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#greenrep: unsere Ökobilanz der re:publica 2015

re:publica 2015, Podiumsdiskussion
Foto: Utopia/Florian Semle

Letzte Woche fand in Berlin die re:publica statt, die wichtigste Veranstaltung zur digitalen Szene. Die hat inzwischen auch eine ganze Menge zu grünen und nachhaltigen Themen zu sagen.

Typisch für mediale Berichterstattung zur re:publica ist: Keiner kann sagen, wie diese Hauptversammlung der digitalen Szene wirklich war. Bis zu zwölf Veranstaltungen pro Stunde finden da an drei Tagen parallel statt und der wesentliche Informationsaustausch passiert meist außerhalb des offiziellen Rahmens. Deshalb sind die Nachberichte so vielfältig und subjektiv wie die re:publica selbst. Journalisten schreiben über Medienwandel, Hacker über neuste Hacks – und Utopia über die re:publica-Bilanz zur Rettung der Welt.

Nüchterne Ökobilanz: Wenig Sessions – viel Inspiration zum Weiterdenken

Auch dieses Mal war Big Data der Big Issue auf dem großen Konvent der Netzgemeinde. Er stand für gut die Hälfte aller Sessions, Hauptthema Finding Europe hin oder her.

Gemessen an den Veranstaltungsthemen fällt die grüne Bilanz der re:publica vergleichsweise dünn aus: Nur geschätzte rund 10 Prozent aller Sessions widmeten sich der Bekämpfung von Armut, nachhaltiger Wirtschaft oder Hacks zur Rettung des Planeten. Doch die grünen Perlen des Programms sind allemal einen Besuch wert – gerade weil sie unkonventionell sowohl für die digitale als auch die Nachhaltigkeitsszene sind.

Eine subjektive Bestenliste (die Links zeigen auf Hintergrundinfos, meist mit Video der Sesssion zum Angucken):

  • Sehr basisnah und lebendig schilderte Alfredo Brillembourg, warum die Stadtplanung, wie wir sie kennen, ausgedient hat und weshalb die Städte der Zukunft sozial und informell geplant werden müssen – ein visionärer Augenschmaus in Bildern neuer, nachhaltiger Architektur.
  • Holm Friebe und Mads Pankow spielten das Prinzip Nudging in der Städteplanung durch: Nudging inspiriert Nutzer durch Design und Architektur im Alltag zu bestimmten Verhaltensweisen. Die Klaviertreppe in Stockholm ist zum Inbegriff dieser spielerischen Manipulation fürs Treppensteigen geworden und auch Müll lässt sich per Nudging entsorgen.
  • HackYourCity ist ein Gestaltungscamp für alle, die in ihren Städten Ideen einbringen und am besten gleich selbst umsetzen wollen. Die Zukunftsstadt wird eben nicht mehr nur im Think Tank geplant, sondern im Kiez. Dieses Jahr live in Berlin, Dortmund, Wuppertal, Dresden, Leibzig und Karlsruhe.
  • Simon C. Müller und Isabell Welpe stellten Stromspeicher-Lösungen vor, die Tesla glatt übersehen hat: Crowd-Nutzung von gemeinsamen Speicherbatterien im Kiez. Ein Thema mit wenig Show-Faktor, dafür hoch wirksam für die Energiewende.
  • Afrikanische Bloggerinnen zeichneten ein Bild Zivilgesellschaft der Blogosphäre südlich der Sahara mit ebenso sympathischen wie ermutigenden Beispielen für Wohlstand ohne Ausbeutung und Ressourcenraub.
  • Public Transit: Mobilität ohne Grenzen zeigte die Zukunft des vernetzten Verkehrs via App.
  • Stefanie Söhnchen und Rob Dawson zeigten was der Antrieb der Mobilität der Zukunft sein wird: Die Crowd, die den Verkehr effizienter, rohstoffärmer und menschenfreundlicher steuern wird.
  • Und: Utopia konnte live on stage Umweltministerin Barbara Hendricks zu den Ergebnissen ihrer Klima-Kampagne befragen. Keine neue Utopie, aber immerhin eine Premiere mit der ersten Bundesministerin beim digitalen Basisvolk.

Neue Nachhaltigkeit: Lebensräume selber machen

Die meisten re:publica-Besucher haben Lebensziele, die auf den ersten Blick wenig mit Nachhaltigkeit zu tun haben. Man ist nicht „Öko“ oder Missionar der Weltrettung, doch viele wollen ihre Lebensziele nachhaltig erreichen. Rechenzentren werden mit Solarstrom betrieben, auf barcamps gibt’s jetzt auch vegetarisch und die coolsten Hacks sind die, mit denen man die Welt im kleinen verbessert.

Nachhaltigkeit ist gewissermaßen eine Sekundärtugend vieler Netzaktivisten geworden. Der öko-soziale Fußabdruck ist nicht das Ziel, aber der Weg für viele Speaker und Sessions. Das ist die eigentliche Stärke der Neuen Nachhaltigkeit, auch wenn sie leiser daherkommt als die dröhnende Öko-Welle der Vorgänger.

Das Neue an der Nachhaltigkeit auf der re:publica 15 ist, dass Aktivisten mit dem Netz Lösungen für konkrete Probleme entwickeln und neue nachhaltige Lebensnischen auftun. Von Roof Gardening bis zur Food-Sharing-App und dem 3-D-Drucker für Hilfsgeräte in Katastrophengebieten schafft die neue Nachhaltigkeit Ergebnisse, nicht noch mehr Kommunikation darüber. Es wird nicht mehr „nur“ diskutiert, geliked und geshared, sondern digital geschafft.

Auch auf Grund des Wissenschaftsjahrs Zukunftsstadt widmeten sich viele Veranstaltungen den Städten, in denen wir leben werden. Heraus kommen wunderbare neue Denkansätze, wie der Einsatz von Big Data zur Müllvermeidung oder für Kreislaufwirtschaft in Großstädten.

Es gibt sie also doch, die grüne re:publica. Noch muss man genauer hinsehen und das Biotop der Sessions und Workshops danach filtern. Datenschutz, Privatsphäre, Medien und die digitale Leistungsschau werden natürlich auch in Zukunft die Leitthemen sein, aber möglicherweise ist die spannendste re:publica die, die noch kommt: Eine re:publica zur Veränderungskraft des Internet und zwar für den Planten und nicht nur für die Medienwelt.

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