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Vetorecht der Grünen: Ist die Kritik begründet?

Robert Habeck und Annalena Baerbock fordern ein Klimaministerium mit Vetorecht.
Foto: © gruene.de

Die Klimakrise schreitet voran und im September steht die Bundestagswahl an. Spätestens jetzt ist es Zeit für die Politik, Pläne zu machen, wie wir den Klimawandel aufhalten können. Die Grünen haben am Dienstag ihren Plan vorgestellt und erhalten seitdem Kritik aus vielen Richtungen.

Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck haben am Dienstagabend am Naturschutzgebiet Biesenthaler Becken nördlich von Berlin ihre Ideen für ein siebenseitiges „Klimaschutz-Sofortprogramm“ und ein neues Klimaschutzministerium vorgestellt. Das Ministerium soll im Falle einer Regierungsbeteiligung gegründet werden. Das Besondere: Die Institution soll ein Vetorecht haben, um Gesetze verhindern zu können, die nicht konform mit dem Pariser Klimaabkommen sind.

Ziel des Klimaschutzministeriums ist somit das Einhalten der 1,5-Grad-Grenze. „Wir brauchen schnellstmöglich mehr grünen und günstigen Strom, um die klimaschädlichen Emissionen insbesondere in den Sektoren Verkehr, Industrie und Wärme zu verringern“, heißt es im Sofortprogramm.

Außerdem wollen die Grünen erneuerbare Energien wie Wind- und Solarenergie schneller ausbauen und den Kohleausstieg auf 2030 vorziehen. Dieser ist aktuell bis spätestens 2038 geplant. Auch möchte die Partei die Investitionen für Schienen, öffentlichen Nahverkehr und Rad im Bundeshaushalt 2022 erhöhen.

Das Sofortprogramm sieht auch eine „Klima-Taskforce“ vor. Damit die Abstimmung in der Bundesregierung kürzer und schneller stattfinden kann, soll diese in den ersten 100 Tagen im Wochenrhythmus tagen. Die Leitung soll dabei das Klimaschutzministerium haben.

Klimaschutzministerium: FDP und CSU gegen ein Vetorecht

Wie das Online-Portal Deutschlandfunk berichtet, hat unter anderem Bundesverkehrsminister Scheuer die Pläne der Grünen kritisiert. Ihm zufolge könne man mit einem Vetorecht nicht die Zukunft gestalten. „Das ist die Denke von Aufhalten und Verhindern. Wir brauchen aber Modernisieren und Investieren für mehr Klimaschutz.“

Einer ähnlichen Meinung ist FDP-Vorsitzender Lindner, er sieht die Maßnahmen der Grünen als „wildes Durcheinander an kleinteiligen Einzelmaßnahmen“ und plädiert dafür, stattdessen auf den Emissionshandel zu setzen.

Zuspruch erhalten die Grünen vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Greenpeace. Lisa Gölder von Greenpeace erklärte gegenüber Deutschlandfunk, dass sich akute Risiken wie die Klimakrise nur durch schnelle Reaktionen mindern lassen.

Utopia meint: Wie sinnvoll ist ein Vetorecht?

Manche sehen in dem Plan der Grünen „die Denke von Aufhalten und Verhindern“ oder „Verbotskultur“. Tatsache ist, bisher wurde in Sachen Klimaschutz nicht genug „modernisiert und investiert“ – nur deshalb kam der Plan der Grünen überhaupt zu Stande. Es ist wichtig, dass wir neue Wege finden, um Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen. Doch ist ein Ministerium mit Vetorecht der richtige Weg?

Ist es mit Demokratie vereinbar? Prinzipiell schon, denn es gibt schon Ministerien mit Vetorecht. Der Bundesfinanzministerium darf zum Beispiel Widerspruch gegen einen Beschluss erheben, wenn die Regierung in einer Finanzfrage ohne den Bundesfinanzminister entscheidet. Davon wird aber selten Gebrauch gemacht. Wie sehr eine grüne Regierung dieses Veto nutzen würde, ist aber offen. Auch andere Fragen sind nicht geklärt, zum Beispiel, welches Veto bei Uneinigkeit gewichtiger wäre.

Würde es nützen? Medien wie das Online-Magazin Cicero sind davon nicht überzeugt. In einem Beitrag zum Thema wies das Portal unter anderem darauf hin, dass man den Klimawandel so bremsen müsse, dass Natur, Mensch und Wirtschaft sich langfristig und planungssicher auf die Folgen der 1,5 Grad Erwärmung einstellen können. „Dies dürfte größere Kosten verursachen als die meisten großen Kriege in der Geschichte.“

Wenn Deutschland allein diese Kosten übernimmt, ist die Klimakrise dadurch noch nicht überstanden. Chinas CO2-Fußabdruck wird in den kommenden Jahren durch geplante Kohlekraftwerke wahrscheinlich massiv steigen. Werden andere Länder sich an uns orientieren? Cicero meint dazu: „Wenn China den deutschen Klimabeispielen so begeistert folgt, wie es bisher den deutschen Demokratie- und Menschenrechtsbeispielen gefolgt ist, wirken die Argumente der Grünen weniger überzeugend.“

Das stimmt natürlich: Deutschland allein kann die Klimakrise nicht aufhalten und es wäre naiv anzunehmen, dass andere Länder mit anderen Interessen und finanziellen Mitteln gleichziehen. Doch entbindet das uns nicht von der Pflicht, unsere eigenen Emissionen zu weit einzudämmen, wie wir können – mit demokratischen Maßnahmen, die den Interessen der Bevölkerung entsprechen.

Fazit: Die Grünen haben ambitionierte Klimaschutzziele vorgestellt. Diese sind teils noch nicht ausgereift, wie einige berechtigte Einwände von Kritikern zeigen. Ob sich Koalitionsparteien auf die Maßnahmen in ihrer derzeitigen Form einlassen werden, ist ungewiss. Aber immerhin zeigt die Partei neue Wege auf, CO2-Emissionen schneller und effizienter einzudämmen. Auch wenn sie nicht perfekt sind, so ist dies immerhin eine Bewegung in die richtige Richtung.

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