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Gerstengras und Weizengras: bringen nicht viel und schmecken kaum

Weizengras - Gerstengras
Foto: Colourbox.de

Gerstengras und Weizengras: Nun sollen auch die Keimling der beiden Getreidearten Superfoods ein. Der Trend kommt wieder einmal aus Amerika, wo Hollywood-Stars und Spitzensportler mit Smoothies aus den grünen Pülverchen ihre Ernährung aufbessern wollen.

Die Sprossen bedienen dabei eine Menge Klischees: Sie sind grün, sie sind frisch, sie sind als junge Keimlinge besonders nährstoffreich. Und sie enthalten viele pflanzliche Wachstumsfaktoren, die verjüngend auf Zellen wirken. Das weckt große Erwartungen: Gerstengras soll beispielsweise Krebs heilen, Muskeln wachsen lassen, Magen-Darm-Erkrankungen lindern sowie Blutzucker- und Cholesterinspiegel senken. Weizengras hingegen entgiftet, schwächt die schädliche Wirkung von radioaktiver Strahlung, hilft gegen Diabetes und Infektionen aller Arten. Außerdem sind beide Sprossen-Sorten natürlich perfekte Nährstoffquellen.

Soweit die vollmundigen Versprechungen der Gräser-Fans. In diesem Fall müssten Kühe auf der Weide vor Gesundheit nur so strotzen. Und Wohnungskatzen dürften niemals krank werden. Stimmt so nicht? Genau deshalb haben wir die Fakten hinter dem Gräser-Hype recherchiert, um herauszufinden, was an den Heilsversprechen wirklich dran ist.

Was sind Gerstengras und Weizengras eigentlich genau?

Obwohl Gerstengras und Weizengras als neues, tolles Superfood vermarktet werden, handelt es sich dabei um altbekannte Pflanzen. Im Frühjahr sind die Superfoods sogar millionenfach auf den Äckern in Deutschland zu finden. Denn bei Gerstengras handelt es sich um die jungen Triebe der Gerste, die kurz nach dem Keimen entstehen. Und zwar tatsächlich jener Gerste, die bei uns normalerweise als Getreide in den Handel kommt. Katzenbesitzer kennen Gerstengras vielleicht auch noch in einem anderen Zusammenhang: aus den kleinen Schälchen, die als „Katzengras“ verkauft werden. Auch das sind nur Gerstensprossen in einem Nährkonzentrat.

Für Weizengras gilt dasselbe, nur dass hier die jungen Triebe erst nach etwa drei Woche geerntet werden. Zu diesem Zeitpunkt ist der Gehalt an Nährstoffen im Weizengras angeblich am höchsten. Danach nutzt die Pflanze diese für ihr eigenes Wachstum und für Halm- und Samenbildung.

Weizengras - Gerstengras
Weizengras, das sind Weizentriebe, die nach etwa 3 Wochen abgeerntet werden. (Foto: © Peggy_Marco / Pixabay)

Saft aus Weizengras bzw. Gerstengras: Inhaltsstoffe und Nährwerte

Weizengras und Gerstengras gehören wie alle echten Getreidesorten zur Familie der Süßgräser. Als ausgereiftes Getreide enthalten Gerste und Weizen daher Gluten. Da die Gras-Varianten quasi als etwas ältere Keimlinge geerntet werden, besonders bei industrieller Herstellung, haben sie noch keine Ähren ausgebildet. Gerstengras und Weizengras sind daher glutenfrei, enthalten aber viel Kohlehydrate – in frischem Zustand daher etwa 300 kcal pro 100 Gramm. Die hohe Energiedichte erklärt auch den Hauptverwendungszweck von Gerstengras: als Mastfutter für Rinder.

