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Wu-Wei: Das chinesische Prinzip einfach erklärt

Wu Wei
Foto: CC0 / Pixabay / lechenie-narkomanii

Wu-Wei ist ein altes Prinzip aus dem Taoismus, das Menschen aus beengten Wertesystemen befreien will. Wir erklären dir, wie Wu-Wei entstand und wie du es anwenden kannst.

Wu-Wei: Kurz und bündig

Kurz gesagt geht es bei Wu-Wei um das bewusste Nichteingreifen oder Nichthandeln in einer Situation. Laut Yen-Hui Lee, der 2001 seine Doktorarbeit über „Die Gelassenheit und Wu-Wei“ an der Albert-Ludwigs-Universität veröffentlicht hat, ist Wu-Wei wie eine Art Meditation: Alles, was einen in Gedanken festhält, kann man loslassen. So beruhigt sich das Bewusstsein und wirkt wie ein Spiegel. Das hilft, zur Ruhe zu kommen und neue Kräfte entstehen zu lassen.

Wu-Wei: Das ist die Geschichte dahinter

Das Wu-Wei-Prinzip hat seinen Ursprung im alten China.
Das Wu-Wei-Prinzip hat seinen Ursprung im alten China.
(Foto: CC0 / Pixabay / KimJong)

Wu-Wei taucht im alten China zum ersten Mal auf. Der Philosoph Laotse (auch unter Lao Zi bekannt) hat das Wu-Wei-Prinzip im 6. Jahrhundert v. Chr. geprägt. Dieses Prinzip wurde anschließend für viele Herrscher in China im Laufe der Geschichte bis in die heutige Zeit bedeutend. 

Yen-Hui Lee führt uns noch ausführlicher in das Wu-Wei-Denken von Laotse, dem Begründer des Taoismus, ein. Laotse lebte zurückgezogen und distanziert. Durch diese Distanz konnte er Mechanismen in seinem Land verstehen, die sonst nicht erkennbar waren. Die Probleme, die er wahrnahm, verstand Laotse nicht als einmalige Phänomene in der Geschichte der Menschen. Vielmehr sah er in diesen Problemen Kräfte, die sich im Laufe der Geschichte der Menschen immer wieder wiederholen.

Yu-Wei: Das Handeln als Folge einer Absicht

Yu Wei besagt, dass jede Handlung ein Motiv hat.
Yu Wei besagt, dass jede Handlung ein Motiv hat.
(Foto: CC0 / Pixabay / Alexas_Fotos)

Dadurch kam Laotse zu der These, dass politisches Handeln keine Lösung auf Probleme wie Leiden, Krieg oder Machtkämpfe sei. Stattdessen solle man nach den Ursachen der Probleme suchen und versuchen, diese Probleme zu lösen. Denn Laotse nahm an, dass durch Wertesysteme, durch das Leben selbst und durch die Politik die Menschen von ihrer eigenen Natur entfremdet werden. Laotse spricht dabei von Yu-Wei. Das bedeutet, dass jede Handlung aus einer Absicht heraus geschieht.

Wu-Wei: Der Gegensatz zu Yu-Wei

Der Gegensatz zu Yu-Wei ist Wu-Wei. Für Laotse war Wu-Wei das Heilrezept, das die Menschen innerhalb des Wertesystems gesund machen kann. Wu-Wei bietet nämlich einen Weg, um sich von diesen Einflüssen zu befreien

Wu-Wei kann auch für uns heute dienlich sein. Denn wir leben in einer schnellen und nach Leistung strebenden Welt, die in Konflikten steht. Ein Wu-Wei-Denken hilft uns, uns zu beruhigen und zurück zu uns selbst zu finden.

Wu-Wei: Wie es zum Tao führt

Das Tao ist nicht die Vollendung, sondern der Weg selbst.
Das Tao ist nicht die Vollendung, sondern der Weg selbst.
(Foto: CC0 / Pixabay / BM10777)

Höchstes Ziel bei Wu-Wei ist es, zum Tao zu gelangen. Im Taoismus versteht man unter dem Tao im ursprünglichen Sinn den „beweglichen Weg“. Tao kann aber auch mit dem „guten Ursprung des Menschen“ übersetzt werden.

Das Tao ist eine lebendige Einheit, wirkt aber in zwei Weisen laut Laotse in der Welt: Im Sein und im Nichtsein. Durch das Sein wird alles bewegt und belebt. Durch das Nichtsein, also das Wu-Wei, kommt alles zum Ursprung und zur Ruhe zurück.

Um das Tao zu erlangen, sind zwei Bewegungen im Wu-Wei-Prinzip wichtig, die ineinander verzahnt sind:

  • Wu-Wei will einen Weg aus dem beengten Bewusstsein finden: Nur durch diese Befreiung kann sich der Mensch zu seinem wahren Ich innerhalb des Kollektivs entwickeln.
  • Wu-Wei will sich mit dem Tao vereinigen: Dabei ist das Tao als Ziel jedoch nicht die Vollendung eines Zustands. Das Tao ist der Weg selbst. Der Weg ist ein Verwandlungsprozess des Menschen. Innerhalb dieser Verwandlung gewinnt man eine neue Blickrichtung. Ziel ist es, dass das Ich so beschaffen ist, dass es ein spiegelklares Bewusstsein hat. So strahlt es eine unzerstörbare Ruhe aus.

