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Spenden für Notre-Dame oder hungernde Menschen? Prominente entfachen Diskussion

Notre-Dame hungernde Menschen
Foto: Screenshot Instagram nataschaochsenknecht / CC0 Public Domain - billycm

Die riesige Spendenwelle für den Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame stößt nicht nur auf Zustimmung: Natascha Ochsenknecht hat mit einem kritischen Post eine heftige Debatte ausgelöst – und auch die Band Culcha Candela findet umstrittene Worte.

Nach der Brandkatastrophe in Paris, bei der ein großer Teil der Notre-Dame zerstört wurde, versprach Frankreichs Präsident Emmanuel Macron: Die Kathedrale soll binnen fünf Jahren wiederaufgebaut werden. Die große Spendenaktion hat nach aktuellem Stand (17.4.) bereits fast eine Milliarde Euro eingebracht – zu den Wohltätern gehören unter anderem Milliardäre und große Unternehmen wie der Öl-Konzern „Total“.

„Auf der Welt verhungern Menschen, weil kein Geld da ist“

Doch diese Welle der finanziellen Hilfe stößt einigen sauer auf. Natascha Ochsenknecht verfasste einen Instagram-Post mit einem Bild des brennenden Turms und schrieb dazu: „Schon traurig dieses Bild ……. Noch trauriger finde ich, dass innerhalb kürzester Zeit über 700 Millionen Euro an Spenden für den Wiederaufbau gesammelt wurden. Auf der Welt verhungern Menschen, weil kein Geld da ist. Kulturgut muss geschützt und unterstützt werden keine Frage, aber Menschen sollten an erster Stelle stehen.“

Hier ist ein Bild des Instagram-Posts zu sehen:

Notre-Dame Natascha Ochsenknecht
Natascha Ochsenknecht findet deutliche Worte. (Foto: Screenshot Instagram)

Noch einige Stunden zuvor hatte die Band Culcha Candela einen langen Beitrag bei Facebook gepostet, der in die gleiche Richtung ging: „Das mit Notre-Dame ist echt schade…Ein Weltkulturberbe! Muss man wiederaufbauen. Sieht gut aus, das Teil. Eine Sache ist aber merkwürdig: warum bietet die halbe Welt Hilfe an und warum wollen jetzt Privatleute Millionen spenden? …“

Hier der vollständige Beitrag auf Facebook:

Etlichen sprechen die Prominenten aus der Seele

Beide Posts werden seitdem kontrovers diskutiert – denn die Aussagen polarisieren. Etlichen Menschen scheinen die Prominenten aus der Seele zu sprechen. Unter Ochenknechts Beitrag lauten Kommentare etwa: „War auch mein erster Gedanke“ oder „Von 700 Millionen Euro könnte man super in Kindergärten, Schulen und soziale Projekte investieren. Komisch, da spendet keiner solche Summen“.

Culcha Candela-Fans äußern ebenfalls Zuspruch unter dem Post der Band: „Sehe ich genauso! Ein Objekt ist wichtiger als ein menschliches Wesen. Warum ist das so?“, heißt es in einer Antwort. In einer anderen: „Sorry, ein Gebäude kann man immer wieder abreißen und neu aufbauen, aber eine Menschenseele/Leben leider nicht!“

Eine weitere Facebook-Nutzerin äußert sich differenzierter: „Finde euren Beitrag klasse und er regt zum Nachdenken an. Frage mich schon länger, warum nicht „alle“ Geld dafür geben, die Meere zu reinigen. Und tatsächlich obwohl ich nicht gläubig bin, habe ich gestern ein Tränchen verdrückt, als ich die Bilder gesehen habe. Notre-Dame bedeutet viel mehr als nur eine Kirche zu sein. Von daher verstehe ich auch, dass so viele helfen wollen. Wäre an anderer Stelle nur eben wichtiger.“

Ochsenknecht soll mit gutem Beispiel vorangehen

Doch es finden sich auch viele Gegenstimmen: Ochsenknecht wird dafür kritisiert, dass sie den Spendern unterstelle, nicht gleichzeitig auch für andere Zwecke Geld zu geben – und aufgefordert, selbst mit gutem Beispiel voranzugehen und eine große Summe für hungernde Menschen zu spenden. Einige Follower halten ihren Post für so unangebracht, dass sie ihr aus Protest nicht mehr folgen wollen.

Culcha Candela wird dagegen mehrfach darauf hingewiesen, sie würden Unterstützung für die Katholische Kirche mit Hilfe für ein sakrales Bauwerk gleichsetzen – das aber dem Staat und der Stadt Paris gehört („Es geht hier aber nicht um die Kirche, sondern um ein historisches Denkmal und Wahrzeichen von Paris!“). In einem Kommentar heißt es: „Wenn viele an Kinder etc. spenden, wird gesagt: Wieso habt ihr nicht an…. gespendet. Man kann immer rumheulen, aber ich finde, wenn man bei so etwas nichts Gutes zu sagen hat, dann soll man einfach mal den Mund halten.“

Whataboutism – das eine schließt das andere nicht aus

Utopia meint: Natürlich darf man einem so einzigartigen Gebäude nachtrauern – und auch dafür spenden. Kulturelles Erbe ist Teil und Ausdruck einer gemeinsamen internationalen Identität. Und die Kathedrale Notre-Dame mehr als irgendeine Kirche: Sie ist ein Meisterwerk gotischer Baukunst und hat als Denkmal geschichtlich und ästhetisch so großen Wert, dass sie unersetzlich ist. Eine „Schade, dass es kaputt ist, aber lassen wir jetzt so“-Haltung zeugt von Ignoranz.

Das Argument, dass in anderen Teilen der Welt Menschen hungern und die Spenden dringender benötigen würden, ist reiner „Whataboutism“ – denn das eine schließt ja das andere nicht aus. Und es könnte als Totschlagargument gegen alle Ausgaben angewandt werden, die nicht unmittelbare existenzielle Bedürfnisse stillen. Mit der gleichen Logik könnten wir sämtliche Ausgaben für Kunst, Kultur oder Denkmalschutz streichen.

Das eigentliche Problem ist, dass die verhungernden Kinder viel zu wenig beachtet werden, dass uns das Leid schon fast normal und alltäglich erscheint. Dagegen wird zu wenig getan. Ein Kommentar unter Ochsenknechts Beitrag trifft es auf den Punkt: „Die traurige Wahrheit: Es ist Geld genug für beides da: Menschen und Kultur(-erhaltung).“

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