Erstmals seit zwei Jahrzehnten steigt die Zahl der Mädchen und Jungen in Kinderarbeit wieder an. Das stellen die internationale Arbeitsorganisation ILO und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF in ihrem aktuellen Bericht zum „Welttag gegen Kinderarbeit“ am 12. Juni 2021 fest. Eine aktuelle Utopia-Studie zur Kinderarbeit zeigt: Nachhaltigkeitsaffine Konsument:innen sind sich dieser Problematik bewusst. Ihr Hauptanliegen: Sie wollen klar erkennen können, dass Produkte ohne Kinderarbeit hergestellt wurden. Dabei wünschen sie sich insbesondere Kennzeichnungen und Label direkt am Produkt.
Wissen nachhaltigkeitsbewusste Konsument:innen, welche Produkte mit Kinderarbeit hergestellt werden? Wie gut fühlen sie sich informiert? Und was könnte dazu beitragen, dass Kinderarbeit eine größere Rolle bei Kaufentscheidungen spielt? Im Mai 2021 haben wir Utopist:innen zu dieser Thematik befragt und knapp 2.000 von ihnen haben an unserer Umfrage teilgenommen.
Das Ergebnis: Eine überwältigende Mehrheit (83,2%) der Befragten findet es schwer zu beurteilen, ob ein Produkt mit Kinderarbeit verbunden ist oder nicht. Nur ein Viertel (27,1%) sieht sich „gut“ darüber informiert, in welchen Produkten Kinderarbeit ein Problem darstellt, knapp ein Drittel (32,5%) dagegen „überhaupt nicht“. Vor diesem Hintergrund ist es wenig erstaunlich, wenn fast zwei Drittel (63,6%) der Utopist:innen angeben, dass sie bei ihren Kaufentscheidungen stärker auf andere Aspekte (wie Umwelt, Regionalität, Qualität, Preis) achten als auf Kinderarbeit.
Ein Problembewusstsein haben sie aber sehr wohl: So gehen 73,4% der Studienteilnehmer:innen davon aus, dass Produkte in deutschen Regalen nicht frei von Kinderarbeit sind. Umgekehrt gilt auch: Jene Verbraucher:innen, die von sich selbst sagen, gut informiert zu sein, achten beim Kauf auch signifikant häufiger darauf, ob ein Produkt mit Kinderarbeit verbunden ist. Ein Blick auf die Altersverteilung zeigt Unterschiede zu anderen Nachhaltigkeitsthemen: während Jüngere beim Einkauf Umwelt- und Klimaaspekte stärker berücksichtigen als Ältere, ist es beim Thema Kinderarbeit umgekehrt: je älter die Teilnehmer:innen an unserer Umfrage, um so größer ist der Anteil derjenigen, die bei ihren Konsumentscheidungen darauf achten, dass ein Produkt frei von Kinderarbeit ist.
Herausforderung: Produkte mit Kinderarbeit erkennen
Was könnte dazu beitragen, dass Konsument:innen häufiger zu Produkten greifen, die frei von Kinderarbeit sind? Das Ergebnis ist so eindeutig wie nachvollziehbar: Die Produkte müssten als solche erkennbar sein. Das sagen 93,1% der Utopist:innen.
Der beste Weg, Produkte ohne Kinderarbeit erkennbar zu machen, ist aus Sicht der Studien-Teilnehmer:innen eine entsprechende Kennzeichnung oder ein Label am Produkt (79,4%), gefolgt von Informationsangeboten unabhängiger Organisationen (45,4%). Hinweise am Point of Sale erwarten 36,7% der Befragten. Für Labelorganisationen und NGOs eine Bestätigung ihrer Bedeutung bei Verbraucher:innen und zugleich ein Hinweis darauf, dass „Kinderarbeit“ als eines von vielen Kriterien gerade bei Fairtrade-Siegeln und Label mit sozialen Anforderungen durchaus deutlicher herausgearbeitet werden könnte.
Blinde Flecken: Nicht alle Produktgruppen im Fokus
Die Wahrnehmung des Themas Kinderarbeit konzentriert sich stark auf wenige Branchen und Warengruppen. Im gestützten Antwortszenario bewerteten die Teilnehmer:innen bei Kleidung (79,4%), Kakao und Schokolade (69,3%) sowie Kaffee (58,2%), Teppichen (44,6%) und Elektronik (39,5%) das Problem als besonders groß – und damit in den Branchen, die stark im medialen Fokus stehen. Die häufige Nennung der Textilindustrie lässt auf ein weiterhin hohes Misstrauen gegenüber der Branche seit dem verheerenden Fabrikeinsturz von Rana Plaza schließen – selbst, wenn es bei diesem Unglück nicht um Kinderarbeit ging.
Risikothema Mica
Andere Warengruppen, in denen Kinderarbeit ebenfalls stark vertreten ist, wie z.B. Natursteinprodukte oder Haselnüsse, wurden deutlich seltener genannt. Ein noch weniger bekanntes Kinderarbeitsproblem ist mit dem Mineral Mica verbunden. Es ist in Kosmetik, Autos, Haushaltsgeräten und Smartphones enthalten und selbst bei gut informierten bewussten Konsument:innen noch unbekannt. Im Hinblick auf Kinderarbeit scheinen 30.000 Kinder in Mica-Minen in Indien und Madagaskar ein kleines Problem, etwa im Vergleich mit 1,5 Millionen Kindern, die auf Kakaoplantagen schuften. Die Kinderrechtsorganisation terre des hommes hat das Thema dennoch in einer Studie aufgegriffen: „Wir brauchen einfach den Druck der Öffentlichkeit und von Konsument:innen, damit die Wirtschaft sich bewegt. Das bringt Politik und Behörden vor Ort schneller in Bewegung als jeder Vortrag über Kinderrechte“, sagt Barbara Küppers, Kinderrechtsexpertin bei terre des hommes. „Mit der ‚Responsible Mica Initiative‘ haben wir das richtige Instrument, um verschiedenste Hersteller und den Handel an einen Tisch zu bringen“.
Hersteller und Politik in der Pflicht
Auch die bewussten Konsument:innen sehen vor allem die Hersteller in der Verantwortung, gegen Kinderarbeit vorzugehen (73,9%), gefolgt von der Politik in Deutschland (64,8%). Jede:r Zweite sieht die Politik im jeweiligen Produktionsland in der Pflicht (50,7%). Je jünger die Befragten, desto höher die Erwartungen an die Politik, das Problem als Gesetzgeber zu entschärfen. Mit steigendem Alter steigen die Erwartungen an den Handel sowie das eigene Pflichtgefühl als Konsument:innen.
Skepsis gegenüber dem Lieferkettengesetz
Das jüngst verabschiedete Lieferkettengesetz, mit dem Unternehmen von NGOs und Betroffenen für Verletzungen von Sozialstandards in den Lieferketten haftbar gemacht werden können, wird von den Utopist:innen eher kritisch gesehen. Mehr als die Hälfte der Befragten (57%) schätzt den Beitrag des Gesetzes zur Bekämpfung der Kinderarbeit als „eher gering“ (48,6%) oder „sehr gering“ (8,4%) ein.
Unser Senior Client Solutions Team freut sich auf Ihre Nachricht: Zum Team
Informationen zu unserer Reichweite, unserer Zielgruppe sowie zu sämtlichen Native Advertising Formaten finden Sie in unseren aktuellen Mediadaten: Mediadaten anfragen