinem neuesten Bericht: Wir müssen erheblich weniger fossile Brennstoffe verbrauchen und dafür auf emissionsarme Energiequellen setzen. (Foto: CC0/ Pixabay/ andreas160578)

Um dies zu erreichen müssen einzelne Sektoren bestimmte Maßnahmen umsetzen:

  • Energie: Die Forscher:innen lassen keinen Zweifel daran, dass zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen im gesamten Sektor ein grundlegender Wandel erforderlich ist. Es müsse der Gesamtverbrauch an fossilen Brennstoffen erheblich verringert, emissionsarme Energiequellen eingesetzt, auf alternative Energieträger umgestellt und Energie effizient und sparsam verbraucht werden.
  • Industrie: In diesem Sektor sollen Materialien effizienter genutzt werden, etwa über die Wiederverwendung und das Recycling von Produkten sowie die Minimierung von Abfällen. Es brauche neue Produktionsverfahren, emissionsarme oder -freie Elektrizität, den Einsatz von Wasserstoff und CO2-Speicherung. In diesem Sektor null Emissionen zu erreichen könnte besonders schwierig werden.
  • Städte: Urbane Gebiete sollen aus Sicht der Expert:innen ihren Verkehr auf Strom umstellen und dafür emissionsarme Energiequellen nutzen. Parks und Freiflächen, Feuchtgebiete und urbane Landwirtschaft können CO2 aufnehmen und speichern und zudem das Risiko für Hochwasser oder innerstädtische Hitzeinseln verringern. Die Expert:innen weisen auch drauf hin, wie wichtig eine bessere Stadtplanung ist.
  • Gebäude: Ziel bei Neubauten und Nachrüstungen soll es sein, Emissionen zu minimieren. Dabei können Form und Funktionalität eine Rolle spielen, um Gebäude an die sich ändernden Bedürfnisse der Nutzer:innen anzupassen. Leerstehende Häuser sollen umgenutzt werden. Gerade mit Maßnahmen der Energieeffizienz könnten den Expert:innen zufolge bis 2050 rund 42 Prozent der Gebäude-Emissionen eingespart werden.
  • Verkehr: Der Weltklimarat fordert energieeffizientere Fortbewegungsmittel. Ihm zufolge bieten Elektrofahrzeuge mit emissionsarmem Stromantrieb das größte Potenzial für CO2-Reduktionen im Straßenverkehr. In der Luft und auf dem Wasser plädieren die Expert:innen neben verbesserten Produktionsprozessen und Kostensenkungen für nachhaltige Biokraftstoffe, emissionsarmen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe.

CO2 aus der Atmosphäre zu entfernen sieht der Weltklimarat ebenfalls als wichtige Maßnahme an, um die Emissionen auszugleichen, die sich schwer vermeiden lassen. Dafür eignen sich derzeit biologische Methoden wie Aufforstung. Neue Technologien benötigen mehr Recherche, Investitionen und Nachweise dafür, dass sie auch groß angelegt wirksam sind. Um Net-Zero-Emissionen zu erreichen, seien diese Maßnahmen essentiell. Allerdings brauche es noch aufeinander abgestimmte Methoden, um sie zu messen, zu melden und zu verifizieren.

Einige der vorgeschlagenen Maßnahmen sind direkt an Verbraucher:innen adressiert. Denn der Weltklimarat hat auch untersucht, welchen Einfluss es hat, weniger Fleisch zu essen oder sich klimafreundlicher fortzubewegen – und kommt zu dem Schluss: Der Lebensstil und das persönliche Verhalten haben einen entscheidenden Einfluss. Allerdings brauche es hier die richtigen Politikinstrumente, nicht die Abwälzung der Verantwortung auf die Einzelnen, betonen die Autor:innen. Mit den richtigen Richtlinien, neuen Technologien und passender Infrastruktur könne man die Treibhausgas-Emissionen bis 2050 um 40 bis 70 Prozent reduzieren, heißt es – „ein erhebliches ungenutztes Potenzial“.

1,5-Grad-Ziel wird wahrscheinlich überschritten

Beim Champignon züchten kommt viel auf die Temperatur an.
Das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen ist noch möglich – aber es wird immer unwahrscheinlicher. (Foto: CC0 / Pixabay / geralt)

Die Vereinten Nationen hatten im vorigen Jahr ihr Ziel bekräftigt, die Erderwärmung im Vergleich zum späten 19. Jahrhundert auf 1,5 Grad zu begrenzen, um katastrophale Folgen des Klimawandels zu verhindern. Es seien mittlerweile Klimaschutzmaßnahmen, gesetzliche Regulierungen und Marktmechanismen bekannt, die effektiv seien, so der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. „Wenn diese entsprechend skaliert und breiter angewendet werden, können sie tiefgreifende Einsparungen von Emissionen unterstützen und Innovationen ankurbeln.“ So seien etwa die Kosten für Solar- und Windenergie seit 2010 um bis zu 85 Prozent gesunken, was den Ausbau erneuerbarer Energien angekurbelt habe.

Im Durchschnitt lag der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen zwischen 2010 und 2019 allerdings so hoch wie nie zuvor in der Geschichte der Menschheit. Immerhin habe sich die Wachstumsrate verlangsamt.

Die Wissenschaft hält es für immer wahrscheinlicher, dass die Erhitzung der Erde zeitweise die kritische Schwelle von 1,5 Grad übersteigen könnte, bevor sie durch entsprechende Maßnahmen wieder darunter absinken könnte. Dabei wird auch die Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre eine Rolle spielen, die vom Weltklimarat erstmals ausführlicher untersucht wurde.

Mehr lesen: Direct Air Capture: So soll CO2 aus der Luft gewaschen werden

Wenn die Emissionen jedoch auf dem gleichen Level wie bisher bleiben, ist von einem Temperaturanstieg von 2 Grad bis 2050 auszugehen. Kann der CO2-Ausstoß hingegen reduziert und bis 2070 auf Netto-Null minimiert werden, ist mit einem maximalen Anstieg von weniger als 2 Grad zu rechnen.

Das hat es mit den Berichten des Weltklimarats (IPCC) auf sich

Hunderte Wissenschaftler:innen aus 65 Ländern haben für den neuesten Bericht des IPCC in den vergangenen Jahren Zehntausende Studien ausgewertet. Er ist Teil des sechsten Sachstandsberichts des Weltklimarats, dessen Veröffentlichungen als umfassendster und international anerkannter Stand der Klimaforschung gelten. In dem Teilbericht geht es um Maßnahmen zur Abschwächung des Klimawandels.

Der erste Teil über die wissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels kam im vergangenen Jahr zu dem Schluss, dass der Wert von 1,5 Grad – auf den die Erwärmung nach internationaler Vereinbarung möglichst beschränkt werden soll – schon in den nächsten 20 Jahren erreicht oder überschritten werden dürfte. Der Ende Februar veröffentlichte zweite Teil drehte sich um die drastischen Folgen des menschengemachten Klimawandels und Anpassungen, um Gefahr für Leib und Leben so weit wie noch möglich abzuwenden.

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