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Nachhaltige Festivals: Grüner feiern von St. Gallen bis Glastonbury

Nachhaltige Festivals wie das Roskilde achten auf Mülltrennung, Öffis bei der Anreise und andere wichtige Dinge.
Foto: © Simon Frosig Christensen / Roskilde Festival

Der Sommer steht vor der Tür und dieses Jahr startet endlich wieder die Festival-Saison: Zehntausende Musikbegeisterte strömen jährlich zu Open Airs, um unbeschwert und ausgiebig zu feiern. Dabei entstehen riesige Mengen Müll und CO2-Emissionen – doch einige nachhaltigere Festivals machen es besser.

Jede Menge Live-Musik, Kunst und Spaß im Freien: Für Musikliebhaber:innen sind Festivals die schönste Beschäftigung im Sommer. Leider sind Open Airs nicht gerade umweltfreundliche Veranstaltungen: Bei einem Festival mit 80.000 Besucher:innen bleibt an einem Wochenende gerne mal so viel Müll liegen, wie eine Stadt mit gleicher Einwohnerzahl in einem Jahr produziert.

Auch der CO2-Ausstoß ist bei einer solchen Großveranstaltung gigantisch. Allein der Reiseverkehr – vor allem die Anreise mit dem Auto – verursacht die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen.

Festivals und Nachhaltigkeit

Zum Glück wissen immer mehr Veranstalter um ihre Verantwortung und ergreifen Maßnahmen wie eine Energieversorgung durch Ökostrom, Mülltrennung – und die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die für Festival-Besucher:innen im Ticket mit inbegriffen ist.

Einige Festivals sind komplett auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, wie das Tollwood in München oder das Green Me Festival, das sogar weltweit stattfindet. Andere engagieren sich vorbildlich für die Umwelt und integrieren zudem soziales Engagement in ihre Philosophie.

Wir zeigen dir nachhaltige Festivals in Deutschland und Europa und verraten, was die Veranstalter bereits besser machen. In den vergangenen beiden Jahren konnten Festivals aufgrund der Corona-Pandemie nicht oder nicht wie geplant stattfinden. Auch diesen Sommer ist Corona natürlich nicht verschwunden. Du solltest dir deshalb vor dem Besuch eines nachhaltigen Festivals überlegen, ob du dich unter so vielen Menschen wohl fühlst und unbeschwert feiern kannst.

Open Air St. Gallen: Trash Heroes bekämpfen den Müll

Das Open Air St. Gallen findet jährlich um den 1. Juli herum statt, 2022 geht das nachhaltige Festival von 30. Juni bis 3. Juli. Um die 30.000 Besucher:innen strömen zu dem Festival in die Schweiz. Das Festival hat nicht nur musikalisch einiges zu bieten – auch in Sachen Nachhaltigkeit ist das Open Air St. Gallen vorbildlich: Freiwillige Helfer:innen alias „Trash Heroes“ sorgen seit Jahren dafür, dass das Gelände nicht zugemüllt wird. Sie klären die Besucher:innen über die Abfall-Problematik auf und verteilen Müllsäcke. Das Festival wird außerdem vollständig mit Ökostrom versorgt.

Auf dem Open Air St. Gallen sorgen Trash Heroes für weniger Müll.
Auf dem Open Air St. Gallen sorgen Trash Heroes für weniger Müll. (Foto: © Open Air St. Gallen)

Die Veranstalter bemühen sich, das gastronomische Angebot im Bereich bio, vegetarisch und vegan auszubauen – zudem stammt das verkaufte Fleisch ausschließlich aus der Schweiz. Auch der Merchandise-Bereich kann sich sehen lassen: Pullover und Fan-Shirts sind aus Bio-Baumwolle und fair gehandelt.

Damit mehr Festivalbesucher:innen mit der Bahn anreisen, bekommt man 50 Prozent Nachlass auf Bahntickets. 2019 sind laut Veranstalter rund 83 Prozent der Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln, per Fahrrad oder zu Fuß angereist. Eine effektive Maßnahme kann auch die Parkplatzgebühr von rund 60 Schweizer Franken sein.

2020 wurde das Open Air St.Gallen für sein langjähriges Engagement in Sachen Nachhaltigkeit von den European Festival Awards mit dem Green Operations Award ausgezeichnet.

