Die versteckte Botschaft des Corona-Konjunkturpakets – und ihre Bedeutung für den nachhaltigen Konsum.
Mit „Wumms“ aus der Krise. Die Bundesregierung will klotzen und nicht kleckern, um die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie zu mildern. 57 Maßnahmen wurden zu drei milliardenschweren Paketen zusammengeschnürt: das „Konjunktur-“, das „Krisenbewältigungs-“ und das „Zukunftspaket“. Viel Lob gab es dafür – auch deshalb, weil die schlimmsten Befürchtungen nicht eintraten (z.B. Abwrackprämie) und weil einige der konjunkturpolitischen Impulse in die „grüne Richtung“ gehen. So ist etwa ein Viertel der Gesamtsumme von 130 Milliarden EURO für Investitionen für den Klimaschutz vorgesehen, wichtige Themen wie Wasserstoff, Elektromobilität und Gebäudesanierung sind im Paket adressiert
Umweltökonomen vermissen zwar neben anderen Aspekten einen systematischen Klimacheck bei den geplanten Investitionen. Und ein weitreichendes NGO-Bündnis unter Federführung der „Klima-Allianz Deutschland“ fordert, Gesundheit, Soziales und Klima stärker zusammen zu denken, als es bei den geplanten Maßnahmen vorgesehen sei. Das Wuppertal Institut für Umwelt, Klima, Energie fürchtet, dass die Klimaschutzmaßnahmen zu verpuffen drohen, wenn sie nicht durch eine konsequente und nachhaltig ausgerichtete Klimapolitik flankiert werden. Aber alles in allem fiel die Kritik überraschend mild aus.
Die auf sechs Monate befristete Absenkung der Mehrwertsteuer ist ein zentraler und besonders symbolträchtiger Teil des Konjunkturpaketes. Sie soll den privaten Konsum ankurbeln. Kritik an dieser Maßnahme gab es vor allem von Verbraucherschützern – und eher wegen der Frage, ob die Senkungen auch in angemessener Form an Verbraucher weitergegeben würden. Die Entscheidung an sich fand weitgehend Zustimmung. Auch die Bundesbürger selbst finden die Senkung mehrheitlich gut. Umfragen zeigen allerdings, dass die meisten Konsumenten keine Auswirkungen auf ihr eigenes Kaufverhalten vermuten. Lediglich bei einigen geplanten größeren Anschaffungen (Möbel, Haushaltsgeräte, Handwerksleistungen) könne man sich Extra-Anschaffungen oder zeitlich in das zweite Halbjahr 2020 vorgezogene Käufe vorstellen, um gezielt von der Mehrwertsteuer-Senkung zu profitieren. Der erwartete wirtschaftliche Effekt geschieht also eher im Hintergrund.
Im Hintergrund – aber doch sichtbar – findet sich zudem eine unterschwellige Botschaft, die von dieser steuerpolitischen Maßnahme ausgeht. Der offizielle Satz im Eckpunktepapier des Koalitionsausschusses lautet: „Zur Stärkung der Binnennachfrage in Deutschland wird befristet vom 1.7.2020 bis zum 31.12.2020 der Mehrwertsteuersatz von 19% auf 16% und von 7% auf 5% gesenkt.“ So weit, so klar. Die Nebenbotschaft heißt aber auch: „Leute, kauft! Wir machen es euch leichter, mehr zu kaufen. Egal was! Hauptsache, die Nachfrage steigt und die Konjunktur erholt sich.“ Erstaunlich, dass diese universelle Konsum-Aufforderung weitgehend unkritisiert bleibt. Selbst die ansonsten sehr detaillierten Forderungen des NGO-Bündnisses enthalten keinen Kommentar zur pauschalen Mehrwertsteuersenkung.
