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Neue Studie deckt Doppelstandards im Handel mit Pestiziden auf

doppelstandards pestizide
Foto: CC0 / Pixabay / wuzefe

Einer neuen Studie zufolge verkaufen die deutschen Unternehmen Bayer und BASF in Nicht-EU-Ländern Pestizide, die in der EU nicht zugelassen sind. Die Studie untersucht auch, welche Auswirkungen diese Pestizide in Südafrika und Brasilien haben.

Die im April vorgestellte Studie trägt den Titel „Gefährliche Pestizide von Bayer und BASF – ein globales Geschäft mit Doppelstandards„. Verschiedene Organisationen sind an ihr beteiligt:

  • INKOTA (beschäftigt sich unter anderem viel mit Nord-Süd-Konflikten und globalen Gerechtigkeitsfragen)
  • die PDS-nahe Rose-Luxemburg-Stiftung
  • das katholische Hilfswerk Misereor
  • sowie jeweils eine Organisation aus Brasilien und Südafrika

Das Bundesentwicklungsministerium hat die Studie gefördert. Hier kannst du sie als PDF kostenlos herunterladen.

In der Studie geht es um das internationale Geschäft mit Pflanzenschutzmitteln von Bayer und BASF am Beispiel von Südafrika und Brasilien. Ein Ergebnis der Studie: Bayer und BASF vertreiben in diesen Ländern Pestizide mit Wirkstoffen, die in der EU nicht zugelassen sind. Daher kommt der Vorwurf der „Doppelstandards“. Die Studie will außerdem anhand von konkreten Beispielen zeigen, welche Auswirkungen diese Pestizide an ihren Einsatzorten haben.

Doppelstandards im Pestizidhandel: Hintergrundinformationen

Laut der Studie ist Deutschland der zweitgrößte Exporteur von Pestiziden. Bayer und BASF tragen als zwei der weltweit größten Chemiekonzerne maßgeblich dazu bei.

International gibt es der Studie zufolge verschiedene freiwillige und verpflichtende Richtlinien, die den Handel mit Pestiziden regeln sollen. 

  • In den freiwilligen Abkommen geht es vor allem darum, den Handel mit Pestiziden besser zu kontrollieren, Gesundheit am Arbeitsplatz sicherzustellen und allgemein die Umweltverschmutzung durch Pestizide zu reduzieren.
  • Die verbindlichen Regelungen beziehen sich auf bestimmte Arten von Wirkstoffen, die als besonders problematisch gelten. Beispielsweise darf ein Land laut der PIC-Konvention bestimmte Wirkstoffe nur in ein anderes Land exportieren, nachdem dessen Regierung der Einfuhr aktiv zugestimmt hat.

Laut den Autoren der Studie betreffen die verbindlichen Abkommen allerdings nur 3,3 Prozent der weltweit vertriebenen Pestizidwirkstoffe. Für den Rest gibt es nur freiwillige Abkommen und die Zulassungsrichtlinien der einzelnen Staaten.

Pestizidwirkstoffe sind unterschiedlich schädlich für Umwelt und Gesundheit. Es gibt neben den verbindlichen und freiwilligen Richtlinien zwei Listen, die besonders gefährliche Pestizide (sogenannte HHPs) klassifizieren:

  • Eine Liste von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).
  • Eine Liste des Pestizid Aktions-Netzwerks (PAN). Diese baut auf der Liste von WHO und FAO auf, ist aber umfangreicher, weil die Kriterien strenger sind. Laut einem Beitrag der Tagesschau bezieht PAN alle verfügbaren Risikobewertungen anerkannter Institutionen mit ein. Pestizidhersteller erkennen die PAN-Liste der Tagesschau zufolge nicht an, sondern nur die weniger strenge Liste von WHO und FAO.

Hinweis: Pestizid“ ist ein Überbegriff für Insektizide, Fungizide und Herbizide. Solche Pestizide bestehen laut der Studie üblicherweise aus einem oder mehreren Wirkstoffen, Hilfsstoffen und Lösungsmitteln. Die Regelungen und Zulassungsverfahren beziehen sich (zumindest im Falle der EU) auf einzelne Wirkstoffe, nicht die fertigen Produkte.

Generelle Probleme mit Pestiziden

Viele Landarbeiter sind nicht ausreichend über den richtigen Einsatz von und den Schutz vor Pestiziden aufgeklärt.
Viele Landarbeiter sind nicht ausreichend über den richtigen Einsatz von und den Schutz vor Pestiziden aufgeklärt.
(Foto: CC0 / Pixabay / Thomas_Gerlach)

Der Studie zufolge erleiden weltweit etwa drei Millionen Menschen pro Jahr akute Pestizidvergiftungen, 20.000 bis 40.000 Menschen sterben daran an ihrem Arbeitsplatz. Die Studienautoren nennen dafür verschiedene Gründe:

  • Laxe Zulassungsverfahren in einigen Staaten
  • Mangelnder Schutz am Arbeitsplatz (zum Beispiel fehlende Schutzkleidung)
  • Fehlende Aufklärung, wie gefährlich die Pestizide sind und wie sie richtig eingesetzt werden.

