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Chinesischer Schnäppchen-Shop Temu: Was du wissen solltest

Temu: Wie seriös ist der extrem billige Schnäppchen-Shop?
Fotos: Screen Temu / Temu

Ein Rucksack für 2 Euro, In-Ear-Kopfhörer für unter 4 Euro, und modische Shirts für unter 3 Euro: Der Onlineshop Temu aus China lockt mit absurd günstigen Spottpreisen und aggressivem Marketing. Hier erfährst du, wo der Haken bei Temu ist und was du unbedingt wissen musst.

Temu ist seit Monaten unter den Top 10 der beliebtesten kostenlosen Apps im Apple App Store. Auch der Werbung des Unternehmens ist kaum zu entkommen.

Der chinesische Schnäppchen-Shop ist zwar erst im Frühjahr 2023 in Deutschland auf den Markt gekommen, wirbt aber aggressiv in vielen sozialen Netzwerken. Derzeit lockt der Onlineshop unter anderem mit Rabatten von bis zu 70 Prozent. Wir haben ihn uns näher angeschaut und gehen der Frage nach „Wie seriös ist der Temu Shop eigentlich?“

Was ist Temu eigentlich?

„Shoppen wie ein Milliardär“ – so lautet der Slogan des neuen Onlineshops ‚Temu‘, der im Prinzip der Nachfolger von Wish ist. Bei einem ersten Blick auf die Temu-Webseite und die Preise dort mag man sich fragen, ob der Shop wirklich echt ist oder ob es sich um einen Fake-Shop handelt. Derart günstig sind die Preise. Auch das Sortiment ist riesig. Wir können bestätigen: Temu ist eine echte Plattform.

Temu: Werbung mit mega-günstigen Angeboten
Temu: Werbung mit mega-günstigen Angeboten (Fotos: Screen Temu-App)

Temu (ausgesprochen tee-moo) ist ein Online-Marktplatz, der nach eigenen Aussagen „Verbraucher mit Millionen von Verkäufern, Herstellern und Marken auf der ganzen Welt verbindet, mit der Mission, ihnen die Möglichkeit zu geben, ihr bestes Leben zu führen“.

Ähnlich wie Amazon verkauft Temu über seine Website und die App eine riesige Auswahl an Artikeln – von Fast Fashion und Drogerieartikeln bis zu Elektronik und Haushaltswaren. Temu führt selbst kein Warenlager und bietet keine Eigenmarken an, sondern fungiert ausschließlich als digitaler Marktplatz, auf dem Verkäufer:innen (hauptsächlich aus China) ihre Waren an Kund:innen in den USA, Kanada und seit Frühjahr 2023 auch in Europa verkaufen.

Wer steckt hinter Temu?

Hinter Temu verbirgt sich – wie auch bei Shein – ein chinesisches Unternehmen: der chinesische E-Commerce-Riese Pinduoduo, der aktuell viel in Werbung investiert, um die Reichweite der Plattform zu erhöhen.

Temu wurde 2022 in Boston (USA) gegründet, ist aber eine chinesische Firma. In den USA ging das Unternehmen im September 2022 an den Start. Seit Frühling 2023 gibt es Temu in Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, Großbritannien und den Niederlanden.

Wie erfolgreich ist der chinesische Schnäppchen-Shop?

In den USA gehört Temu bereits zu den beliebtesten Downloads. Auch in Deutschland stürmt der Händler die Charts der Shopping-Apps: Derzeit ist der Onlineshop auf Platz 6 aller kostenlosen iPhone-Apps im App Store – Platz 1 belegt Konkurrent Shein. (Stand: 26.3.24)

Jede:r Vierte in Deutschland hat in der zweiten Jahreshälfte 2023 bei Temu bestellt – Tendenz steigend.

