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„Ich spiele ein Tier zu haben“: Tierschützerin kritisiert Miete von Tieren

Hund und Hühner: Tiere mieten wird beliebter.
Fotos: CC0 Public Domain / Unsplash - Kajetan Sumila, Ben Moreland

Katze, Hund, Kaninchen: In fast jedem zweiten Haushalt in Deutschland lebt ein Haustier. Doch nicht alle haben Zeit und Lust, sich dauerhaft um einen tierischen Mitbewohner zu kümmern. Ist Tiere mieten wie beim Dog Sharing eine Alternative? Utopia hat mit einer Tierschützerin über den zweifelhaften Trend gesprochen.

Kinder wünschen sich oft ein Kaninchen oder Meerschweinchen und der beste Freund des Menschen ist und bleibt der Hund: Haustiere sind aus dem Alltag vieler nicht wegzudenken. Fast 35 Millionen Haustiere lebten 2021 in deutschen Haushalten; das macht ein Haustier in knapp jedem zweiten Haushalt. Die Corona-Pandemie hat dem Trend weiteren Schwung verliehen: Viele legten sich einen Hund oder eine Katze zu.

Doch nicht immer lässt sich der Wunsch nach einem eigenen Haustier erfüllen. Nicht in jeder Mietwohnung etwa sind Hunde oder Katzen erlaubt, der:die Partner:in kann an einer Tierhaarallergie leiden oder es fehlt schlicht die Zeit, um jeden Tag mit Bello Gassi zu gehen. Dann rückt ein Konzept in den Fokus: Tiere mieten. Wir klären, was es damit auf sich hat, für wen es sich eignet und wir haben eine Expertin gefragt, wie es den Tieren damit geht.

Tiere mieten: Was heißt das genau?

Es klingt verlockend: Man wünscht sich einen Hund oder Hühner, ist sich aber nicht sicher, ob man der Aufgabe dauerhaft gewachsen ist. Als eine Art Probelauf mietet man sich das Tier oder die Tiere auf Zeit.

Die Angebote und Modelle sind dabei ganz unterschiedlich, mal ist die Miete auf wenige Wochen begrenzt, mal mietet man das (Haus-)Tier dauerhaft. Wir können keinen umfassenden Überblick geben, welche Tiere man in Deutschland mieten kann. Doch am häufigsten sind wir bei der Recherche auf Angebote zum Mieten von Hunden, Kaninchen sowie Hühnern und Bienen gestoßen.

Bei der Miete von Bienen wird in der Regel ein Bienenvolk samt Stock geliefert, auch die Pflege und Ernte übernehmen Fachleute. Miethühner werden inklusive Hühnerstall, Zaun und Futter gebracht und bleiben meist einige Wochen bei einem:r Mieter:in.

Die insgesamt wachsende Zahl an Anbietern lässt auf eine wachsende Nachfrage an Miettieren schließen. „Ich habe schon das Gefühl, dass die Miete von Tieren zunimmt“, sagt Hester Pommerening vom Deutschen Tierschutzbund im Gespräch mit Utopia.

Auch durch die Corona-Pandemie haben die Miet-Anfragen in Tierheimen zugenommen. „Es kam unseres Wissens durchaus zu Anfragen wie der folgenden: Ich würde gerne jetzt während der Homeoffice-Zeit ein Tier leihen und es danach wieder zurückbringen,“ erzählt uns Hester Pommerening. Eine Miete für eine kurze Zeit tut jedoch – auch bei guter Absicht – keinem Tier gut.

Extremfall: Tigerbaby für eine Hochzeit mieten

Ein extremes Negativbeispiel, das 2022 für Schlagzeilen sorgte, war ein vermietetes Tigerbaby. Der Berliner Remmo-Clan mietete das Wildtier für eine Hochzeit. „Diese Miete war eine extreme Stresssituation für das junge Wildtier“, so Hester Pommerening gegenüber Utopia. Kurzzeitmieten wie diese zeigen laut der Tierschützerin, welche Mentalität hinter einer Tier-Leihe stecken kann.

Keinesfalls sollte man Tiere – und damit Lebewesen – als Entertainment und kurzweiligen Zeitvertreib betrachten. Der Deutsche Tierschutzbund sieht das Leihen und Mieten von Tieren deshalb kritisch.

