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Gabriel Baunach – Klimaschutz mit Hand statt Fuß #5

Gabriel Baunach
Foto: Anna Masiukiewicz

Der CO2-Fußabdruck allein nützt dem Klimaschutz wenig, weil er zu Planlosigkeit führen kann und ein schlechtes Gewissen erzeugt. Klimakommunikator Gabriel Baunach erklärt im Interview, welches die größten Hebel im Leben jeder einzelnen Person sind und wie man die eigene Wirkung mit dem Handabdruck weiter verstärkt.

Utopia: Der CO2-Fußabdruck ist vielen bekannt und gilt als die Methode, um das Verhalten auf Klimaauswirkungen zu messen. Du kritisierst das Konzept, weil es viele Menschen zu planlosen Aktionist:innen macht. Warum?

Gabriel Baunach: Ja, das ist bewusst provokant und mit einem Augenzwinkern formuliert. Die meisten wissen nicht, wo die großen CO2-Hebel im Alltag liegen. Einige sind engagiert und gut informiert, aber insgesamt fehlt das Wissen über die effektivsten Maßnahmen zur CO2-Reduktion. Oft verzichten sie auf Plastiktüten, unterschätzen aber den Fleischkonsum, obwohl Fleisch, besonders Rindfleisch, um ein Vielfaches mehr Treibhausgase verursacht. Vegetarische Optionen wählen sie eher aus Neugier oder wegen des Tierwohls, nicht aus Klimaschutzgründen.

Viele wollen klimafreundlich konsumieren, wenn sie nachhaltig einkaufen, unterscheiden aber nicht zwischen Klimaschutz und Maßnahmen gegen die Plastikkrise. Zudem überfordert uns der CO2-Fußabdruck im Detail, da wir die globalen Zusammenhänge mit langen Lieferketten nicht überblicken und nach Daumenregeln und aufgeschnappten Infos entscheiden.

Dieser Text ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Utopia Changemaker Podcast.
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„Die Big Points im Leben angehen“

Was sollten Menschen dann tun, wenn sie möglichst klimafreundlich konsumieren wollen?

Ich empfehle, die richtigen Daumenregeln für den CO2-Fußabdruck anzuwenden und Big Points anzugehen. Details sind weniger wichtig, da sie zu viel Energie und Zeit kosten und oft nur schlechtes Gewissen machen. Die drei wichtigsten Bereiche sind:

  1. Mobilität: Flüge und Autofahrten mit Verbrennermotoren reduzieren oder durch andere Mobilitätsformen ersetzen.
  2. Ernährung: Auf Rindfleisch und generell auf tierische Produkte verzichten, pflanzliche Proteine und Ernährungsweisen bevorzugen. Saisonale und lokale Ernährung kann ebenfalls helfen, wichtiger ist aber was wir essen.
  3. Wohnen: Effizient heizen und kühlen, erneuerbare Energien nutzen. Wenn möglich, eine Wärmepumpe anschaffen und überlegen, wie viel Raum beheizt werden muss. Beim Strom haben wir mittlerweile gute Regelungen für Balkonkraftwerke, sodass auch Mieter:innen bei der Energiewende mitmachen können. Eine PV-Anlage aufs Eigenheim zu bauen, ist ebenfalls eine Möglichkeit, den CO2-Fußabdruck massiv zu reduzieren.

Der Fokus auf diese Bereiche hat einen weitaus größeren Impact als die Entscheidung zwischen verschiedenen Duschgels im Supermarkt.

Du hast eben das schlechte Gewissen angesprochen. Warum schwingen bei Themen wie Klimaschutz und Nachhaltigkeit Schuldgefühle mit?

Ein Grund dafür ist der Fokus auf die individuelle Ebene, der dem ökologischen oder CO2-Fußabdruck zugrunde liegt. Ein CO2-Rechner zeigt letztlich, wie viele Emissionen man mit seinem Lebensstil verursacht. Das triggert Schuldgefühle. Zudem sehen wir uns nur als Einzelne, die allein handeln. Zum schlechten Gewissen gesellt sich somit Ohnmacht, weil wir allein die Welt nicht retten können.

„Der Handabdruck dreht den Spieß um

Ein Gegenmittel ist der Handabdruck. Was macht dieses Konzept besser?