Sorgenfrei Shopping? Temu ist das Gegenteil.
Sorgenfrei Shopping? Temu ist das Gegenteil. (Foto: Utopia.de)

Temu Shop: Absurder Preis-Wahnsinn mit vielen Schattenseiten

Für den Shop sprechen die große Auswahl und die günstigen Preise. Das war’s aber auch schon. Dem gegenüber stehen viele Probleme und Nachteile:

12 wichtige Punkte, die du über den Billig-Shop wissen solltest

  1. Ein Punkt, zu dem es viel Kritik gibt: Die Ware kommt allermeist aus dem weit entfernten China. Im Gepäck: Probleme wie miserable Arbeitsbedingungen, fehlende soziale und ökologische Standards sowie eine schlechte Klimabilanz durch den Transport.
  2. Das chinesische Unternehmen ist im Visier der US-Politik: So warf ein Bericht eines Kongressausschusses sowohl Temu als auch der ebenfalls chinesischen App Shein kürzlich vor, Produkte anzubieten, die mit Zwangsarbeit in der westchinesischen Region Xinjiang hergestellt wurden. Es bestehe ein „extrem hohes Risiko“, dass die Lieferketten durch Zwangsarbeit kontaminiert seien, warnte der Bericht.
  3. Man bestellt bei einzelnen Händlern – und weiß insofern nie so genau, bei wem man eigentlich bestellt.
  4. Es kann wochenlang dauern, bis die bestellte Ware dann auch wirklich ankommt.
  5. Aufgrund der niedrigen Preise muss Temu in vielen Fällen keinen Zoll zahlen. Der fällt erst ab einem Warenwert von 150 Euro an. Aber: „Dennoch könnten Einfuhrumsatzsteuern und Verbrauchssteuern anfallen, die Kaufende bereits ab 5,26 Euro Warenwert zahlen müssten. Zustelldienste legen diese Kosten in der Regel aus und kassieren dann bei Ihnen bei der Paket-Zustellung“, warnt die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.
  6. Vieles spricht dafür, dass die Produkte nicht nachhaltig produziert werden.
  7. Es kann nicht nachvollzogen werden, inwiefern Menschenrechte und Umweltschutz bei der Produktion eingehalten werden.
  8. Laut den Erfahrungen von Nutzer:innen bietet Temu billig produzierte und qualitativ minderwertige Ware.
  9. Der Kundenservice scheint in vielen Fällen nicht zu funktionieren, so die User:innen-Meinungen auf der Bewertungsplattform Trustpilot.
  10. Ein Probekauf des WDR-Magazins Servicezeit zeigt: Bei elektronischen Geräten ist kein in Deutschland zugelassenes CE-Zeichen vorhanden. „Das Zeichen (CE steht für Conformité Européenne) ist beispielsweise für Spielwaren oder Haushaltsgeräte in der EU verpflichtend. Mit dem Zeichen bestätigt der Hersteller, dass das Produkt den produktspezifisch geltenden europäischen Richtlinien entspricht“, so die Verbraucherzentrale. Das führt zu einem hohen Risiko: Die Produkte sind nicht auf ihre Sicherheit hin überprüft – und zwar weder nach europäischen noch nach chinesischem Standard. 
  11. Als chinesisches Unternehmen unterliegt Temu nicht dem EU-Recht.
  12. Darüber hinaus bedient sich die Temu-App großzügig bei den Daten ihrer Nutzer:innen: Kamera, Mikrofon, Shopping-Verlauf, Fotos und Adressbuch, auf all diese sensiblen Informationen möchte die App nach der Installation zugreifen. „Temu ist eine wahre Datenkrake und fordert Berechtigungen ein, die die App gar nicht benötigt. Nutzer:innen müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie auf der Verkaufsplattform nicht nur mit ihrem Geld, sondern auch mit ihren Daten bezahlen. Wie genau Temu diese Daten verarbeitet und ob der Datenschutz eingehalten wird, ist unklar“, so Christian Lueg, IT-Sicherheitsexperte beim Softwareunternehmen ESET.

Temu Shop: Erfahrungen, Bewertungen und Kritik

Die User:innen auf Trustpilot geben Temu im Schnitt 3,3 Sterne – über ein Drittel vergibt jedoch nur einen einzigen. Die Rede ist von „unterirdischen Lieferzeiten“. Eine Userin berichtet von ihren Erfahrungen und meint „Was man bekommt, ist wirklich Ramsch, die Produktfotos entsprechen in etwa 20 Prozent [der Fälle] dem, was man bekommt.“ Und weiter: „Müll! Billigste Chinaware. Teilweise schon kaputt, nicht funktionsfähig oder nach dem ersten Test kaputt. Stoffteile riechen derart nach Chemie, dass man es im Haus nicht haben will“.

