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Hackbraten für 97 Cent – so absurd sind die Preise beim russischen Billig-Discounter Mere

Foto: © Utopia/Charlotte Stiebritz

Der russische Billig-Discounter Mere unterbietet mit seinen Dumpingpreisen Konkurrenten wie Aldi, Lidl und Co. Vor allem Fleisch und Wurst gibt es für absurd wenig Geld. Was sind das für Produkte? Wir haben uns in der ersten Mere-Filiale in Deutschland umgesehen.

Die Filiale des russischen Billig-Discounters Mere in Leipzig hat gerade mal vier Gänge und ein Kühlregal, die Auswahl ist überschaubar. Frisches Obst und Gemüse sucht man vergeblich, stattdessen gibt es gezuckerte Ananas und Mandarinen in der Dose, saure Gurken und Oliven im Glas – und ein Kühlregal vollgestopft mit Fleisch- und Wurstwaren. Kaum ein Produkt kostet mehr als ein paar Euro.

Mere eröffnete Ende Januar in Leipzig, es ist die erste Filiale des Discounters in Deutschland, 100 weitere sollen folgen. Zum Konzept gehört kein angenehmes Einkaufserlebnis, Mere will mit billigen Preisen überzeugen. So billig, dass Aldi, Lidl und Co. daneben einpacken können. Der Markt ist entsprechend trostlos gestaltet: Neonlicht, offene Kartons auf dem Boden, Holzpaletten, fehlende Deckenverkleidung und Metallregale, die bis zu den Deckenrohren ragen.

Mere ist nicht gerade schön gestaltet. (Foto: © Utopia/Charlotte Stiebritz)

Fleisch zu Dumpingpreisen – „Gut für dich“?

Doch welche Produkte gibt es hier überhaupt? Wie billig sind diese wirklich? Und will man das essen? Wir haben uns das Warenangebot angesehen – und absurd niedrige Preise entdeckt: Da gibt es zum Beispiel 100 Gramm „Gut für dich“-Putenbrust mit Paprikarand für gerade mal 50 Cent. Ein halbes Kilo Hackbraten kostet 97 Cent, 300 Gramm Gänsebrust 1,50 Euro. Kochschinken Endstücke bekommt man für 3 Euro pro Kilo – auch sie sind „Gut für dich“.

Ob das Fleisch tatsächlich „gut für dich“ ist, darf man bezweifeln. „Ich würde da nicht reinbeißen“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg gegenüber Focus online. „Gerade bei Milch- und Fleischprodukten haben wir in Deutschland schon ein relativ niedriges Niveau. Und wenn bei den Preisen sogar die Discounter unterboten werden, ist sehr große Skepsis angebracht.“

Kochschinken der Eigenmarke „Gut für dich“ (Foto: © Utopia/Charlotte Stiebritz)

Dubiose Produzenten und B-Ware: Vorsicht bei extrem billigem Fleisch

Es gebe durchaus dubiose Produzenten in der Lebensmittelbranche, die auf irgendwelchen Spotmärkten ihre Ware loswerden wollten. „Sonst gäbe es nicht immer wieder Lebensmittelskandale“, gibt Valet zu bedenken. Ein aktuelles Beispiel dafür ist ein Fleischskandal, den Reporter Ende Januar in Polen aufdeckten: Heimlich wurden kranke Kühe geschlachtet, ihr Fleisch als gesund deklariert – und nach ganz Europa verkauft.

Im Sortiment von Mere findet man Lebensmittel aus Deutschland und anderen EU-Ländern. Das bestätigt Mere auch gegenüber Focus online. Auch wir finden viele Waren aus Deutschland in den Regalen des Discounters, der Hackbraten kommt aus Tschechien.