Roskilde Festival: Umweltbewusst und Non-Profit

Das Roskilde Festival ist eines der größten Festivals in Nordeuropa: Rund 100.000 Besucher:innen feiern Ende Juni (25.06.-02.07.22) acht Tage lang nahe der Stadt Roskilde in Dänemark, etwa 30 km von der Hauptstadt Kopenhagen entfernt.

Das Roskilde Festival in Dänemark ist eine Non-Profit Veranstaltung.
Das Roskilde Festival in Dänemark ist eine Non-Profit Veranstaltung. (Foto: © Christian Hjorth / Roskilde Festival)

Das Festival ist eine Non-Profit Veranstaltung und hat seit seiner Gründung 1971 bereits über 25 Millionen Euro an gemeinnützige Organisationen gespendet, beispielsweise Ärzte ohne Grenzen, Amnesty International und verschiedene Flüchtlings-Initiativen.

2015 bekam Roskilde von der Green Music Initiative – die sich für nachhaltigere Musikveranstaltungen einsetzt – den Green Operations Award verliehen: Weil die Veranstalter so umweltbewusst wie möglich arbeiten und sich sozial engagieren. Das Festival sammelte 27,5 Tonnen übrig gebliebene Lebensmittel und spendete sie an Tafeln und Obdachlosenheime.

Paleo-Festival: Freigeist-Flair mit kulinarischer Vielfalt

Das Paleo Festival Nyon findet alljährlich Ende Juli (19.-24. Juli 2022) in der französischen Schweiz am Genfersee statt. Es dauert sechs Tage und zieht täglich rund 35.000 Besucher:innen an. Genau wie das Open Air St. Gallen und das Roskilde Festival legt dieses Festival einen Fokus auf soziales und ökologisches Engagement.

Eine Recycling-Statue auf dem Paleo Festival Nyon.
Eine Recycling-Statue auf dem Paleo Festival Nyon. (Foto: recycle statue von Joel Bez unter CC-BY-2.0)

Mit dem Festivalticket dürfen auch die örtlichen öffentlichen Verkehrsmittel frei genutzt werden, zudem setzt Paleo Sonderzüge ein, um der Anreise mit dem Auto entgegenzuwirken. Das Festival wird ebenfalls zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt und mehr als 5.000 freiwillige Helfer:innen sorgen für ein sauberes Gelände und für eine korrekte Mülltrennung. Auch kulinarisch hat das Festival etwas zu bieten: Das Essen ist bio und regional, vegetarisch und vegan. Seit 2019 arbeitet das Festival mit der App Too Good To Go zusammen, damit unverkaufte Lebensmittel nicht im Müll landen. 

Das Paleo-Festival wurde mehrfach mit Preisen für sein nachhaltiges und soziales Engagement ausgezeichnet: Beispielsweise ist es seit 2007 von der Europäischen Festivalvereinigung durch den „Green’n’Clean Award“ zertifiziert.

Lies auch: Festival-Packliste: Mit dieser Checkliste hast du alles dabei

Glastonbury Festival: Nachhaltigkeit und der Geist von Woodstock

Eines der weltweit größten Festivals ist das Glastonbury mit etwa 177.000 Besucher:innen. Es findet jährlich an einem Wochenende Ende Juni (dieses Jahr von 22. bis 26. Juni) statt und engagiert sich ökologisch und sozial.

Schluss mit Konsum – die Message eines Kunstobjekts des Glastonbury Festivals.
Schluss mit Konsum – die Message eines Kunstobjekts des Glastonbury Festivals. (Foto: consumption von Rachel Docherty unter CC-BY-2.0)

Seit mehr als 25 Jahren arbeiten die Festivalbetreiber mit Oxfam, Greenpeace und WaterAid zusammen. Diese bekommen auf dem Festival jeweils einen eigenen Bereich. Dort vermitteln sie den Festivalgänger:innen Umweltbewusstsein und soziales Engagement. Außerdem spendet das Festival jedes Jahr etwa eine Million Pfund an wohltätige Organisationen.

Seit 2019 gilt auf dem Festivalgelände ein Verbot für Einweg-Plastikflaschen. Besucher:innen können selbst eine Trinkflasche aus Metall mitbringen oder vor Ort kaufen. Neu aufgestellte Wasserhähne bieten kostenfreies Trinkwasser an.