Tiere leihen: Wie geht es dem Hund oder der Henne damit?

Damit Tiere sich wohlfühlen, brauchen sie eine stabile gewohnte Umgebung und oft auch eine feste Bezugsperson. Nach Einschätzung der Expertin kann die Miete von landwirtschaftlichen Tieren unter Umständen besser funktionieren als die Leihe von Haustieren wie Hunden.

Doch Hester Pommerening gibt zu bedenken: „Ein Umgebungswechsel bedeutet auch für Hühner einen enormen Stress, da sie eine Verbindung zu ihrem Territorium und ihrer Gruppe aufbauen.“ Auch den Transport müsse man bedenken, bei dem die Tiere einer weiteren Stresssituation ausgesetzt seien.

„Ich spiele ein Tier zu haben“ – warum Menschen sich ein Tier mieten

Stellt sich die Frage, warum Menschen Tiere diesem Stress aussetzen. Bei landwirtschaftlichen Nutztieren wie Hühnern, Schafen oder Bienen – die man allesamt mieten kann – steht die Gesellschaft durch ein oder mehrere Tiere selten im Vordergrund. Vielmehr möchten Mieter:innen Eier selbst aus dem Hühnerstall holen, Schafe zum Mähen von Wiesen einsetzen oder erleben, wie Bienen Honig produzieren. Auch der Gedanke, etwas für die Biodiversität und gegen das Bienensterben zu tun, kann ausschlaggebend für eine Tiermiete sein.

Tiere mieten und Dog Sharing ist oft keine gute Idee. Hunde brauchen eine feste Bezugsperson.
Hunde brauchen eine feste Bezugsperson. (Foto: CC0 / Pixabay / Cparks)

Bei einem Haustier wie einem Kaninchen, Meerschweinchen oder Hund können das Gefühl, gebraucht zu werden, für ein Lebewesen sorgen zu wollen oder die tierische Gesellschaft Gründe für eine Miete sein. Doch genau hier wird es schwierig, wie Hester Pommerening weiß. „Eine Miete ist ein bisschen so wie Ich spiele ein Tier zu haben‘“, so die Expertin.

Doch nicht die volle und langfristige Verantwortung für ein Tier zu übernehmen, ist für sie aus Tierschutzsicht nicht tragbar. Man müsse sich sicher sein, denn „Tiere funktionieren nicht wie Carsharing.“ Die Tierschützerin wird deutlich: „Wer ein Tier nur für kurze Zeit bei sich aufnimmt, ist in den meisten Fällen nicht in der Lage oder gewillt, dem Tier die optimalen Haltungsbedingungen zu gewährleisten – sonst könnte es ja langfristig untergebracht werden.“

Dog Sharing und Co. – wann eine Tier-Leihe funktionieren kann

Bei der Haltung von Tieren sind Erfahrung und artgerechte Haltungsbedingungen wichtig. Nicht immer aber passt ein eigenes Haustier zur aktuellen Lebensphase. Oder die Lebensumstände haben sich geändert, etwa durch eine Trennung oder einen Todesfall.

Bei Hunden kann das sogenannte Dog Sharing eine (Zwischen-)Lösung sein. Beim Dog Sharing teilt man die Zeit mit dem Hund oder der Hündin auf. Auf Plattformen wie Hundelieb, Patzo oder Dogshare können sich Hundehalter:innen und Menschen, die sich gerne einen Hund teilen möchten, anmelden und die Betreuungszeit und das Gassigehen miteinander teilen.

Die Hundevermittlung Bluebello geht noch einen Schritt weiter und richtet sich ausschließlich an Senior:innen. Ältere Menschen können sich hier dauerhaft einen Hund mieten und wissen, dass er nach ihrem Tod zur Vermittlung zurückkehrt und nicht ins Tierheim muss.

Frau Pommerening vom Tierschutzbund kann den Wunsch nach einem Miethund grundsätzlich nachvollziehen. „Man sollte aber nicht vergessen, dass auch Hunde um ihre Bezugsperson trauern.“ Sie hält es für besser, ältere Hunde mit älteren Menschen zusammenzubringen und auf Tierheim-Hunde zurückzugreifen. Auch eine artgerechte Unterbringung, Beschäftigung, Ernährung und Pflege müssen auf jeden Fall gewährleistet sein.