Doch auch in Deutschland könne Fleisch sehr billig produziert werden. Das gehe laut Valet vor allem dank immer mehr billigen Leiharbeitern. Dabei bleibt nicht nur deren Bezahlung auf der Strecke: Billiges Fleisch kommt meist aus tierquälerischer Massentierhaltung, wo es häufig auch an ausreichend Hygiene mangelt wie ein Fall von Anfang Januar zeigt. Dass es sich auch bei dem Fleisch des Discounters Mere um Ware aus Massentierhaltung handele, davon müsse man bei solchen Preisen laut Valet ausgehen.

Ein weiterer Grund, dass Mere Fleisch so billig anbieten kann: Der Discounter verkauft auch B-Ware – Fleisch, das eindeutig als minderwertig gekennzeichnet ist. Laut Valet handele es sich dabei um Produkte – Fleischreste oder zähes Fleisch – die von anderen Händlern gar nicht erst abgenommen werden – aus qualitativen Gründen.

Kühlregal mit Fleischwaren. (Foto: © Utopia/Charlotte Stiebritz)

Billig-Milch und Fischkonserven

Was wir sonst noch entdeckt haben: Die Milchprodukte sind beschränkt auf Frischkäse, eine Sorte Käseaufschnitt, Buttermilchgetränke und eine Sorte H-Milch – auch diese sind zwar alle sehr günstig, aber nicht preiswerter als bei anderen Discountern. Es handelt sich dabei um konventionelle Produkte, und auch für die gilt: Häufig stammen diese tierischen Produkte aus Massentierhaltung.

In Konserven gibt es zudem Sardinen, Makrelen und Thunfisch und tiefgefrorene Miesmuscheln. Auch hier kann man davon ausgehen: Je billiger der Preis, desto schlechter die Produktionsbedingungen. Vor allem bei Fisch ist Vorsicht geboten: Unsere Meere sind leer, Aquakulturen sind auch Massentierhaltung, die einhergeht mit schlechter Bezahlung, Fischen, die auf engstem Raum leben und vollgestopft werden mit Antibiotika und Medikamenten. Weitere Argumente, die gegen Fisch – und vor allem billigen Fisch – sprechen: 5 Argumente gegen Fisch.

Die Mere-Filiale in Leipzig ist die erste in Deutschland, 100 weitere sollen folgen. (Foto: © Utopia/Charlotte Stiebritz)

Unser Fazit: Kleines Angebot, minderwertige Produkte und viel zu billige Preise

Einen ganzen Wocheneinkauf kann man bei Mere auf keinen Fall machen – das Warenangebot ist klein und nicht gerade ansprechend. Zwar findet man neben Fleisch und einer kleinen Auswahl an Milchprodukten auch Haushaltswaren wie Schwämme, Mülltüten, Frischhaltefolie, Bratpfannen, Tee und Saft zu kaufen. Frisches Obst und Gemüse gibt es aber nicht.

Abgesehen davon halten wir einen Einkauf bei Mere vor allem auch aus anderen Gründen nicht für empfehlenswert: So billige Preise sind vor allem für die Landwirte und Erzeuger ein großes Problem. Aldi, Lidl und Co. üben schon seit langem extremen Preisdruck auf Produzenten aus. Die Folge: Um ihre Lebensmittel möglichst billig zu produzieren, arbeiten die Erzeuger mit Pestiziden, Monokulturen, Massentierhaltung. Auch unmenschliche Bedingungen für die Arbeiter in der Tierhaltung, in Schlachthäusern und auf Plantagen sind ein Ergebnis der „Alles muss billig sein“-Mentalität.

Wenn es ein Discounter schafft, sogar noch billigere Preise anzubieten, kommen Firmen wie Aldi und Lidl in Zugzwang. Um wettbewerbsfähig zu sein, müssen sie ihre ohnehin schon niedrigen Preise anpassen, darunter leiden werden die Bauern und Landwirte – und die Qualität der Produkte. Ob es soweit kommt, werden die Kunden bestimmen, indem sie dort einkaufen oder eben nicht.

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