Frisches Gerstengras enthält aber auch viele Mineralstoffe und Vitamine, zum Beispiel 3,4 mg Zink, 37 mg Eisen, 179 mg Magnesium oder 832 mg Kalzium. Weizengras dafür punktet mit seinem hohen Gehalt an Eisen, Magnesium, Zink und Selen. Außerdem enthalten die Weizensprossen viel Vitamin A, C, E und K. Die Ballaststoffe, in den rohen grünen Trieben massenhaft vorhanden, spielen im Saft aus Weizengras bzw. Gerstengras durch die Pressung keine Rolle mehr. Übrigens gehen diese auch im Pulver weitgehend verloren. Erhalten bleibt aber das Chlorophyll, der grüne Pflanzenfarbstoff, der im Zellschutz eine Rolle spielen soll.

Weizengras und Gerstengras als Pulver kaufen

Zu kaufen gibt es Weizengras und Gerstengras eher selten frisch oder als Saft. Das liegt an der Zusammensetzung der Süßgräser, die wie alle Gräser schnell verderben, sobald sie geschnitten sind. Da Menschen aber nicht wie Kühe Weizengras-Heu oder Gerstengras-Silage verzehren können, werden die Sprossen (gefrier-)getrocknet und zu Pulver verarbeitet. Die Inhaltsstoffe von Gerstengras und Weizengras werden durch das Trocknungsverfahren, obwohl sehr schonend, jedoch deutlich reduziert.

Kaufen kannst du dann entweder Gerstengras- und Weizengras-Pulver pur, gepresst zu Tabletten oder als Kapseln. Doch Achtung: Da beide Gräser auf normalen Feldern wachsen, kann die Schadstoffbelastung  auch bei angeblichen Bio-Produkten hoch sein. Speziell bei Produkten aus dem Internet, die häufig aus Asien stammen, ist Vorsicht geboten.

Gerstengras - Weizengras
Gerstengras-Pulver im Smoothie soll das Immunsystemstärken und verschiedene Krankheiten heilen helfen. (Foto: © evitaochel / Pixabay)

So kannst du Weizengras oder Gerstengras selbst anbauen

Sicher schadstofffrei ist es dagegen, Gerstengras oder Weizengras daheim auf der Fensterbank anzubauen. Als „Feld“ dienen Schalen oder Blumentöpfe mit Erde oder Nährstoffgranulat. Als Samen für Gerstengras und Weizengras nimmst du einfach normale, unbehandelte und ganze Weizen- oder Gerstenkörner. Diese gibt es entweder im Reformhaus oder zum Beispiel im Landhandel. Frage dort aber immer nach Bio-Getreide, das ist weniger schadstoffbelastet und gesünder.

Dann einfach eine Handvoll Körner auf dein Beet streuen, mit einer dünnen Schicht Erde oder Granulat abdecken und anfeuchten. Bei Zimmertemperatur und mäßig feuchten Boden keimen Weizen und Gerste nach wenigen Tagen. Ernten kannst du die Triebe nach etwa zehn Tagen bis drei Wochen.

Gerstengras: Wirkung und Nebenwirkungen

Gerstengras soll eine geradezu unglaubliche Wirkung haben. Die Inhaltsstoffe des Gerstengrases sind zum großen Teil Antioxidantien und pflanzliche Wachstumsfaktoren. Diese sollen zum einen die aggressiven freien Radikale unschädlich machen und gleichzeitig gesunde Zellerneuerung anregen. Damit soll das Gerstengras den Körper im Umgang mit radioaktiver Strahlung unterstützen, Krebs bekämpfen, Magen-Darm-Erkrankungen heilen und auch positiv auf die Muskelaufbau und Stimmung wirken.

Außerdem sagen Fans der grünen Keimlinge, diese würden den Cholesterinspiegel senken, aufgrund der hohen Nährstoffdichte das Immunsystem stärken und die Erholung nach Krankheiten beschleunigen. Nebenwirkungen hat nur frisches Gerstengras, da die langen Pflanzenfasern für den Menschen schwer verdaulich sind. Daher ist der Verzehr größerer Mengen nicht ratsam.

Gerstengras - Weizengras
Wenn du Gerstengras selbst anbauen willst, besorge dir Keimsaat, am besten in Bio-Qualität. (Foto: © Rasbak / Wikimedia.org)

Welche Wirkung hat Weizengras?