Nachhaltiges Melt! Festival – Hotelzug und Fahrradanreise

Das Melt! Festival findet jedes Jahr Mitte Juni (09.-12.06.22) auf der Halbinsel Ferropolis nahe Dessau (Sachsen-Anhalt) statt. Es ist mit 20.000 Festivalbesucher:innen eher klein – dafür aber gemütlich.

Das Melt! Festival findet auf einer kleinen Halbinsel statt, auf der früher Braunkohle abgebaut wurde. Hier sorgt die Umweltinitiative M!ECO für mehr Nachhalitgkeit.
Das Melt! Festival findet auf einer kleinen Halbinsel statt, auf der früher Braunkohle abgebaut wurde. Hier sorgt die Umweltinitiative M!ECO für mehr Nachhalitgkeit. (Foto: © Stephan Flad / Melt! )

Das Festival beschreibt sich selbst wie folgt: „Auf dem Melt Festival eröffnet sich unseren Besuchenden eine neue Welt, abseits von jeglichem Grenzdenken“.

Auch in Sachen Nachhaltigkeit mach die Veranstalter:innen schon vieles richtig: Die Umweltoffensive M!ECO entstand in Zusammenarbeit mit der Green Music Initiative. Die Veranstalter:innen möchten noch nachhaltiger werden: Auf dem Melt! gibt es eine große Auswahl an veganen, vegetarischen, Bio und regionalen Speisen und Getränken. Außerdem arbeitet das Festival mit einigen NGOs wie Oxfam oder Viva con Agua zusammen. Goldeimer zum Beispiel stellt die Komposttoiletten bereit.

Um den Reiseverkehr zu reduzieren, hat sich Melt! etwas Besonderes ausgedacht: Einen Hotelzug, der auf der Strecke Köln – Ferropolis verkehrt. Die Mitfahrer:innen können direkt im Zug übernachten und brauchen weder Zelt noch Isomatte mitzuschleppen. Auch gut: Die Veranstalter organisieren eine mehrtägige Fahrradanreise von Hamburg und Berlin aus.

Nachhaltige Festivals: Tollwood – für Mensch und Umwelt

Das Tollwood Festival in München findet zweimal im Jahr für etwa vier Wochen statt: einmal im Winter und einmal im Sommer. Es ist in erster Linie ökologisch, nachhaltig und sozial ausgerichtet. Das Tollwood ist kein klassisches Musikfestival: Camping ist hier nicht angesagt – dafür gibt es Kunst und Kultur und vielseitige Gastronomie. Ein „Markt der Ideen“ zeigt und verkauft Kunsthandwerk aus aller Welt.

Das Tollwood Festival im Sommer.
Das Tollwood Festival im Sommer. (Foto: Tollwood-summerfestival 2011-(2) von FHgitarre unter CC-BY-2.0)

Das kulinarische Angebot aus aller Welt ist Bio und aus fairem Handel. Dass Produkte fair gehandelt sind, ist auch für alle anderen Standbetreiber:innen und Kunsthandwerker:innen Voraussetzung. Das Festival wird zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt und stellt Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen 150 Quadratmeter Standfläche umsonst zur Verfügung.

Auch interessant für dich: Festival-Essen: Ideen und Tipps für leckere und nachhaltige Mahlzeiten

Die nachhaltigen Rahmenbedingungen stimmen also. Doch das Tollwood vermittelt auch nachhaltige Inhalte: Bei „Kunst am Platz“ beispielsweise zeigt das Festival jedes Jahr Kunstinstallationen, die sich mit dem wechselnden Themen beschäftigen – und ein wichtiges Statement für mehr Klimaschutz setzen.

Streetlife Festival: Wo die Hauptstraße zur Haupttribüne wird

Seit dem Jahr 2000 veranstaltete die Münchner Umweltinitiative Green City e.V. anlässlich des europaweiten autofreien Tages das Streetlife Festival. An zwei Wochenenden im Jahr verwandelte Green City dazu eine der größten Hauptstraßen Münchens in eine autofreie Zone. Ziel der Veranstaltung: zeigen, dass Stadt so viel mehr sein kann, als nur lärmende Verkehrsfläche.