Die Kritik eines anderen Users lautet: „Es ist ein chinesisches Unternehmen, welches mit Productflooding versucht, den europäischen Markt mit zweitklassiger Ware zu übernehmen.“

Zwar gibt es auf Trustpilot auch begeisterte Kommentare, an deren Echtheit darf allerdings gezweifelt werden. Denn viele der positiven Kommentare enthalten Rabattcodes, mit denen man beim nächsten Einkauf sparen kann.  

Verbraucherzentrale mahnt Temu ab & warnt

Auch die Verbraucherschützer:innen der Verbraucherzentrale warnen vor Temu: So können vermeintliche Schnäppchen durch Zollgebühren schnell teuer werden. Die Organisation rät deshalb unter anderem:

  • Informiere dich über die geltenden Zollbestimmungen, wenn du außerhalb der EU bestellst.
  • Bezahle nach Möglichkeit nicht über Vorkasse, sondern erst, wenn du die Ware auch erhalten hast.
  • Achte bei elektronischen Geräten auf zugelassene CE-Zeichen.

Im März 2023 hat der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Temu zudem abgemahnt, weil der Shop gegen EU-Verbraucherschutzgesetze verstoße und Greenwashing betreibe. Als nächster Schritt könnte eine Klage im Raum stehen.

Die Verbraucherzentrale weist zudem darauf hin, dass Temu keinen Hehl daraus macht, an personenbezogenen Daten interessiert zu sein und diese auch für kommerzielle Zwecke zu nutzen. „Wer die Plattform datensparsam nutzen möchte, sollte darauf achten, etwa dass das Standorttracking in den Einstellungen des Smartphones deaktiviert ist.“

Temu: Problem für die deutsche Wirtschaft?

Immer mehr Menschen kaufen bei Temu: Jede:r Vierte zwischen 16 und 65 hat in den letzten sechs Jahren dort gekauft, wie eine Umfrage des Marktforschungsunternehmens Appinio zeigt. Solche „Billigplattformen aus China würden nun zu einem zunehmenden Problem auch für die deutsche Wirtschaft“, sagte Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), gegenüber der WirtschaftsWoche.

Die Flut an Paketen aus China ist laut Handelsverbands Deutschland (HDE) ein europaweites Problem, für das es eine europäische Lösung geben muss. Viele Pakete kämen zum Beispiel im Logistikzentrum des Brüsseler Flughafens an. „Und wenn die Produkte erst mal in Europa sind, dann haben sie mehr oder weniger freie Bahn. Wir müssen unseren Binnenmarkt schützen“, so Stephan Tromp, Vize-Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), gebenüber der Deutschen Presse-Agentur. „Wenn ein Markt mit unsicheren Produkten überschwemmt wird, ist Gefahr im Verzug.“

Amazon, Alibaba, Wish, Shein – und jetzt Temu? Bitte nicht!

Utopia meint: Temu hat den Zeitpunkt für den Start in Deutschland clever gewählt: Themen wie Inflation, hohe Energiepreise und steigende Lebenshaltungskosten beschäftigen aktuell viele Menschen. Dennoch dürfen Fast Fashion und schneller Konsum nicht unsere Reaktion auf hohe Produktpreise sein. Der Temu Onlineshop ist das Gegenteil von verantwortungsvollem Konsum – er geht zulasten von Mensch und Umwelt. Unsere Aufgabe ist, uns nicht von vermeintlichen Schnäppchen und süchtig machenden Mechanismen verführen zu lassen und uns an die drei goldenen Regeln des Konsums zu halten:

  1. Kauf nur, was du wirklich benötigst! Weniger Konsum ist mehr Umweltschutz.
  2. Wenn du kaufst, dann setze auf nachhaltige Produkte.
  3. Geh mit allem, was du kaufst und besitzt, nachhaltig um. Das heißt: Alle Produkte möglichst lange benutzen und dann verantwortungsvoll weitergeben.

Temu, Shein & Co.: Utopia berichtet

Utopia berichtet regelmäßig über Temu, Shein & Co. Hier unsere Links zum Weiterlesen:

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