Auch Weizengras ist voller Antioxidantien und reich an Nährstoffen. Ähnlich wie bei den Gerstensprossen beruht auch die Wirkung von Weizengras auf diesen Inhaltsstoffen. In einer Metastudie von 2015 wurden die möglichen Effekte von Weizengras zusammen getragen. Angeblich helfen die grünen Triebe gegen Tumorzellen und beim Abnehmen, indem sie den Stoffwechsel ankurbeln.

Klinische Versuche am Menschen zeigen eine mögliche Unterstützung von Chemotherapien und reduzieren vielleicht auch deren Nebenwirkungen. Und auch Magengeschwüre, rheumatische Arthritis oder Diabetes sollen damit behandelt werden können. Für Weizengras gilt ebenfalls: Nebenwirkungen haben nur die frischen Pflanzen aufgrund des hohen Gehalts an Pflanzenfasern. Bei Weizengras-Pulver oder -Saft wurden keine Probleme beobachtet.

Was bringen die Pulverprodukte?

Zugegeben, es klingt verlockend. Ein bisschen Weizengras-Pulver mit Wasser angerührt und täglich getrunken, und schon sind Krebs, Diabetes, Übergewicht oder Magenproblem Geschichte. Oder vielleicht ein bisschen Gerstengras-Pulver in den grünen Smoothie und die Grippesaison kann mir nichts mehr anhaben.

Es wäre zu schön, um wahr zu sein. Denn sowohl Gerstengras als auch Weizengras haben letztlich nur eine „Wirkung“: Sie füllen die Kassen der Hersteller. Wissenschaftlich erwiesen ist nämlich nichts. Die Heilsversprechen von Gerstengras beruhen meist nur auf Erfahrungen oder Versuchen im Reagenzglas. Es existiert lediglich eine kleine Studie zur Wirkung auf den Cholesterinspiegel, die allerdings keinen Effekt feststellen konnte. Ähnliches gilt für Weizengras. So sagt die bereits erwähnte Metastudie, dass zwar Effekte beobachtet wurden, die Studien aber nur mit kleinen Stichproben, methodisch nicht einwandfrei oder an Tieren durchgeführt wurden.

Bleibt noch die hohe Nährstoffdichte von Gerstengras und Weizengras. Grundsätzlich zwar positiv, doch setzt man die Werte in Relation zur täglich konsumierten Menge als Pulver, Kapseln oder Tabletten ist dieser Effekt auch wieder verpufft. Unterm Strich bleibt daher kein Vorteil durch die beiden grünen Getreidesprossen übrig.

Fazit: Wie sinnvoll sind Gerstengras und Weizengras nun wirklich?

Gerstengras und Weizengras sind grün. Sie wachsen auch daheim auf der Fensterbank. Die Nährstoffdichte ist relativ hoch. Und sie werden als Superfood vermarktet. Das war es aber auch schon an Vorteilen. Was nicht erwähnt wird, ist die Gefahr, mit Weizengrassaft oder Gerstengras-Pulver Schadstoffe wie Mineralöle, Pestizide oder Umweltgifte aufzunehmen. Oder, dass die Ballaststoffe der Halme für den Menschen kaum verdaulich sind, in Saft und Pulver aber ohnehin wegfallen.

Ebenso wird gern unter den Teppich gekehrt, dass bei der Verarbeitung zu Gerstengras- oder Weizengras-Pulver viele der Nährstoffe verloren gehen und die täglich konsumierte Menge nur gering ist. Genauso wie die Tatsache, dass keine der behaupteten medizinischen Wirkungen wissenschaftlich bewiesen ist. Insgesamt sind die grünen Süßgräser also nett, aber nutzlos, sie schmecken nicht einmal gut. Viel besser ist es, auf anderen grüne Gemüse auszuweichen.

Brokkoli, Grünkohl, Spinat oder Mangold etwa enthalten ebenfalls viel Chlorophyll, Vitamine und Mineralstoffe. Diese Gemüsesorten gibt es regional, saisonal und natürlich bio zu kaufen, und sie sind sicher leckerer als Gerstengras oder Weizengras.

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