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Utopia-Interview: Bei Thomas Müller kommt Salat auf den Grill

Thomas Müller im Utopia-Interview
Fotos: lr/Utopia, CC0 Public Domain / Pixabay - songsy

Wie ernähren sich Fußballprofis, um sportliche Höchstleistungen zu erzielen? Thomas Müller spricht im Utopia-Interview über Fleischverzicht, verrät Grilltipps und erklärt, was ihn davon abhält, sich vegan zu ernähren.

Thomas Müller zählt zu den bekanntesten Fußballprofis Deutschlands. Seit vergangenem Jahr ist der Bayer nicht nur Profi und Werbegesicht, sondern auch Investor bei Greenforce. Das Münchner Start-Up stellt vegane (Fleisch-)Ersatzprodukte her. Wir haben den Fußballprofi im Februar 2023 in der Firmenzentrale getroffen.

Im Utopia-Interview erzählt Thomas Müller, was ihn vom Investment überzeugt hat, ob er vegane oder tierische Weißwurst bevorzugt – und was eine ausgewogene Ernährung für ihn bedeutet. Außerdem hat er uns sein liebstes Grillrezept verraten.

Utopia: Herr Müller, seit wann ist Ihnen das Thema vegane Ernährung wichtig und warum?

Thomas Müller: Neugierig war ich schon immer und habe gerne neue Gerichte probiert. Trotzdem war ich bei Ersatzprodukten lange Zeit eher vorsichtig. Inzwischen finde ich sie eine echt gute Inspiration, auch wenn mir nicht jedes Produkt gleich gut schmeckt. Wenn man durch vegane Ersatzprodukte inspiriert wird, weniger Fleisch zu essen, ist das eine schöne Entwicklung und hilft dabei, sich bewusster und ressourcenschonender zu ernähren. Ich bin begeistert, was bereits alles möglich ist.

Thomas Müller: „Ich blieb bei den veganen Streichwurstbroten hängen“

Utopia: 2022 investierten Sie in das vegane Food-Tech-Unternehmen Greenforce. Entstand das Investment aus einem finanziellen Anreiz oder inhaltlichem Interesse an den veganen Produkten?

Thomas Müller: Ich ging offen in die Gespräche, war neugierig auf die Produkte und die Vision des Unternehmens und wurde positiv überrumpelt. Probiert habe ich dann gar nicht allzu viel, denn ich blieb bei den veganen Streichwurstbroten hängen und hab davon auf einen Schlag drei bis fünf Brote inhaliert. Sie haben mir wirklich überragend geschmeckt.

Utopia: Sie möchten also die vegane Streichwurst berühmt machen und Menschen zu weniger Fleischkonsum inspirieren?

Thomas Müller: So sieht es aus! Ich sehe mich definitiv mehr als Markenbotschafter denn als Geldgeber. Zwar bin ich nicht direkt an der Produktentwicklung beteiligt, aber ich kann Feedback geben und mich einbringen. Das Schöne bei den Greenforce-Produkten finde ich, dass sie es einem leicht machen, den eigenen Ernährungsplan zu adaptieren. Umstellen ist vielleicht gar nicht notwendig.

Thomas Müller: „Wir sollten zurück zum Sonntagsbraten“

Utopia: Was hält Sie davon ab, komplett vegan zu leben?

Thomas Müller: Als Bayer bin ich natürlich von der bayerischen Esskultur geprägt und da ist schon der ein oder andere fleischige Gaumenschmaus dabei. Fleischkonsum generell ist für mich nach wie vor in Ordnung, ich habe allerdings ein ganz anderes Bewusstsein dafür entwickelt. Wo kommt das Fleisch her, wie sieht es mit den Haltungsbedingungen aus usw. Das sind mittlerweile relevante Punkte für mich geworden und es fühlt sich gut an. Ich finde, wir sollten zurück zum Sonntagsbraten und Fleisch wieder zu etwas Besonderem für besondere Anlässe machen. Wenn es bei einer Familienfeier etwas mit Fleisch gibt, genieße ich das ganz bewusst. Genauso bewusst baue ich vegane Alternativen in meinen Essensplan ein, aber das bedeutet für mich keinen Verzicht. Doch mich komplett vegan zu ernähren, ist aktuell nichts für mich.

Utopia: Wie würden Sie Ihre Ernährungsform beschreiben?

Thomas Müller: Schon vor meiner Investition bei Greenforce war ich Flexitarier. Als Leistungssportler achte ich schon immer darauf, dem Körper alle Nährwerte zur Verfügung zu stellen, die er braucht: Proteine, Kohlenhydrate, gute Fette, sozusagen die ganze Bandbreite, die ich auch durch Fleisch aufnehme. Am Anfang meiner Karriere habe ich noch nicht so stark auf meine Ernährung geachtet, seit etwa sechs oder sieben Jahren deutlich stärker.