Nachhaltige Festivals: Streetlife Festival München
Das Streetlife Festival verwandelt die vielbefahrene Ludwigstraße in eine Kulturzone. (Foto: © Simone Naumann)

Auf 60.000 Quadratmetern fanden Konzerte lokaler und nationaler Bands statt, es wurden Graffiti-Workshops zu urbaner Kunst angeboten, Aussteller informierten über Klima-, Naturschutz und umweltfreundlicher Mobilität, ein Bio-Markt mit regionalen Produkten lud zum Schlendern ein und Kinder konnten sich auf einem Mitmach-Bauernhof austoben. Auch für Sportbegeisterte war etwas geboten: Im „Ludwigstadion“ gab es eine Kletterwand, einen Baseballplatz und einen Testparcours für Skate- und Longboards.

Nachhaltige Highlights: Das Festival wurde komplett mit Ökostrom versorgt. Weil es auf einer Straße stattfand, wurden keine Wiesen, Pflanzen oder Bäume beschädigt, die Gastronomen durften ausschließlich Mehrweggeschirr verwenden.

Die Corona-Pandemie verhinderte das nachhaltige Festival die letzten Jahre. Nun haben die Veranstalter der ursprünglichen Idee des Streetlife – Lebensraum statt Straßenraum – Lebewohl gesagt und wollen weiterziehen in die einzelnen Stadtviertel. Im Moment arbeiten sie nach eigenen Aussagen an Ideen für neue Streetlife-Konzepte in den Vierteln Münchens.

Green Me Festival

Das Green Me Festival ist kein Festival im klassischen Sinne, denn es handelt sich hierbei um ein Filmfestival. Die Berliner Non-Profit-Initiative Green Me organisiert das jährlich stattfindende nachhaltige, internationale Festival „Green Me Global Festival for Sustainability”. Das Festival findet inzwischen auf vier Kontinenten in sieben Ländern statt: Deutschland, Frankreich, Israel, Nigeria, Iran, Kanada und in den USA.

Green Me wurde 2013 u.a. mit dem Earth Day Award ausgezeichnet. Bekannte Teilnehmer:innen des Green Me Festivals waren bisher Prince Albert II von Monaco, Schauspielikone Danny DeVito, Schauspielerin Nina Eichinger, Umweltministerin Dr. Barbara Hendricks und viele mehr.

Nachhaltigere Festivals: Green Camping und Umwelt-Rocky

Auch bekannte deutsche Festivals, wie Southside/Hurricane und Rock im Park/Rock am Ring ergreifen bereits Maßnahmen: Für umweltbewusste Festivalbesucher:innen gibt es einen „Green Camping“-Bereich. Auf diesem Gelände achten Besucher:innen auf Sauberkeit und Ruhe.

Rock im Park verleiht jährlich den Umwelt-Rocky für den saubersten Campingplatz, gewinnen kann man Tickets fürs Folgejahr. Das Lollapalooza in Berlin hat den Grünen Kiez ins Leben gerufen, auf dem nachhaltige Projekte, Ideen und Innovationen vorgestellt und ausprobiert werden.

Nachhaltige Festivals brauchen nachhaltige Besucher:innen

Auch wenn die Bemühungen der Festival-Veranstalter:innen viel bewirken: Wenn wir Besucher:innen unsere kaputten Zelte, Isomatten und leeren Bierdosen liegen lassen, haben sie nur wenig Wirkung. Beim Feiern in der Natur müssen wir deswegen auch im Kleinen dafür sorgen, die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten und zu verunstalten. Folgende Tipps kannst du ganz einfach umsetzen:

  • Zelte, Schlafsäcke und Isomatten kann man sich wunderbar von Freund:innen oder der Familie leihen. Positiver Nebeneffekt: Auf geliehene Dinge gibt man automatisch besser Acht.
  • Statt Dosenravioli oder gekauften Gerichten auf Einweggeschirr kannst du dir Festival-Essen zuhause vorbereiten und hast für mehrere Tage gesunde und frische Mahlzeiten.
  • Verpackungen sparen: Bei deinem mitgebrachten Essen kannst du darauf achten, möglichst verpackungsfrei einzukaufen, bei mitgebrachten Getränken solltest du auf Mehrweg setzen und die leeren Flaschen und Dosen nach dem Festivalbesuch wieder mitnehmen.
  • Beim übrigen Camping-Zubehör wie Campingkocher, Trinkflasche und Lampe kannst du auf langlebige und umweltschonende Materialien achten.

Schau dir dazu auch unsere 7 Tipps für nachhaltiges Feiern an.

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