Auch die Entsorgung von Pestiziden ist in Ländern ohne eine gute Entsorgungsinfrastruktur problematisch. Laut der Studie lassen sich in vielen Ländern Pestizidrückstände im Grundwasser nachweisen.

Die Studienautoren sehen neben dieser generellen Problematik aber auch eine Verantwortung bei Unternehmen wie BASF und Bayer, die weltweit Pestizide vertreiben. Die Unternehmen beteuern, dass ihre Produkte bei der richtigen Anwendung sicher seien. Die Studienautoren argumentieren jedoch, dass Bayer und BASF unverantwortlich handeln: Sie würden gefährliche Wirkstoffe mit dem Wissen vermarkten, dass es an vielen Zielorten an Arbeitsschutz, gesundheitlicher Aufklärung und guten Entsorgungssystemen mangelt.

Die Studie soll diese Vorwürfe konkretisieren: Am Beispiel von Südafrika und Brasilien zeigt sie, wie viele der dort von Bayer und BASF vertriebenen Wirkstoffe in der EU nicht zugelassen und wie viele laut PAN als hochgefährlich eingestuft sind. Außerdem stellt sie anhand einiger Beispiele eine Verbindung zwischen Doppelstandards im Pestizidhandel und Vergiftungsfällen an den Einsatzorten her.

Doppelstandards bei Pestiziden: Die Ergebnisse der Studie

In Südafrika besuchten die Studienautoren unter anderem eine Zitronenfarm.
In Südafrika besuchten die Studienautoren unter anderem eine Zitronenfarm.
(Foto: CC0 / Pixabay / Pexels)

Das zentrale Ergebnis der Studie zu Doppelstandards im Pestizidhandel: Bayer und BASF vertreiben in Brasilien und Südafrika zusammengenommen mindestens 28 Wirkstoffe, die in der EU nicht zugelassen sind. Zum Teil verkaufen sie fertige Pestizide an Firmen vor Ort, zum Teil die einzelnen Wirkstoffe. Fabriken in den Ländern stellen daraus dann Pestizide her.

Weitere Ergebnisse der Studie:

  • Einige der Wirkstoffe haben Bayer und BASF nie in der EU zu Zulassungsverfahren angemeldet. Andere jedoch waren in der EU mal zugelassen, sind es heutzutage aber nicht mehr – weil sie als zu risikoreich eingestuft wurden.
  • 14 der betroffenen Wirkstoffe stehen auf der PAN-Liste der hochgefährlichen Wirkstoffe.
  • Sieben der betroffenen Wirkstoffe sind in der EU explizit verboten, weil sie erhebliche Gefahren für Umwelt und Gesundheit darstellen.

Doppelstandards im Pestizidhandel: Die Beispiele Südafrika und Brasilien

In den meisten Bundesstaaten Brasiliens ist es erlaubt, Pestizide mit dem Flugzeug zu versprühen.
In den meisten Bundesstaaten Brasiliens ist es erlaubt, Pestizide mit dem Flugzeug zu versprühen.
(Foto: CC0 / Pixabay / amissphotos)

Südafrika bietet laut der Studie afrikaweit den größten Absatzmarkt für Pestizide. Den dortigen Pestizidhandel beschreibt die Studie als sehr intransparent – es gibt kaum öffentlich zugängliche Informationen. Einmal zugelassene Wirkstoffe werden zu einem späteren Zeitpunkt nicht noch einmal überprüft.

Die Studienautoren haben sich verschiedene Farmen in Südafrika angesehen und dort festgestellt, dass geltende Arbeitsschutzgesetze oft nicht eingehalten werden. Besonders betroffen sind demnach Saison- und Gastarbeiter aus anderen afrikanischen Staaten.

Brasilien gehört laut der Studie weltweit zu den Staaten mit dem höchsten Pestizidverbrauch. Insbesondere seit dem Amtsantritt von Bolsonaro wurden viele neue Pestizide zugelassen – über 400 waren es allein 2019. 44 Prozent der in Brasilien zugelassenen Wirkstoffe sind in der EU nicht zugelassen. Zudem sind die Grenzwerte für Pestizidrückstände im Grundwasser in Brasilien laut der Studie 5000 mal so hoch wie in der EU.

Weiterhin berichtet die Studie, dass Bayer und BASF in Brasilien besonders großen Einfluss haben: Als Mitglieder von Agrarchemie-Interessensverbänden nähmen sie Einfluss auf die Gesetzgebung. Unter anderem haben die Verbände das Ziel, Zulassungsverfahren für neue Wirkstoffe weiter zu vereinfachen.

Die Studie zitiert einen Bericht von Human Rights Watch aus dem Jahr 2018, wonach vor allem Teile der indigenen Bevölkerung, Afroamerikaner sowie Kleinbauern und ihre Familien von Schäden durch Pestizide betroffen sind.