Für Thomas Müller ist Geschmack auch Gewöhnung

Utopia: Essen Sie aus diesem Bewusstsein heraus weniger tierische Produkte?

Thomas Müller: Ja, ich bin mittlerweile deutlich besser informiert und habe mehr Know-How als früher. Deshalb würde ich auch niemandem vorwerfen, dass er oder sie sich so ernährt, wie man es gelernt hat. Auch Geschmack ist für mich Learning und Entdeckung zugleich. Jeder sollte seinen eigenen Weg finden dürfen mit den neuen Möglichkeiten der pflanzlichen Ernährung. 

Thomas Müller im Utopia-Interview
Thomas Müller zeigt sich im Utopia-Interview offen für vegane Alternativen. (Foto: Utopia/lr)

Utopia: Ein schöner Gedanke, der sowohl viel Offenheit bei den Menschen erfordert, als auch Zeit. Zeit, die wir bei der Bekämpfung der Klimakrise nicht mehr haben.

Thomas Müller: Auch wenn Sie recht haben, braucht es doch die breite Masse, um wirklich große Fortschritte in Sachen Ernährung und Klima zu erreichen. Wissenschaftlich ist es glasklar erwiesen, dass wir mit der Art und Weise, wie wir uns ernähren, maßgeblichen Einfluss auf die Ressourcen unserer Erde haben. Aber die negativen Folgen bekommen wir nicht unmittelbar zu spüren. Man bekommt schließlich keinen Stromschlag, wenn man in einen Burger oder eine Wurstsemmel gebissen hat. Die Konsequenzen folgen erst in der Zukunft.

Utopia: Wobei wir die Auswirkungen der Klimakrise auch jetzt schon spüren.

Thomas Müller: Natürlich treffen die Auswirkungen schneller ein, als wir glauben und sind auch näher, als viele denken. Trotzdem sollte man aus meiner Sicht begeistern und nicht verbieten, wenn man nachhaltig etwas verändern will.

Utopia: Discounter Lidl kündigte beispielsweise im Februar weniger tierische Produkte im Sortiment an, viele Kund:innen liefen im Internet Sturm. Warum glauben Sie ist das Thema Fleisch essen so emotional?

Thomas Müller: Ich glaube, die jeweiligen Parteien zeigen zu wenig Toleranz. Leider ist der Begriff „vegan“ bei den Veganern und Fleischessern gleichermaßen polarisierend. Viele schalten auf Attacke, wenn ihre eigene Meinung in Bezug auf Fleischessen nicht geteilt wird. Die Wichtigkeit der Motive des jeweils anderen werden zumeist ignoriert und als Nichtigkeit abgetan. Beim Thema, die Perspektive des anderen zumindest zu verstehen, haben wir Menschen allgemein sehr viel Nachholbedarf. Wenn man Menschen auf eine neue Fährte locken möchte, sollte man eher spielerischer rangehen und es ihnen leicht machen und auch die Motive so aufzeigen, dass der andere es aus diesen Gründen auch gerne macht oder nachmacht.

„Regelrechte Glaubenskriege“ beim Thema Ernährung

Utopia: Wir bei Utopia versuchen das mit vegetarischen und veganen Rezepten oder Produkttests genauso wie mit der Berichterstattung über die negativen Folgen der Massentierhaltung und ähnlichem.

Thomas Müller: Wieso drehen wir den Spieß denn nicht um und zeigen auf, welch positiven Beitrag jeder einzelne von uns leisten kann!? Bewusstsein und Motive für Veränderung zu schaffen ist mein Ansatz. Außerdem braucht es Lösungen, die im Alltag die Umsetzung für jedermann erleichtern. Beim Thema Ernährung gibt es harte Fronten, regelrechte Glaubenskriege. Dabei meine ich nicht nur Fleisch und vegan, sondern auch low carb und viel carb oder fettarm oder nicht. Sämtliche Diätformen bekämpfen sich oft gegenseitig. Diese Art zu denken finde ich nicht gut.

Gerade beim Thema Ernährung ist jeder individuell und reagiert anders. Ich will inspirieren, dass die Menschen die neuen Möglichkeiten der Ersatzprodukte zu ihren Gunsten nutzen. Wichtig ist mir, niemandem etwas aufzuzwingen. Etwas kitzeln darf man die Leute aber, damit sie mal etwas Neues ausprobieren und sich ein eigenes Bild machen.

Utopia: Machen Sie das auch im privaten Umfeld?

Thomas Müller: Natürlich, das habe ich schon öfter gemacht. Vor allem bei der veganen Streichwurst konnte ich Freunde und Familie schon aufs Glatteis führen. Bei der Blindverkostung schmeckte der vegane Ersatz allen super – als das Ganze aufgelöst wurde, wurden die Augen groß, fast schon schockiert. Das wundert mich dann schon: Warum sind die Leute schockiert, dass ihnen Fleischersatz schmeckt? 