Beim CO2-Fußabdruck geht es darum, wie viel ich individuell dem Planeten schade. Der Handabdruck dreht den Spieß um und fragt positiv: Wie viel kann ich zur Lösung beitragen? Es geht darum, wie viel Treibhausgase sich gesamtgesellschaftlich einsparen lassen, indem ich dazu beitrage, dass andere Menschen sich klimafreundlicher verhalten können, und dass ihnen dies einfacher gemacht wird. Das gelingt am besten durch Strukturveränderungen.

Kannst du das an einem Beispiel festmachen?

Anstatt nur selbst mehr Fahrrad zu fahren oder meine Nachbar:innen zu ermuntern, könnten wir uns zusammenschließen und dafür sorgen, dass die Stadt einen Radweg baut. Wenn es diesen neuen Radweg gibt, werden viel mehr Menschen Rad fahren und diese klimafreundliche Option wählen. Diese Summe der CO2-Reduktionen ist dann meine Handabdruckvergrößerung, weil ich dazu beigetragen habe, dass dieser Radweg gebaut wird. Es ist eine motivierendere Perspektive, die nicht auf schlechtes Gewissen abzielt, sondern kollektiv und positiv ist. Es ist eine politisierende Perspektive, weil ich mich mit anderen Menschen zusammenschließe und darüber diskutiere, wie wir unsere Welt gestalten und verändern können, sodass die nachhaltige Option letztendlich die einfachere, günstigere und attraktivere wird.

„Ein perfekt nachhaltiges Leben in einer unnachhaltigen Welt ist nicht möglich“

Ein vergrößerter Handabdruck ist natürlich auch effektiver als ein verkleinerter Fußabdruck. Aber inwieweit gehören die beiden Dinge zusammen? An einem plakativen Beispiel festgemacht: Es wäre wohl unwahrscheinlich, dass ein notorischer Fleischesser sich dafür einsetzt, etwa eine Mensa oder eine Kantine, die er regelmäßig besucht, auf vegane Ernährung umzustellen. Ein solcher würde als Klimaheuchler bezeichnet werden …

Bei der Vergrößerung unseres Handabdrucks laufen wir immer Gefahr, als Klima-Heuchler bezeichnet zu werden. Ein perfekt nachhaltiges Leben in einer unnachhaltigen Welt ist nicht möglich. Das heißt, man wird immer Schmutzflecken auf unserer weißen Weste finden, weil Treibhausgasemissionen (noch) zum Leben gehören. An mir perlen solche Heuchelei-Vorwürfe inzwischen ab, weil ich weiß, dass ich die großen Hebel in meinem Leben beim Fußabdruck angehe und insbesondere bei den Big Points massive Reduktionsschritte geleistet habe.

Das könnte auch die Botschaft an einen solchen Mensa-Aktivisten sein, der noch viel Fleisch isst, sich aber für vegane Optionen einsetzt: Sich bei den großen CO2-Hebeln hinterfragen, vielleicht ein paar vegetarische oder vegane Tage pro Woche einlegen und so den Heuchelei-Vorwürfen den Stecker ziehen. Studien zeigen, dass Menschen, die sich kollektiv einsetzen, auch individuell ihren Fußabdruck reduzieren. Deswegen ist der Fall eines notorischen Fleischessers, der sich für vegane Alternativen einsetzt, ohnehin eher unrealistisch, denn Handabdruckvergrößerungen werden auch zu individuellen Veränderungen im Lebensstil führen.

Das klingt motivierend. Aber ist es nicht schwieriger, seinen Handabdruck zu vergrößern als seinen Fußabdruck zu verkleinern – was vielen Menschen schon schwerfällt?

Es erfordert Zeit und Engagement, aber es gibt auch schnelle Optionen, wie eine Spendenmitgliedschaft abzuschließen. Oder man trifft grundlegende Entscheidungen, überdenkt seinen Job und fragt sich, ob man bei einem Arbeitgeber arbeiten kann, der an der Klimawende mitwirkt. Das kostet dann langfristig, nach dem Jobwechsel, keine zusätzliche Zeit und man investiert automatisch einen großen Teil seiner Arbeitszeit, Energie und Fähigkeiten in die Klimawende – und wird auch noch dafür bezahlt.

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