Drei Ideen, wie du das Wu-Wei-Prinzip anwenden kannst

Laotse gibt verschiedene Ideen, um sich aus den Verstrickungen zu lösen:

  1. Die Befreiung aus der Begierde.
  2. Die Befreiung aus festgelegtem Wertesystem.
  3. Der Rückzug aus der Verstrickung der Welt.
Bei Wu-Wei geht es darum, dass du Abstand zu Ereignissen und Handlungen gewinnst.
Bei Wu-Wei geht es darum, dass du Abstand zu Ereignissen und Handlungen gewinnst.
(Foto: CC0 / Pixabay / Free-Photos)

Diese Ideen lassen sich auch heute, 2600 Jahre nach Laotse, anwenden. Mit dem Wu-Wei-Prinzip kannst du dich nicht nur aus Normen befreien, sondern lernen, dich zurückzuziehen. Dadurch kannst du wie Laotse Abstand zu den Dingen bekommen, um sie distanziert nach ihrer Ursache zu analysieren. Dieser trainierbare Schutz steigert deine seelische Gesundheit, weil du Abstand zu deinen Gefühlen und Verletzungen bekommst.

1. Befreiung aus der Begierde

Vielleicht kennst auch du „Begierde“ aus deinem Leben: Du wirst neidisch, weil du dich vergleichst oder weil du dich ungerecht behandelt fühlst. Hier entsteht unterschwellig Gewaltpotenzial, das schadet. 

Versuche darum, dich von deinen Begierden zu distanzieren. Schaue sie dir aus der Distanz an: Warum bist du neidisch? Warum fühlst du dich ungerecht behandelt? Liegt das daran, dass du dich nach Liebe sehnst? Oder hättest du gerne mehr Anerkennung bekommen? Meist sind es immer wieder dieselben Hintergründe, die uns alltäglich in unseren Gedanken begegnen. Die Hintergründe hängen meist mit unserer Biografie zusammen. Wenn du die Ursprünge kennst, kannst du sie leichter akzeptieren und damit das Gewaltpotenzial reduzieren.

2. Befreiung aus festgelegtem Wertesystems

Ein Wertesystem hilft zur Orientierung. Trotzdem kann ein Wertesystem die Sicht verengen, da es nur mit Kriterien funktioniert, die bestimmen, was „richtig“ zu sein scheint. Mit einem Wertesystem lässt sich darum zwischen schön und hässlich, gut und schlecht, usw. unterscheiden. 

Befreie dich aus dem Wertesystem deiner Umgebung. Distanziere dich und hinterfrage es immer wieder neu. Hinter Wertesystemen einer Gesellschaft oder einer Gruppe stehen Geschichten, die es zum Verständnis braucht. Manches davon war vielleicht vor einigen Jahrzehnten noch aus gutem Grund gültig, darf aber heute aufgrund von anderen Umständen neu hinterfragt werden. Wu-Wei hilft dir dabei, objektiver auf eine Sache zu schauen, da Normen und Erwartungen aufgebrochen werden dürfen.

3. Rückzug aus der Verstrickung mit der Welt

Es geht dabei nicht darum, eine Selbstverwirklichung zu leben, wie sie im Westen modern ist. Denn im konfuzianischen Denken kann der Mensch nur im Rahmen von der Welt, der Gesellschaft und der Familie ein sinnvolles Leben entwickeln.

Mache dich nicht abhängig von Meinungen anderer, sondern versuche Dinge objektiv zu betrachten und nach ihrer Ursache zu fragen. Nur so kannst du der gesetzten Gewalt und den Wertnormen entfliehen. Verstehe dich als Teil eines großen Ganzen, da nicht nur dein Umfeld Einfluss auf dich hat, sondern du es mit distanzierten Sichtweisen beeinflussen kannst.

Wu-Wei in einfachen Worten

Das Wu-Wei-Prinzip beim nächsten Konflikt: Nicht handeln.
Das Wu-Wei-Prinzip beim nächsten Konflikt: Nicht handeln.
(Foto: CC0 / Pixabay / Engin_Akyurt)

Fazit: Das Wu-Wei-Prinzip ist Teil einer der bekanntesten Philosophieströmungen. Darum ist es ohne alle Hintergrundinformationen nur schwer zu verstehen. Hier ist das Wu-Wei-Prinzip noch einmal kurz und in einfachen Worten erklärt:

  1. Lehne dich beim nächsten Problem zuerst einmal zurück.
  2. Warte ein bisschen ab.
  3. Schaue dir das Problem aus der Distanz an. Aus dem Nichthandeln wird dein Verstand klarer und du kannst gewaltfreie Lösungen finden.

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