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Nivea: Wie grün ist die blaue Dose?

© Gorilla / Fotolia.com

Ganz schön nachhaltig? Nivea, die weltweit bekannte und geschätzte Kosmetikmarke, hat ihre Dosen in den vergangenen 100 Jahren um ganze sechs Prozent leichter gemacht. Wie sich das Unternehmen weiter in Sachen Nachhaltigkeit schlägt, lesen Sie in unserem Prüfstand.

Mit der Nivea Creme fing alles an, seit 1912 gibt es das Produkt in der Dose. Die erste Verpackung war gelb, 1925 wurde das Blau-Weiss gewählt, das die Marke bis heute prägt. Während sich das Design seither nur minimal veränderte, hat sich in diesem Segment der Beiersdorf AG einiges getan. Zur weltweiten Marke weiterentwickelt gibt es von Nivea mittlerweile Produkte für jeden Körperpflegebereich – wie und wo aber wird die Pflege für jeden Bereich von Gesellschaft und Umwelt spürbar?

Nivea: ein reformierter Klassiker

Am Beispiel der Cremedose erläutert Ralph Esper, Pressesprecher für Nivea, das Engagement im Bereich Verpackung: „[…] So wurde beispielsweise die blaue Nivea-Dose, von der jedes Jahr mehr als 120 Millionen Stück hergestellt werden, durch ein spezielles Verfahren leichter gemacht. Dadurch konnten über sechs Prozent Verpackungsgewicht eingespart werden – das sind rund 120 Tonnen Aluminium, die pro Jahr weniger benötigt werden.“

Das von Beiersdorf entwickelte Öko-Auditverfahren ESMAS (Environmental Protection and Safety Management Audit Scheme) orientiert sich laut Esper am internationalen Umweltstandard ISO 14001, sowie an dem für Arbeitsschutz-Management OHSAS 18001, besonders wichtig: „Die Auditierungen finden rund um den Globus an allen Produktionsstätten statt“, teilt Esper mit. Geprüft werde durch unabhängige Gutachter der DQS GmbH (Deutsche Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen), die auch die Übereinstimmung mit den internationalen Normen sicherstellen würden.

Geht Nivea unter die Haut?

Fürsprecher von Naturkosmetik lehnen Stoffe aus Erdöl in Pflegeprodukten ab. Abgesehen davon, dass Erdöl kein nachwachsender Rohstoff ist, kritisieren sie, dass Fette auf Erdölbasis nicht oder nur teilweise von der Haut aufgenommen werden können. Das Magazin Öko-Test fasst mögliche Auswirkungen zusammen, so verringere sich etwa die Atmungsfähigkeit der Haut, sie beginne zu schwitzen und trockne letztlich schneller aus – das Gegenteil vom gewünschten Effekt. Während in Naturkosmetik jegliche Produkte aus Erdöl untersagt sind, vertraut Nivea der eigenen Erfahrung: „Der Anteil synthetischer, erdölbasierter Inhaltsstoffe liegt bei weniger als 40 Prozent. In den von Beiersdorf angebotenen Rezepturen leisten diese Stoffe einen wichtigen Beitrag zur Hautpflege, indem sie zum Beispiel trockene Haut im Winter in einem besonderen Maß vor Feuchtigkeitsverlust schützen und die so genannte Hautbarriere stärken. Die angewendeten Rezepturen mit ihren Formulierungsprinzipien haben sich bewährt und werden weltweit seit vielen Jahrzehnten jeden Tag von Millionen von Anwendern problemlos angewendet und vertragen“, erklärt Ralph Esper die Haltung des Unternehmens.

Auch beim Umgang mit Konservierungsstoffen aus der umstrittenen Gruppe der Parabene sieht Nivea mehr Vorteile als Risiken. Parabene sind – unerwünschter Nebeneffekt eines Konservierungsstoffs – nur schlecht abbaubar, können sich also im menschlichen Gewebe ansammeln. Ein aktueller EU-Bericht sieht zudem den Hormonhaushalt von Kindern durch Parabene gestört. Nivea wertet die positiven Effekte dennoch höher, da die Stoffe die Gefahr vom Verschimmeln und Verkeimen verringerten: „Ohne Konservierungsstoffe würde die Uhr vieler Kosmetikprodukte bereits mit dem Öffnen zu ticken beginnen. […] Parabene sind Konservierungsstoffe, die diese Produktqualität über lange Zeit hinweg besonders zuverlässig erhalten und sehr gut verträglich sind. […] Über Parabene liegen im Vergleich aller Konservierungsstoffe die meisten wissenschaftlichen Daten vor, ihre Sicherheit ist am besten erforscht, sie sind sehr wirkungsvoll und gut hautverträglich, insbesondere weil sie ein sehr geringes Allergiepotenzial aufweisen“, zählt Esper auf, nennt jedoch auch eine Alternative: „Unverträglichkeiten und Allergien gegen unsere Produkte sind vergleichsweise selten, doch sie kommen vor. Deshalb bieten wir einige Produkte auch ohne den Konservierungsstoff Parabene an.“

Kosmetik-Liste hne Tierversuche: wo ist Nivea?

