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„Stille Pandemie“: Was es damit auf sich hat

Zu wenig neue Antibiotika: Was es mit der "stillen Pandemie" auf sich hat
Foto: CC0 / Pixabay / Sansiona

Multiresistente Keime stellen eine weltweite Gesundheitsbedrohung dar. Doch für Pharmakonzerne ist die Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika nicht immer lukrativ. Das hat Folgen. Was es über die "stille Pandemie" zu wissen gilt.

Multiresistente Keime stellen eine große Gefahr für uns Menschen dar. Diese Erreger können sich vielen Antibiotika widersetzen, was die Behandlung von Krankheiten wie bakteriellen Infektionen erschwert. Davor warnt unter anderem das RKI. Doch die Suche nach neuen Medikamenten gerät ins Stocken. Immer mehr große Pharmaunternehmen ziehen sich aus der Forschung und Entwicklung neuer Antibiotika zurück, da dies kaum profitabel ist, wie Biochemiker Rolf Hömke vom Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) erklärt.

Die "stille Pandemie" der multiresistenten Keime

Bereits 2019 waren multiresistente Keime für fast fünf Millionen Todesfälle weltweit verantwortlich. Damit gehören Antibiotikaresistenzen zu den häufigsten Todesursachen auf globaler Ebene. Angesichts des rasanten Anstiegs multiresistenter Keime spricht die Weltgesundheitsorganisation (WHO) auch von einer „stillen Pandemie“.

Trotzdem unternehmen Pharmakonzerne immer weniger, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Sie bringen seit Jahren nur wenig neue Antibiotika auf den Markt, die nicht ausreichen, um dem wachsenden Resistenzproblem dauerhaft zu begegnen.

Biochemiker Hömke kennt die Gründe für den Mangel an Forschung und Entwicklung neuer Medikamente. So seien Antibiotika für die Unternehmen schlichtweg nicht lukrativ genug. Die Entwicklung eines neuen Medikaments würde eine bis mehrere Milliarden Euro kosten.

Mit Antibiotika ließe sich allerdings nur wenig Umsatz erzielen, der nicht ausreiche, um die Entwicklung zu refinanzieren. Die begrenzte Profitabilität hat laut Deutschlandfunk Kultur auch damit zu tun, dass viele neue Antibiotika als wertvolle Reserveantibiotika eingestuft werden und daher seltener zum Einsatz kommen als Standard-Antibiotika. 

Daher sei es Hömke zufolge notwendig, dass Regierungen bessere Anreize für neue Antibiotika bieten, hinsichtlich der Kostenerstattung und der Markteinführung. So wird zurzeit in der EU über eine absatzunabhängige Honorierung für die Markteinführung von neuen Antibiotika diskutiert. Das könnte für die Unternehmen Erleichterung bringen, da ihr Gewinn somit nicht alleine von der Stückzahl verkaufter Medikamente abhängt.

Für Hömke ist die Honorierung unabhängig vom Absatz eine unbedingte Notwendigkeit, damit die Antibiotika-Erforschung und -Entwicklung für Pharmaunternehmen wieder attraktiver wird. Doch grundsätzlich sei die Bereitschaft von Regierungen, finanziell zur Entwicklung der Medikamente beizutragen, noch zu gering.

Wie man Resistenzbildung verlangsamen kann

Bakterien bilden natürlicherweise mit der Zeit Resistenzen aus. Allerdings tragen einige Faktoren dazu bei, dass sich multiresistente Keime derzeit so rasant entwickeln, allen voran die großzügige beziehungsweise falsche Gabe von Antibiotika an Patient:innen. Diese führt dazu, dass Keime sich an die Medikamente „gewöhnen“ und die Fähigkeit ausbilden, gegen sie resistent zu werden.

Zudem kommen Antibiotika in großer Menge auch in der Nutzierhaltung zum Einsatz. Dabei handelt es sich laut der Deutschen Umwelthilfe bei 40 Prozent der Antibiotika in der Geflügelmast um Reserveantibiotika. 35 Prozent des Hähnchenfleisches in Discountern soll mit gefährlichen Antibiotikaresistenzen gegen Reserveantibiotika kontaminiert sein. 

Den Ergebnissen einer Studie der Weltgesundheitsorganisation zufolge kann auch eine rein pflanzliche Ernährung nicht komplett vor Antibiotikarückständen in Lebensmittel bewahren. Denn auch bei der Bekämpfung von Pflanzenkrankheiten werden Antibiotika eingesetzt, zum Beispiel bei Äpfeln und Birnen. Auch eine vorbeugende Behandlung von Pflanzen mit tonnenweise Antibiotika findet statt. 

Laut Rolf Hömke könne man die Resistenzbildung bei Keimen verlangsamen, indem

  • Hygienestandards in Kliniken konsequent durchgesetzt werden, 
  • Antibiotika rational eingesetzt werden,
  • man darauf verzichtet, Antibiotika als Masthilfe zu geben und
  • durch eine umweltgerechte Antibiotikaherstellung.

Man selbst könne etwas tun, indem man sich durch Impfungen vor bakteriellen Infektionen schützt. 

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