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Corona-Boom: Supermärkte machen Kasse, Arbeiter:innen zahlen den Preis

oxfam bericht corona
Foto: CC0 / Pixabay / jusch

Für deutsche Supermärkte war 2020 ein umsatzstarkes Jahr – auch wegen der Corona-Krise. Am anderen Ende der Lieferkette haben Arbeiter:innen mit schlechten Lebensbedingungen und niedrigen Löhnen zu kämpfen. Beides hängt zusammen.

Im Zug der Corona-Pandemie verzeichneten deutsche Supermärkte und Discounter 2020 ein großes Umsatzplus. Einem aktuellen Bericht der Hilfsorganisation Oxfam zufolge stiegen die Umsätze von Supermärkten wie Rewe und EDEKA im letzten Jahr um knapp 17 Prozent, bei Discountern wie Aldi und Lidl um immerhin knapp neun Prozent. Aufgrund dieser Steigerungen wuchs auch das Vermögen der Eigentümer:innen teilweise beträchtlich: Bei Dieter Schwarz, dem Haupteigentümer der Schwarz-Gruppe, betrug die Vermögenssteigerung beispielsweise über 30 Prozent. Zur Schwarz-Gruppe gehören unter anderem Lidl und Kaufland. Auch die Haupteigentümer:innen von Aldi Süd, Beate Heister und Karl Albrecht Junior, steigerten ihr Vermögen mit einem Sprung von knapp 18 auf fast 25 Milliarden Euro erheblich.

Oxfam weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass es sich bei solchen hohen Gewinnen nur um eine Seite der Medaille handelt: Auf der anderen Seite stehen Arbeiter:innen, die durch die Corona-Krise und ungleiche Profitverteilung kaum noch in der Lage sind, ihre Existenz zu sichern.   

Globale Lieferketten: Die Profite sind ungleich verteilt

Arbeiter:innen auf Teeplantagen in Assam erhalten nur einen Bruchteil des Verkaufspreises.
Arbeiter:innen auf Teeplantagen in Assam erhalten nur einen Bruchteil des Verkaufspreises.
(Foto: Quelle: BASIC, Wertschöpfungskette Tee, Assam, Indien nach Deutschland, 2017, Grafik: Oxfam)

Bei vielen Produkten in deutschen Supermärkten handelt es sich mittlerweile um Importware, oft aus weit entfernten Ländern. Beispiele dafür sind brasilianischer Kaffee, indischer Tee oder südafrikanischer Wein, den die Supermärkte von lokalen Produzent:innen ankaufen. Dabei fahren sie häufig Profite ein, während die finanzielle Lage der Menschen vor Ort prekär ist. Für seinen Bericht hat Oxfam Arbeitsbedingungen in Brasilien, Indien, Südafrika und Thailand recherchiert und dabei drastische Missstände offengelegt. „Während die Supermarktketten Kasse machen, kämpfen die Arbeiter*innen, die unser Essen herstellen, um ihre Existenz“, lautet das Fazit von Tim Zahn, Experte für Wirtschaft und Menschenrechte bei Oxfam. 

Der Bericht hält fest, dass viele Arbeiter:innen in den genannten Ländern ihre Arbeitsplätze durch die Corona-Pandemie verloren haben. Besonders seien davon Frauen betroffen: Sie hätten wegen der Pandemie nicht nur überdurchschnittlich oft ihre Jobs aufgeben müssen, sondern müssten in der Gesundheitskrise auch zusätzliche Care-Arbeit leisten.

Aber auch wer seiner Arbeit weiter nachgehen könne, tue das häufig unter sehr schlechten Bedingungen. Die Probleme sind vielfältig und reichen von niedrigen Löhnen über unzureichenden Krankheitsschutz bis hin zu moderner Sklavenarbeit. 

Indien, Brasilien, Südafrika: Löhne unter dem Existenzminimum

Nur ein Bruchteil des Verkaufspreises für südafrikanischen Wein geht an Plantagenarbeiter:innen.
Nur ein Bruchteil des Verkaufspreises für südafrikanischen Wein geht an Plantagenarbeiter:innen.
(Foto: CC0 / Pixabay / ADMC)

Oxfam hat im Rahmen des Berichtes auch untersucht, ob Arbeiter:innen mit ihren aktuellen Löhnen in der Lage sind, das Existenzminimum zu sichern. Die Lücken sind mitunter erheblich: Im indischen Bundesstaat Assam verdienen Teepflücker:innen etwa umgerechnet nur 1,91 Euro pro Tag, während ein existenzsichernder Lohn bei 10,08 Euro liegen müsste. Die Diskrepanz beträgt also über 80 Prozent. Lücken gibt es auch auf den brasilianischen Kaffeeplantagen (40 Prozent) und im südafrikanischen Weinbau (18 Prozent).   