Kosmetische Endprodukte dürfen seit einigen Jahren nicht mehr an Tieren getestet werden, seit dem vergangenen Jahr sind derartige Tests auch für einzelne Inhaltsstoffe verboten. Die Tierschutzorganisation Peta nennt drei Ausnahmeregelungen aus dem Gesetz, den chronischen Toxizitäts-, den Reproduktionstoxizitäts- und den Toxikokinetiktest. Das Unternehmen Beiersdorf entwickelte jedoch schon lange vor dem Verbot Ersatzverfahren, und hat das Thema in der Kosmetikbranche vorangetrieben: „Beiersdorf ist einer der Pioniere in der Entwicklung alternativer Testverfahren: Dabei werden die Tests nicht mehr an Tieren, sondern an Zellen im Reagenzglas durchgeführt („in vitro“). Wenn einwandfreie In-vitro-Testergebnisse für Entwicklungs- und Fertigprodukte vorliegen, werden diese Produkte dann hinsichtlich ihrer Verträglichkeit und Wirkung an freiwilligen Probanden („in vivo“) getestet”, teilt Ralph Esper zu diesem Punkt mit.

Einziger Schönheitsfehler: Auf der von Peta empfohlenen Positivliste taucht die Marke Nivea nicht auf. Die Positivliste enthält solche Unternehmen, bei denen Peta sicher ist, dass weder Zulieferer noch die Hersteller selbst Tierversuche durchführen. Sie basiert auf den Angaben des Humane Cosmetics Standard (HCS) und des Humane Household Products Standard (HHPS). Neben den klassischen Naturkosmetikmarken sind auch einige große Hersteller enthalten, allerdings stehen hier britische bzw. US-amerikanische Unternehmen im Mittelpunkt. Die Liste für den deutschsprachigen Raum enthält nur 22 Hersteller, sie wird von der Organisation Vier Pfoten gepflegt.

Frisch und sauber ohne Folgen?

Vielleicht nicht ganz ohne …
Nivea legt Wert darauf, den ökologischen Fußabdruck klein zu halten und verantwortungsvoll zu wirtschaften. Das zeigen das Umweltmanagementsystem, aber auch die Produktgestaltung, wie Esper erklärt: „Ca. 98 Prozent der von uns eingesetzten Rohstoffe sind biologisch abbaubar. Bestimmte Rohstoffklassen, die eine sehr schlechte Prognose bezüglich Ihres Verbleibs in Ökosystemen haben, setzen wir nicht ein (Beispiel: Fluorierte Kohlenwasserstoffe, Polycyclische Moschusverbindungen [eine gängige Parfümkomponente]). Bei Packmitteln setzen wir recyclefähiges Material ein, PVC kommt nicht zum Einsatz.“

Dennoch gibt es einige Schattenseiten, die den sauberen Eindruck trüben. Hier ist zum einen die Verwendung nicht-nachwachsender Inhaltsstoffe zu nennen, daneben gibt es weitere „Zwänge der Tradition“: Trotz Einsparung werden für Niveadosen immer noch rund 2000 Tonnen Aluminium jährlich verwendet, hier gäbe es sicherlich grundsätzliche Alternativen. Auch wird mit Nivea kein unabhängiges Zertifikat wie etwa dem Humane Cosmetics Standard (HCS) angestrebt: „Die Marke Nivea steht weltweit für Qualität und Vertrauen bei den Verbrauchern. Gegenwärtig gibt es keine Intention, externe Siegel zu verwenden oder Zertifizierungen vorzunehmen”, erklärt Esper dazu. Und schließlich zeigt man sich konservativ, was den Verzicht auf (bestimmte) Konservierungsstoffe betrifft – wenn es Konkurrenten gelingt, ihre Produkte ohne Parabene vor dem Verfall zu schützen, sollte dies auch für den deutschen Marktführer kein Problem sein, allein um mögliche Risiken zu auszuschließen.

Für Nivea gilt damit wie für die meisten Traditionsunternehmen dieser Serie, dass sie sich nicht zu sehr auf ihrem guten Ruf ausruhen und den Weg zur Nachhaltigkeit weitergehen sollten.

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