Lies dazu auch: Alten Hund adoptieren: Diese 5 Dinge solltest du beachten

Pauschal lässt sich nicht sagen, ob sich ein Hund gut oder schlecht für ein Dog Sharing eignet. Dies hängt vom Charakter sowie der Sozialisation des Tieres ab. Teilen sich mehr als zwei Haushalte einen Hund, ist das aus Sicht der Tierexpertin jedoch zu viel. Wichtig sei zudem, dass sich der Erziehungsstil beider Hundehalter:innen ähnelt und Signale und Begriffe abgestimmt sind. Auch das Futter sollte sich nicht unterscheiden. In beiden Haushalten sollte der Hund einen festen Liege- und Ruheplatz haben; sinnvoll sei auch, sein Lieblingsspielzeug oder noch besser seine Schlafdecke jeweils mit zur anderen Person zu bringen.

Hester Pommerening warnt im Gespräch auch: „Hunde, die auf eine einzelne Person fixiert sind und leiden, wenn es Wechsel gibt, eigenen sich nicht für das Dog Sharing. Der Hund sollte zudem möglichst früh an beide Bezugspersonen gewöhnt sein und einen möglichst einheitlich strukturierten Tagesablauf erhalten.“

Ein Tipp für alle Paare, die sich einen Hund zulegen möchten: Man sollte von Anfang an klären, bei wem der Hund im Falle einer Trennung lebt. Für das Tier ist ein fester Wohnort am besten. Der oder die festgelegte Besitzer:in haftet als (eingetragener) Halter:in für den Hund.

Einsamen Kaninchen und Meerschweinchen einen Partner mieten

Nicht nur bei Hunden, auch bei Kaninchen und Meerschweinchen kann eine Miete im Ausnahmefall sinnvoll sein. Beide Kleintiere sollten keinesfalls allein gehalten werden. Wenn ein Tier stirbt, braucht es einen neuen tierischen Gefährten, um sich wohlzufühlen.

Kaninchen brauchen Artgenossen und sollten nie alleine gehalten werden.
Kaninchen brauchen Artgenossen und sollten nie alleine gehalten werden. (Foto: CC0 / Pixabay / epollato0)

Die Tierschützerin erklärt dazu: „Wir bewerten es positiv, wenn für sozial lebende Heimtiere Partner gesucht werden.“ Doch auch hier gäbe es genug Tiere in Tierheimen. Mehrmalige Haushaltswechsel sollte man bei der Miete von Meerschweinchen oder Kaninchen vermeiden und die Tiere keinesfalls nur kurzzeitig mieten.

Utopia-Fazit: Für Tierliebhaber:innen gibt es bessere Alternativen als die Tier-Miete

Das Mieten von Tieren sehen wir aus Tierschutzsicht kritisch. In Ausnahmefällen wie einer Trennung oder dem Tod eines Haustieres kann es jedoch eine praktikable Lösung sein. Vorausgesetzt, das Tier fühlt sich damit wohl. Wenn der Hund etwa längere Zeit das Fressen verweigert, kann das auf Stress durch Dog Sharing hindeuten.

Wenn du keine eigenen (Haus-)Tiere halten kannst, aber Zeit mit ihnen verbringen möchtest, haben wir folgende Ideen:

  • Hundesitting: Du kannst während eines Urlaubs auf den Hund deiner Freund:innen oder Nachbar:innen aufpassen. Oder du suchst per Dog Sharing einen Hund, mit dem du regelmäßig Gassigehen kannst.
  • Auch Tierheime freuen sich über Gassigeher und Gassigeherinnen.
  • Tierheime bieten Tierpatenschaften an, mit denen du dem Patentier regelmäßige finanzielle Hilfe zukommen lässt. Außerdem wirst regelmäßig über die Entwicklung des Tieres auf dem Laufenden gehalten und kannst das Tier auch besuchen.
  • Für Kinder mit Haustierwunsch können Ferien auf einem Bauernhof eine schöne Alternative sein, Schulklassen können Bauernhöfe besichtigen und einiges über Tierhaltung und die Bedürfnisse der Tiere lernen.
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