Ein wesentlicher Grund für die schlechte Entlohnung ist die ungleiche Verteilung von Profiten: Den größten Anteil des Verkaufspreises behalten in der Regel die Supermärkte, die am Ende der Lieferkette stehen. Die Arbeiter:innen bekommen dagegen immer geringere Anteile ausbezahlt. Genauere Berechnungen für Tee, Kaffee und Wein zeigen, dass jeweils über 50 Prozent des Gewinns beim Einzelhändler verbleiben. Plantagenarbeiter:innen bekommen nur einen Bruchteil zu sehen: 1,1 Prozent sind es im Teeanbau; 1,2 Prozent im Weinanbau und 9 Prozent auf den Kaffeeplantagen.

Vor diesem Hintergrund bekommt die große Umsatzsteigerung der Supermärkte einen bitteren Beigeschmack: Mit dem Überschuss wäre es leicht möglich gewesen, die Lohnknappheit vor Ort wirksam zu bekämpfen. „Allein die Pandemiegewinne der Eigentümer von Aldi Süd hätten ausgereicht, um rund vier Millionen Beschäftigten im brasilianischen Kaffee-Sektor existenzsichernde Löhne zu zahlen“, so Tim Zahn.

Zu der existenzbedrohenden finanziellen Situation kommen häufig noch gesundheitsgefährdende Umstände hinzu: Arbeiter:innen sind Oxfam zufolge an ihren Arbeitsplätzen kaum vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus geschützt – und im Krankheitsfall meist nicht abgesichert.  

"Moderne Sklavenarbeit" auf brasilianischen Kaffeeplantagen

Besonders schwere Missstände deckt der Bericht auf den Kaffeeplantagen in Brasilien auf: Die brasilianische Regierung führe demnach einige dieser Plantagen auf ihrer „Lista suja“ („schmutzige Liste“) – einer schwarzen Liste von Unternehmen und Personen, die gegen das nationale Arbeitsrecht verstoßen. Der Vorwurf lautet auf „moderne Sklaverei“. 

Sklaverei ist international verboten. Die Vereinten Nationen fassen unter dem Begriff verschiedene Ausbeutungsverhältnisse zusammen. Seit im Jahr 1957 ein Zusatzeinkommen verabschiedet wurde, gehören dazu auch Schuldknechtschaft, Leibeigenschaft oder der Verkauf von Frauen und Kindern. Oxfam zufolge gelten überlange Arbeitstage und erniedrigende Arbeitsbedingungen nach brasilianischem Gesetz ebenfalls als Formen „sklavenähnlicher Arbeit“.  

Diese Definition scheint für die Zustände auf den betreffenden Kaffeeplantagen durchaus relevant: Nach eigener Aussage sollen Arbeiter:innen dort extreme körperliche Arbeit leisten, über kein fließendes Wasser verfügen und weder gegen Pestizide noch gegen das Corona-Virus ausreichenden Schutz erhalten. Schutzkleidung und -ausrüstung müssten sie vielmehr von ihren niedrigen Löhnen selbst finanzieren. Oft würden sie sich dazu bei ihren Arbeitgeber:innen verschulden und so in ein Schuldverhältnis geraten. 

Prekäre Arbeitsbedingungen: Was ist zu tun?

Oxfam fordert schärfere Gesetze, um die Ausbeutung von Arbeiter:innen einzuschränken.
Oxfam fordert schärfere Gesetze, um die Ausbeutung von Arbeiter:innen einzuschränken.
(Foto: CC0 / Pixabay / GregMontani)

Oxfam zufolge bestehen Lieferketten zwischen diesen Kaffeeplantagen und deutschen Supermärkten. Um welche Märkte und welche Produkte es sich im Speziellen handelt, ist nicht bekannt. Die Hilfsorganisation ruft Supermärkte allgemein dazu auf, ihr Geschäftsmodell zu verändern: Sie sollen sicherstellen, dass Arbeiter:innen in den Herkunftsländern von ihrer Arbeit leben können und menschenwürdig behandelt werden. Außerdem müsse ein ausreichender und kostenloser Schutz gegen Corona gewährleistet sein – und im Krankheitsfall die Fortzahlung des Lohns.   

Einen ersten Schritt in diese Richtung stellt das neue Lieferkettengesetz der deutschen Bundesregierung dar. Oxfam zufolge handle es sich dabei aber nur um eine „Minimallösung“. Für weitreichende Veränderungen seien schärfere Gesetze und eine EU-weite Regelung vonnöten. 

Im Alltag kannst du transparente Lieferketten und angemessene Löhne unterstützen, indem du Produkte mit einem Fairtrade-Siegel kaufst. Das Siegel ist an verschiedene soziale, ökologische und ökonomische Kriterien geknüpft. So soll es die Arbeitsbedingungen von Kleinbäuer:innen und Arbeiter:innen in den Herstellerländern verbessern. Mehr dazu erfährst du hier: Fairer Handel: Das solltest du über Fairtrade wissen.

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