Konjunkturpaket ignoriert Trends zur Suffizienz
Das Signal, das von der „Kauft mehr!“-Botschaft ausgeht, trifft bei vielen Verbrauchern auf gegenläufige Einstellungen, die sich nicht erst durch die Corona-Krise verändern. Die Utopia-Studie „Eine Frage der Haltung“, die Anfang 2020 veröffentlicht wurde, liefert aussagekräftige Erkenntnisse dafür, dass Weniger das „neue Mehr“ ist. Immer mehr nachhaltigkeitsbewusste Verbraucher fragen immer häufiger nach dem rechten Maß („Brauche ich das wirklich?“) und achten beim Einkauf neben Nachhaltigkeit vor allem auch auf die Qualität und Langlebigkeit von Produkten. Es entsteht eine „neue Nachdenklichkeit“, wenn es um Nachhaltigkeit, Lebensstil und Kaufverhalten geht:
- 77 Prozent der Befragten sind davon überzeugt, dass es in Zukunft vor allem darum gehen wird, weniger zu konsumieren.
- Die „Lust am Konsum“ hat seit der ersten großen Utopia-Studie 2017 klar abgenommen.
- Immer mehr Konsumenten sagen, dass sie bestimmte Produkte aus Nachhaltigkeitsgründen grundsätzlich nicht kaufen.
- Themen rund um Suffizienz („Dinge, auf die man verzichten kann“) gehörten 2019 zu den meist gelesenen Berichten auf Utopia. Auf dem ersten Platz: Beiträge, in denen es nicht ums Kaufen, sondern ums Selbermachen geht.
Konsumverhalten nach Corona
Aktuelle Umfragen zu den Lebensstil-Konsequenzen der Corona-Pandemie liefern Hinweise darauf, dass dieser Trend eher noch bedeutender wird und dass sich das Verbraucherverhalten dauerhaft zugunsten von Nachhaltigkeit verändern könnte. So liefert das Wochenmagazin DIE ZEIT in seiner neuen Serie „Die Wende zum Weniger“ klare Hinweise auf veränderte Einstellungen zum Konsum. Zwar gehen laut der ZEIT-Umfrage die Menschen mehrheitlich davon aus, dass das Shoppen nach Corona weitergehen wird wie bisher (81 Prozent glauben das). Sie äußern sich insgesamt jedoch konsumkritischer:
- Nur 10 Prozent der Befragten wollen den während der Pandemie ausgefallen Konsum später nachholen.
- 84 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Pandemie ihnen gezeigt habe, dass es Wichtigeres geben als zu Shoppen.
- Und drei von vier Befragten haben für sich festgestellt, dass sie gut auf Konsum verzichten können.
- 40 Prozent der Befragten wollen beim Einkauf in Zukunft mehr auf Nachhaltigkeit achten, weitere 22 Prozent zumindest teilweise.
In welche Richtung ein veränderter Konsum nach Corona gehen könnte, zeigen die Ergebnisse der Utopia-Umfrage zum Zusammenhang zwischen der Corona-Krise und dem Alltagsverhalten vom April 2020: größere Unterstützung lokaler Anbieter, Kauf regionaler Produkte, mehr Bio, mehr Qualität – und, vor allem: „Insgesamt weniger konsumieren“.
Weniger ist das „neue Mehr“
Fazit: Ein Konjunkturpaket, das das „Immer-mehr“ beim privaten Konsum so unkritisch fördern will, verkennt, dass viele Verbraucher in ihrer Haltung schon weiter sind. Wenn in den nächsten Monaten die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz wieder stärker in den Fokus der öffentlichen Debatte rücken, wird – auch und gerade wegen Corona – der Trend zur Suffizienz eine zentrale Rolle spielen. Denn eines hat Corona eindrucksvoll gezeigt: Dass weniger materieller Konsum nicht zwangsläufig weniger – und manchmal sogar mehr – Lebensqualität bedeuten kann.
Die aktuelle Utopia-Studie „Ein Frage der Haltung“ können Sie hier kostenlos downloaden.
Den Berichtsband mit mehr als 100 Seiten Tabellen und Grafiken zu allen Fragestellungen der Utopia-Studie können Sie hier bestellen.
Unser Senior Client Solutions Team freut sich auf Ihre Nachricht: Zum Team
Informationen zu unserer Reichweite, unserer Zielgruppe sowie zu sämtlichen Native Advertising Formaten finden Sie in unseren aktuellen Mediadaten: Mediadaten anfragen