In einem konkreten Fall, so die Studie, hat Anfang des Jahres erstmals ein Gericht Entschädigungszahlungen an eine betroffene Gemeinde erwirkt. In dem Fall hatten Landwirte ein Sprühflugzeug eingesetzt (das ist in den meisten Bundesstaaten Brasiliens erlaubt), um ein Fungizid von Bayer zu versprühen – mit einem in der EU zugelassenen Wirkstoff. Die Betreiber des Flugzeugs wurden verurteilt, weil sie zu nahe an der Gemeinde Pestizide versprühten und die Dorfbewohner daraufhin unter anderem Durchfall und Bauchschmerzen bekamen.

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Doppelstandards im Pestizidhandel: Weitere Studie mit ähnlichen Ergebnissen

Der Bericht der Tagesschau nennt eine weitere kürzlich erschienene Studie von einem Greenpeace-Team und der Schweizer Organisation „PublicEye“, die sich ebenfalls mit Doppelstandards im Pestizidhandel befasst. Die Ergebnisse sind ähnlich:

  • 2018 machten die fünf größten Pestizid-Anbieter 35 Prozent ihrer Erlöse durch laut PAN hochgefährliche Pestizide. In Staaten mit mittlerem oder niedrigem Einkommen waren es sogar über 50 Prozent.
  • BASF macht der Studie zufolge 25 Prozent seiner Umsätze mit HHPs, Bayer sogar 37 Prozent.

Ein konkretes Beispiel aus der Studie: Das Bayer-Fungizid „Antracol“ ist in der EU schon länger nicht mehr zugelassen und gilt in den USA als „wahrscheinlich krebserregend“. Bayer will die Produktion des Pestizids in den nächsten Jahren jedoch steigern – unter anderem für Märkte in Brasilien, Thailand und Japan. 

Interessant daran ist auch, dass Japan OECD-Mitglied ist. Warum ist das im Zusammenhang mit Doppelstandards im Pestizidhandel interessant? Laut der Süddeutschen Zeitung argumentieren Bayer und BASF damit, dass ihre Wirkstoffe seit 2016 in einem OECD-Mitgliedsstaat registriert sein müssen. Das Beispiel Japan zeigt jedoch, dass die OECD-Mitgliedsstaaten offenbar sehr unterschiedliche Zulassungsverfahren für Pestizide haben. So verhindert die Regelung anscheinend nicht, dass BASF und Bayer weiterhin gefährliche Pestizide vermarkten können.

Forderungen der Studienautoren und wie du selber gegen Doppelstandards im Pestizidhandel aktiv werden kannst

Eine Entscheidung für Bio-Lebensmittel ist eine Entscheidung gegen synthetische Pestizide.
Eine Entscheidung für Bio-Lebensmittel ist eine Entscheidung gegen synthetische Pestizide.
(Foto: CC0 / Pixabay / ElasticComputeFarm)

Die Studienautoren richten am Ende des Dokuments Forderungen an Unternehmen und Staaten, um Doppelstandards im Pestizidhandel einzudämmen:

  • Deutschland soll den Export von in der EU nicht zugelassenen Wirkstoffen verbieten. Das Pflanzenschutzmittelgesetz ermögliche dies, so die Studie. Außerdem soll die Regierung sich weltweit für das Verbot von HHPs einsetzen und Informationen über den Export von Pestiziden in Zukunft besser öffentlich zugänglich machen. Aktuell veröffentlicht das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz laut der Studie nur, welche Wirkstoffe in welcher Größenordnung Deutschland verlassen – keine genauen Zahlen, Zielorte und beteiligte Unternehmen.
  • Brasilien und Südafrika sollen den Import von Wirkstoffen und Pestiziden verbieten, die nicht in der EU zugelassen sind. Außerdem soll Südafrika den Handel mit HHPs verbieten und Brasilien insbesondere den Einsatz von Sprühflugzeugen unterbinden.
  • Von Agrarchemie-Unternehmen wie Bayer und BASF fordern die Studienautoren, den Export von HHPS in Länder des globalen Südens zu stoppen und diese Wirkstoffe schnellstmöglich gar nicht mehr herzustellen.

Ob diese Forderungen in Zukunft umgesetzt werden, ist fraglich. Es jedoch auch Möglichkeiten, wie wir Verbraucher uns gegen Doppelstandards im Pestizidhandel positionieren können:

  • Unter dem Link von Misereor findest du eine Petition für eine Forderung nach einem „Lieferkettengesetz„. Dieses soll erwirken, dass sich deutsche Unternehmen im Ausland an Menschenrechte und Umweltstandards halten.
  • Foodwatch hat eine Petition gestartet, die deutsche Unternehmen dazu auffordert, keine in der EU nicht zugelassenen Wirkstoffe mehr zu exportieren.
  • Indem du dich für Bio-Lebensmittel entscheidest, unterstützt du eine Form der Landwirtschaft, in der die chemisch-synthetische Pestizide verboten sind (mehr dazu im Artikel Studie beweist: Bio ist gesünder).

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