Utopia: Eine gute Frage. Wir finden auch das Vorurteil, „Wenn schon Veggie, dann bitte aber Gemüse und keine vegane Wurst oder Schnitzel.“ nicht gut.

Thomas Müller: Das Vorurteil kenne ich und verstehe den Impuls, doch ich finde, pflanzlich geschmackvoll zu kochen und dabei komplett auf Ersatzprodukte zu verzichten, ist oft mit viel Know-How und zeitlichem Aufwand verbunden. Deswegen bin ich schon ein Fan von guten Ersatzprodukten, die einem hier den Einstieg deutlich leichter machen. Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, war Veganismus kein Thema. Ich habe auch Tiere zu essen nie mit Tierleid in Verbindung gebracht. In meinem Dorf war die Haltung der Milchkühe und Schlachttiere aus meiner Sicht nicht verwerflich. Die Tiere standen tagsüber auf der Weide und wurden abends in den Stall getrieben.

Utopia: Wenn Tierleid für Sie nicht der entscheidende Punkt ist, was ist mit der Tatsache, dass eine vegane Ernährung im Gegensatz zum Fleischkonsum deutlich klimaverträglicher ist?

Thomas Müller: Das Wissen darüber ist einfach noch sehr jung. Die breite Bevölkerung hat das früher schlichtweg nicht gewusst, das Bewusstsein steigt erst seit ein paar Jahren an. Statt Einschränkung finde ich eine bewusste Ernährung wichtiger.

Utopia: Wie sieht das beim FC Bayern München aus, hat man dort eine vegane Option? Serge Gnabry beispielsweise hat sich zumindest eine Zeit lang vegan ernährt.

Thomas Müller: Ja, natürlich. Die Möglichkeit hat bei uns jeder. Ich kann nicht sagen, ob man mit einer reinen veganen Ernährung leistungsfähiger ist. Insgesamt haben wir als Profis des FC Bayern kulinarisch aber eine absolute Luxussituation, weil wir jeden Tag ein Büffet zur Auswahl haben, das uns großartige Köche zubereiten. Somit ist das nicht vergleichbar mit der täglichen Herausforderung anderer Menschen, gesundes, leckeres und klimafreundliches Essen auf den Tisch zu zaubern. Da haben wir es deutlich leichter, vegan zu essen.

Utopia: Gab es diesen Luxus, zwischen vegan und tierisch zu wählen schon, als Sie beim FC Bayern angefangen haben?

Thomas Müller: Möglich war das schon immer, aber das Mindset war damals noch ein anderes. Das Bewusstsein darüber, wie Gerichte zubereitet werden, war damals noch nicht so vorhanden. Inzwischen wird viel Rücksicht auf den individuellen Sportler und dessen Ernährungsweise genommen.

Utopia: Gibt es hier Unterschiede zur Deutschen Nationalmannschaft?

Thomas Müller: Nein, auch beim DFB kann man sich sein Essen aus einer großen Auswahl aussuchen und hat vegane Optionen.

Keine vegane Bewegung im Profifußball

Utopia: Vegane Ernährung im Profisport – ist das inzwischen verbreitet?

Thomas Müller: Das ist schwer zu sagen. Ich beobachte bei uns keine vegane Welle. Die spannendere Frage wird es aber sein, wie es weitergeht. Wissensmäßig und bei der Anzahl und Auswahl an Alternativprodukten stehen wir aus meiner Sicht erst am Anfang. 

Utopia: Was kommt bei Ihnen auf den Teller, wenn Sie selbst kochen und die Fußballsaison vorbei ist?

Thomas Müller: Suppen aus saisonalem Gemüse finde ich im Winter super. Im Sommer grille ich gerne. Da kommt vom klassischen Grillgut über Gemüse bis zum Salat alles Mögliche auf den Grill.

Utopia: Salat auf dem Grill?

Thomas Müller: Sollte man unbedingt ausprobieren. Romanasalat mit einem Dressing aus Sojasoße, Honig und Piment marinieren und dann grillen. Auch auf dem Grill ist es ja inzwischen vielfältiger geworden und es kommt nicht mehr nur die Bratwurst auf den Rost.

Utopia: Zum Abschluss noch eine Frage für Münchner:innen: Greenforce hat zumindest in Bayern mit der veganen Weißwurst auf der Wiesn für heiße Diskussionen gesorgt. Welche Weißwurst kam bei Ihnen auf den Teller – vegan oder tierisch?

Thomas Müller: (lacht) Ich habe beide probiert. Aber wenn ich mal eine Weißwurst esse, dann eine „Richtige“ – bislang. Noch sind wir ja nicht am Ende, wer hätte noch vor fünf Jahren gedacht, dass eine pflanzliche Weißwurst überhaupt essbar sein wird. Wer weiß da schon, was in fünf Jahren sein wird?

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